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»Nein, bei Eurer Zurückkunft. Ich will selbst die Lunte anlegen, um versichert zu sein, daß sie nicht umsonst abbrennt. Vor allem verhüllt Euer Gesicht gut, damit sie Euch nicht erkennen.«

»Seid unbesorgt.«

»Hört, es schlägt eben zehn Uhr in Greenwich.«

Wirklich drangen die zehnmal wiederholten Schwingungen einer Glocke traurig durch den mit schweren Wolken angefüllten Luftkreis, die wie schweigende Wogen am Himmel dahinwallten. Groslow stieß die Türe wieder zu, welche Mordaunt inwendig absperrte, und nachdem er dem wachhabenden Matrosen aufgetragen hatte, auf das sorgsamste zu wachen, stieg er in seine Barke hinab, die rasch von hinnen glitt, die Wellen mit den doppelten Rudern schlagend. Der Wind pfiff kalt und der Damm war schon öde, als Groslow in Greenwich landete; mehrere Barken waren mit der vollen Flut abgefahren. In dem Momente, wo Groslow ans Land stieg, vernahm er etwas wie den Galopp von Pferden auf dem Pflaster des Strandes.

»O,« rief er, »Mordaunt hatte recht, daß er mich antrieb. Es war keine Zeit zu verlieren; hier sind sie schon.«

Es waren wirklich unsere Freunde, oder vielmehr ihre Vorhut, die aus d'Artagnan und Athos bestand. Als sie der Stelle gegenüber ankamen, wo Groslow eben landete, hielten sie an, als hätten sie es erraten, daß derjenige da sei, mit dem sie zu tun hatten. Athos stieg vom Pferde und entfaltete ruhig ein Sacktuch, dessen vier Ecken Knoten hatte, und ließ es im Winde flattern, indes d'Artagnan stets vorsichtig halb über sein Pferd gebeugt blieb, und die eine Hand nach der Pistolenhalfter ausstreckte. Groslow, der sich in seinem Zweifel, ob das wohl die erwarteten Reiter seien, hinter einen jener Pflöcke gekauert hatte, die da aufgepflanzt und dazu dienlich waren, die Taue darum zu winden, stand jetzt auf, als er daß verabredete Zeichen bemerkte, und ging geradeswegs auf den Kavalier zu. Er war, dergestalt in seinen Regenmantel gewickelt, daß man sein Gesicht unmöglich unterscheiden konnte. Überdies war die Nacht so finster, daß diese Vorsichtsmaßregel überflüssig war. Das scharfe Auge von Athos erriet aber ungeachtet der Dunkelheit, daß es nicht Roggers war, der vor ihm stand.

»Was wollt Ihr von mir?« sprach er zu Groslow, einen Schritt zurückweichend.

»Mylord,« erwiderte Groslow, den irländischen Akzent nachahmend, »ich will Euch sagen, daß Ihr den Kapitän Roggers sucht - aber vergebens.«

»Wieso?« fragte Athos.

»Weil er diesen Morgen von einem Maste gestürzt ist und das Bein gebrochen hat. Allein, ich bin sein Vetter, er hat mir den ganzen Handel mitgeteilt und mich beauftragt, für ihn die Kavaliere zu erkennen, welche mir ein Sacktuch mit vier Knoten an den Ecken gleich dem, das Ihr in der Hand haltet und gleich dem, das ich in der Tasche habe, vorzeigen würden, und sie an seiner Statt überall, wo sie es verlangen, hinzuführen.« Unter diesen Worten nahm Groslow das Sacktuch aus seiner Tasche, welches er bereits Mordaunt vorgewiesen hatte.

»Ist das alles?« fragte Athos.

»Nicht doch, Mylord, es sind ja noch fünfzig Pfund Sterling zugesagt, wenn ich Euch wohlbehalten in Boulogne oder auf jedem anderen Punkte in Frankreich, den Ihr mir bestimmen würdet, ans Land setze.«

»D'Artagnan, was sagt denn Ihr dazu?« fragte Athos französisch.

»Fürs erste sagt mir, was er sprach,« entgegnete dieser.

»O, richtig!« sagte Athos, »ich vergaß, daß Ihr nicht englisch versteht.« Sonach übersetzte er d'Artagnan die Unterredung, die er eben mit dem Schiffsführer hatte.

»Mir scheint das ziemlich wahrscheinlich,« bemerkte der Gascogner.

»Auch mir,« erwiderte Athos.

»Und wenn uns auch dieser Mensch betrügt,« sagte d'Artagnan, »so können wir ihm noch immer eine Kugel durch den Kopf jagen.«

»Wer wird uns denn führen?«

»Ihr, Athos; da Ihr so vieles versteht, so zweifle ich nicht daran, Ihr werdet auch ein Schiff zu lenken verstehen.«

»Meiner Treue, Freund,« sprach Athos lächelnd und mit Scherz: »Ihr habt beinahe die Wahrheit gesprochen; ich ward von meinem Vater für die Marine bestimmt, und so habe ich einige schwache Begriffe von der Nautik.«

»Seht Ihr also!« rief d'Artagnan.

»Geht nun, d'Artagnan; holt unsere Freunde, und kehrt wieder zurück; es ist elf Uhr, wir haben keine Zeit zu verlieren.«

D'Artagnan näherte sich zwei Reitern, welche mit der Pistole in der Hand an den ersten Häusern der Stadt den Vorpostendienst versahen; drei andere Reiter, die am Graben der Straße vorsichtshalber gegen eine Art Schuppen aufgestellt waren, bildeten die Nachhut, und schienen ebenfalls zu warten. Die zwei Personen in der Mitte der Straße waren Porthos und Aramis; die drei Reiter am Schuppen waren Mousqueton, Blaifois und Grimaud; nur war dieser letztere, genau besehen, doppelt, denn er hatte Parry hinter sich aufsitzen, welcher die zur Bezahlung der Zeche an den Wirt verkauften Pferde der Edelleute und ihrer Diener nach London zurückführen sollte. Durch diesen Handel konnten die vier Freunde eine, wenn auch nicht ansehnliche, doch hinreichende Summe mit sich nehmen, um für Hindernisse oder Zufälle gedeckt zu sein. D'Artagnan forderte Porthos auf, ihm zu folgen, und diese winkten ihren Leuten zu, daß sie absteigen und ihr Gepäck abschnallen sollten.

Parry schied nicht ohne Schmerz von seinen Freunden, man stellte ihm den Antrag, ihn nach Frankreich mitzunehmen, doch weigerte er sich hartnäckig dagegen. »Das ist ganz natürlich,« bemerkte Mousqueton, »er hat seine Absicht in bezug auf Groslow.« Man wird sich erinnern, daß es der Kapitän Groslow war, der ihm den Kopf verwundet hatte. Die kleine Truppe kam zu Athos. Doch hatte d'Artagnan sein angeborenes Mißtrauen bereits wieder gefaßt; er fand den Kai zu verödet, die Nacht zu finster, den Kapitän zu freundlich. Er teilte Aramis den eben erwähnten Vorfall mit, und Aramis, nicht minder argwöhnisch als er, trug nicht wenig dazu bei, seinen Verdacht zu erhöhen. Der Gascogner gab Athos durch ein leises Schnalzen der Zunge gegen die Zähne seine Besorgnis kund.

»Wir haben zum Mißtrauen keine Zeit,« versetzte Athos, »das Schiff erwartet uns, lasset uns einsteigen.«

»Und zudem,« bemerkte Aramis, »was hält uns denn ab, mißtrauisch zu sein und dennoch einzusteigen? Man wird den Patron überwachen. Und wenn er nicht gerade Wege wandelt, so schlage ich ihn tot; das ist alles!«

»Gut gesprochen, Porthos,« rief d'Artagnan. »Laßt uns somit einsteigen. Du, Mousqueton, geh voraus.« D'Artagnan hielt seine Freunde zurück und ließ die Diener zuerst einsteigen, damit sie die Planke untersuchten, die sich vom Damme nach dem Schiffe hinzog. Die drei Diener stiegen ohne Unfall ein. Athos folgte ihnen, dann Porthos, dann Aramis. D'Artagnan stieg zuletzt ein und schüttelte fortwährend den Kopf.

»Was Teufel habt Ihr denn; Freund?« rief Porthos.

»Auf Ehre, Ihr könntet Cäsar einschüchtern.«

»Ich habe Euch zu bemerken,« versetzte d'Artagnan, »daß ich in diesem Hafen weder Aufseher, noch Schildwache, noch Zöllner sehe.«

»Nun, so klagt,« erwiderte Porthos, »aber es geht alles vortrefflich.«

»Es geht alles nur zu gut, Porthos, und am Ende wie Gott will.«

Als das Brett zurückgezogen war, setzte sich der Patron an das Steuer und winkte einem seiner Matrosen, der mit einer Rudergabel zu manövrieren anfing, um aus dem Labyrinthe zu kommen, in dessen Mitte die Barke lag. Der andere Matrose stand bereits am Backbord mit dem Ruder in den Händen. Als man die Ruder in Anwendung bringen konnte, gesellte sich sein Kamerad zu ihm, und die Barke glitt rascher von hinnen. »Endlich werden wir flott!« rief Porthos.

»Leider reisen wir allein ab,« versetzte der Graf de la Fere.

»Ja, doch reisen wir alle vier und ohne Wunde; das ist ein Trost.«

»Wir sind noch nicht angekommen,« versetzte d'Artagnan; »man habe acht vor den Begegnungen.«

»O, mein Lieber,« sprach Porthos, «Ihr seid wie die Raben, da Ihr immer Unglück kreischet. Was kann uns denn begegnen in dieser finstern Nacht, wo man nicht zwanzig Schritte weit sieht?«