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John Lester, ein ehemaliger Richter, der Jennifer vertrat, antwortete: »Der Staatsanwalt macht sich der böswilligen Verdrehung von Tatsachen schuldig, Euer Ehren. Meine Mandantin ist nirgendwohin geflohen. Sie war geschäftlich in Singapur. Wenn die Regierung sie aufgefordert hätte, zurückzukommen, hätte sie der Aufforderung freiwillig Folge geleistet. Sie ist eine angesehene Anwältin mit einer großen Kanzlei in dieser Stadt. Es wäre undenkbar, daß sie weglaufen würde.«

Der Streit ging noch länger als dreißig Minuten weiter. Schließlich sagte Richter William Bennett: »Das Gericht setzt eine Kaution in Höhe von fünfhunderttausend Dollar fest.«

»Danke, Euer Ehren«, sagte Jennifers Anwalt. »Wir hinterlegen die Kaution.«

Eine Viertelstunde später half Gino Gallo Jennifer auf den Rücksitz einer Mercedes-Limousine. »Das ging schnell«, sagte er.

Jennifer antwortete nicht. Sie hatte gar nicht zugehört. Sie überlegte, was passiert sein konnte. Sie war in Singapur vollkommen isoliert gewesen. Sie hatte keine Ahnung, was in den Vereinigten Staaten vorgefallen war, aber zweifellos war ihre Verhaftung kein Zufall. Sie waren nicht allein hinter ihr her. Sie mußte unbedingt mit Michael sprechen und herausfinden, worum es ging. Di Silva mußte seiner verdammt sicher gewesen sein, wenn er ihre Auslieferung unter einer Mordanklage beantragt hatte. Er...

Gino Gallo sagte zwei Worte, die Jennifer aus ihren Gedanken rissen.

»... Adam Warner...«

»Was haben Sie gesagt?«

»Ich sagte, um Adam Warner brauchen wir uns nicht mehr zu kümmern. Mike hat sich seiner angenommen.« Jennifer spürte ihr Herz schlagen. »Hat er das? Wann?« Gino Gallo nahm die Hand vom Lenkrad, um einen Blick auf seine Armbanduhr zu werfen. »In etwa fünfzehn Minuten. Es wird wie ein Unfall aussehen.«

Jennifers Mund war plötzlich wie ausgetrocknet. »Wo...« Sie brachte die Worte kaum heraus. »Wo - wo wird es passieren.«

»New Canaan. An der Brücke.« Sie fuhren durch Queens. Vor ihnen lag ein Einkaufszentrum mit einer Apotheke.

»Gino, könntest du vor dem Drugstore halten? Ich muß noch etwas besorgen.«

»Klar.«

Geschickt schwenkte er das Lenkrad herum und steuerte in die Einfahrt des Einkaufszentrums. »Kann ich Ihnen helfen?«

»Nein, nein. Ich - ich bleibe nur eine Minute weg.« Jennifer sprang aus dem Wagen und eilte mit vibrierenden Nerven in den Laden. Im hinteren Teil des Geschäfts befand sich eine Telefonzelle. Jennifer griff in ihre Geldbörse. Sie hatte kein Kleingeld, abgesehen von einigen Münzen aus Singapur. Sie lief zur Kasse und holte einen Dollar heraus. »Könnten Sie mir den bitte wechseln?« Die gelangweilte Kassiererin nahm Jennifers Dollar und gab ihr eine Handvoll Kleingeld. Jennifer eilte zurück zum Telefon. Eine stämmige Frau hatte den Hörer ergriffen und wählte.

Jennifer sagte: »Es handelt sich um einen Notfall. Könnte ich vielleicht...«

Die Frau starrte sie an und wählte weiter. »Hallo, Hazel«, keuchte sie dann. »Mein Horoskop stimmte genau! Ich hatte einen grauenhaften Tag. Erinnerst du dich noch an die Schuhe, die ich mir bei Delmans holen wollte? Kannst du dir vorstellen, daß sie das einzige Paar, das sie in meiner Größe hatten, schon verkauft haben?«

Jennifer berührte den Arm der Frau und sagte: »Bitte!«

»Besorgen Sie sich ein eigenes Telefon«, zischte die Frau. Sie wandte sich wieder dem Hörer zu. »Und erinnerst du dich noch an das Paar aus Wildleder, das wir gesehen haben? Weg! Willst du wissen, was ich getan habe? Ich habe zu der Bedienung gesagt...«

Jennifer schloß die Augen und vergaß alles außer dem Aufruhr in ihrem Inneren. Michael durfte Adam nicht umbringen. Sie mußte tun, was sie konnte, um ihn zu retten. Die Frau hängte auf und wandte sich an Jennifer. »Ich sollte noch jemanden anrufen, nur um Ihnen Benehmen beizubringen.«

Dann ging sie davon, stolz auf ihren kleinen Sieg. Jennifer packte den Hörer. Als erstes rief sie Adams Büro an. »Es tut mir leid«, sagte seine Sekretärin, »aber Senator Warner ist nicht da. Möchten Sie eine Nachricht hinterlassen?«

»Es ist dringend«, sagte Jennifer. »Wissen Sie, wo ich ihn erreichen kann?«

»Nein, es tut mir leid. Wenn Sie gern...« Jennifer hängte auf. Sie stand da und dachte einen Augenblick nach, dann wählte sie eine andere Nummer. Robert Di Silva! Eine Ewigkeit verging, ehe sich eine Stimme meldete: »Büro des Staatsanwalts.«

»Ich muß mit Mr. Di Silva sprechen. Hier ist Jennifer Parker.« »Es tut mir leid. Mr. Di Silva ist in einer Konferenz. Er darf nicht gestört...«

»Sie holen ihn jetzt ans Telefon, sofort! Es handelt sich um einen Notfall. Laufen Sie schon!« Jennifers Stimme zitterte. Di Silvas Sekretärin zögerte. »Einen Moment bitte.« Kurz darauf kam Robert Di Silva an den Apparat. »Ja?« Sein Ton war unfreundlich.

»Passen Sie auf, und passen Sie gut auf«, sagte Jennifer.

»Adam Warner soll ermordet werden. Es soll in den nächsten zehn oder fünfzehn Minuten geschehen. Auf der Brücke von New Canaan.«

Sie hängte auf. Mehr konnte sie nicht tun. Sie stellte sich Adams Körper von einem Unfall zerfetzt vor und schauderte. Sie warf einen Blick auf ihre Uhr und betete innerlich, daß Di Silvas Männer schneller waren als Michaels Killer.

Robert Di Silva legte den Hörer auf und blickte die Männer in seinem Büro an. »Das war ein merkwürdiger Anruf.« »Von wem?«

»Jennifer Parker. Sie behauptete, daß jemand Senator Warner ermorden will.«

»Warum hat sie Sie angerufen?«

»Das weiß der Teufel.«

»Halten Sie ihre Vermutung für möglich?«

Staatsanwalt Di Silva sagte: »Natürlich nicht.«

Jennifer trat durch die Tür, und trotz allem konnte Michael nicht anders, als auf ihre Schönheit reagieren. Es war die gleiche Reaktion wie immer. Seine Gefühle hatten sich nicht verändert. Äußerlich war sie die entzückendste Frau, die er je gesehen hatte. Aber unter der schönen Schale war sie trügerisch, tödlich. Er blickte auf die Lippen, die Adam Warner geküßt hatten, und auf den Körper, der in Adam Warners Armen gelegen hatte.

Sie betrat den Raum und sagte: »Michael, ich bin so froh, dich zu sehen. Danke, daß du alles so schnell arrangiert hast.«

»Kein Problem. Ich habe auf dich gewartet, Jennifer.« Sie würde nie erfahren, wie sehr er auf sie gewartet hatte. Sie ließ sich in einen Armsessel fallen. »Michael, was, in Gottes Namen, geht hier eigentlich vor? Was ist los?« Beinahe bewundernd beobachtete er sie. Sie war mitverantwortlich dafür, daß sein Reich zusammenbrach, und nun saß sie ihm wie die Unschuld persönlich gegenüber und fragte, was eigentlich los sei.

»Weißt du, warum sie mich zurückgeholt haben?« Sicher, dachte er. Damit du ihnen noch etwas mehr vorsingen kannst. Er dachte an den kleinen gelben Kanarienvogel mit dem gebrochenen Genick. Genauso würde Jennifer auch bald enden.

Jennifer blickte in seine schwarzen Augen. »Geht es dir gut?«

»Es ist mir nie besser gegangen.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »In ein paar Minuten werden all unsere Probleme vorbei sein.«

»Wie meinst du?«

»Senator Warner wird einen Unfall haben. Das wird den Senatsausschuß etwas abkühlen.« Er blickte auf die Uhr an der Wand. »Ich erwarte den Anruf jeden Augenblick.« Michaels Benehmen war seltsam, erschreckend. Jennifer hatte plötzlich eine Ahnung von Gefahr.

Sie stand auf. »Ich hatte noch gar keine Gelegenheit, auszupacken. Ich werde schnell...«

»Setz dich.« Der Unterton in Michaels Stimme ließ ihr einen Schauer über den Rücken laufen. »Michael...«

Sie warf einen Blick zur Tür hinüber. Gino Gallo hatte sich mit dem Rücken dagegengelehnt und sah Jennifer ausdruckslos an. »Du gehst nirgendwo hin«, erklärte Michael ihr.