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Nach diesen Worten sprang d'Artagnan auf die andere Seite des Grabens, der den Weg begrenzte, und eilte über das Feld, um das Dorf zu umgehen. Er hatte zwischen dem Hause, worin Frau von Longueville wohnte, und dem Kloster einen leeren Raum bemerkt, der nur von einer Hecke umschlossen war. D'Artagnan erreichte die Hecke und versteckte sich hinter derselben. Als er bei dem Hause vorüberkam, wo der erwähnte Auftritt stattgefunden hatte, bemerkte er, daß dasselbe Fenster erleuchtet war. Er hatte die feste Überzeugung, Aramis sei noch nicht nach Hause zurückgekehrt, und wenn er es tat, so würde er nicht allein zurückkehren. Und wirklich vernahm er ein Weilchen darauf Schritte, die sich näherten, und etwas wie den Schall halblauter Stimmen. Beim Anfang der Hecke hielten diese Schritte an. D'Artagnan ließ sich auf die Knie nieder und suchte das größte Dickicht der Hecke, um sich darin zu verstecken. In diesem Momente erschienen zu d'Artagnans großem Erstaunen zwei Männer; doch bald hörte seine Verwunderung auf, denn er vernahm eine sanfte, wohlklingende Stimme; der eine dieser zwei Männer war ein weibliches Wesen, als Kavalier verkleidet.

»Seid unbekümmert, lieber Renatus,« sprach die sanftere Stimme, »das wird sich nicht wieder ereignen; ich habe eine Art unterirdischen Ganges entdeckt, der unter der Straße durchführt, und wir brauchen nur eine der Platten aufzuheben, die vor der Türe liegen, so ist Euch ein Eingang und Ausgang eröffnet.«

»O!« versetzte eine andere Stimme, welche d'Artagnan für die von Aramis erkannte, »ich versichere, Prinzessin, daß ich, hinge nicht Ihr Ruf von all diesen Vorsichtsmaßregeln ab, und brauchte ich nur mein Leben dabei zu wagen ...«

»Ja, ja! ich weiß es, Ihr seid tapfer und kühn, wie irgend einer in der Welt; jedoch gehört Ihr nicht bloß mir, sondern unserer ganzen Partei an, seid also vorsichtig und besonnen.«

»Madame,« entgegnete Aramis, »ich gehorche immer, wenn man mir mit einer so liebevollen Stimme befiehlt.«

»Gut!« rief d'Artagnan, während er sich erhob und seine Knie abputzte, »jetzt durchblicke ich dich, du bist Frondeur und der Geliebte der Frau von Longueville!«

Herr Porthos du Vallon de Bracieux de Pierrefonds

D'Artagnan, der es bereits gewußt hatte, daß Porthos mit seinem Familiennamen du Vallon hieß, erfuhr durch die Erkundigungen, die er bei Aramis einholte, daß er sich nach dem Namen seines Landgutes de Bracieux nenne und daß er eben dieses Gutes wegen einen Prozeß mit dem Bischof von Noyon führe. Sonach mußte er dieses Landgut in der Umgebung von Noyon aufsuchen, nämlich an der Grenze von Isle-de-France und der Pikardie.

Um Mitternacht trafen die zwei Reisenden in Dammartin ein und setzten nach kurzer Rast und Stärkung den Ritt fort.

Als es zu tagen begann, hatten sie den größten Teil des Weges bereits hinter sich gebracht. Es war ein schöner Lenzmorgen, die Vögel sangen auf den hohen Bäumen, breite Sonnenstrahlen schimmerten durch die Lichtungen und erschienen wie Vorhänge von vergoldeter Gaze. An andern Stellen drangen die Strahlen kaum durch das dichte Laubwerk, und die Stämme der alten Eichen, auf die sich beim Anblick der Reisenden die behenden Eichhörnchen flüchteten, waren in Schatten versenkt; die ganze Luft schwamm von den Wohlgerüchen der Kräuter, Blumen und Blätter und erquickte das Herz.

D'Artagnan, welcher der üblen Ausdünstungen von Paris überdrüssig war, sagte bei sich: »Führte man drei Namen von aneinander stoßenden Landgütern, so müßte man sich in einem solchen Paradiese recht glücklich fühlen.«

Dann schüttelte er den Kopf und sprach: »Wäre ich Porthos, und es machte mir d'Artagnan den Antrag, welchen ich Porthos machen will, so wüßte ich schon, was ich d'Artagnan erwidern würde.«

Planchet dachte an gar nichts und verdaute nur.

Nach Verlauf von Zehn Minuten gelangte d'Artagnan zum Eingang einer regelmäßigen, mit hübschen Pappeln bepflanzten Allee, die zu einem eisernen Gitter fühlte, an dem die Spitzen und Querstangen vergoldet waren. Mitten in dieser Allee zeigte sich ein dem Anschein nach vornehmer Herr, der grün gekleidet, wie das Gitter vergoldet war und auf einem dicken Hengste saß. Rechts und links von ihm waren zwei Diener, an allen Nähten mit Borten besetzt, ein Haufen Gesindel brachte ihm sehr ehrfurchtsvolle Huldigungen dar. Dieser Mann entpuppte sich wenige Augenblicke später als Mousqueton, der so feist geworden war, daß seine munteren Äuglein zwischen Fettpolstern begraben zu sein schienen. Er war über d'Artagnans und Planchets Ankunft vor Freude schier außer sich und führte sie strahlend seinem Herrn zu, der seinerseits von dem unvermuteten Wiedersehen tief geruht war. D'Artagnan war angenehm überrascht, in Porthos noch den strammen, kraftvollen Kavalier wiederzufinden und war überdies froh, in der Hoffnung, diesen Mann für seine und Mazarins Pläne gewinnen zu können. Er erfuhr zu seinem Bedauern, daß Porthos' Gattin gestorben war, und wunderte sich im stillen, daß der muntere Freund so einsam lebe.

D'Artagnan rückte bald mit seinen Vorschlägen heraus und war hocherfreut, Porthos bereit zu finden, der seiner Begeisterung für den Beginn eines neuen Abenteurerlebens mit ungebundener Fröhlichkeit Ausdruck gab. Er fragte sogleich, ob Aramis und Athos auch mittun wollten, und erfuhr, baß ersterer wegen seines Priesterberufes abgelehnt hätte, während d'Artagnan Athos' Wohnort bisher unbekannt geblieben wäre. Hier konnte Porthos aus der Verlegenheit helfen, da er wußte, daß Artos auf seinem gräflichen Besitz Bragelonne bei Blois hauste. Was übrigens Porthos für d'Artagnans Vorschlag besonders begeisterte, war das Versprechen, daß Mazarin seine künftigen Verdienste durch Verleihung der Baronie belohnen, wolle, was ihm, der ein bißchen ruhmsüchtig war, sehr verlockend schien. Mousqueton war, im Gegensatz zu seinem Herrn, über diese Ruhestörung sehr entsetzt, und schien nun d'Artagnan nicht mehr gewogen, als Bazin, der Diener Aramis', es gewesen war.

D'Artagnan und Planchet waren nach nicht unbeschwerlicher Reise in die Nähe des Schlosses la Valliere gekommen, das man ihm als den Sitz Athos' bezeichnet hatte. Von dem Waldweg, auf dem sich die beiden befanden, sah man bereits das schwere Gittertor, das zu dem gesuchten Schloß zu führen schien. Der Musketier ritt noch einige Schritte weiter, bis er sich dem Gittertor gegenüber befand, das dem Geschmacke der damaligen Gießerei Ehre machte. Man erblickte durch dieses Gitter sorgsam bestellte Küchengärten, einen geräumigen Hof, auf dem mehrere Bediente in verschiedenen Livreen stampfende Reitpferde hielten, und wo eine mit zwei Rossen bespannte Kutsche stand.

»Wir irren, oder dieser Mann hat uns getäuscht,« sagte d'Artagnan, »hier kann Athos nicht wohnen. Mein Gott! er ist etwa gestorben und es gehört dieses Besitztum irgendeinem seines Namens? Steige doch ab, Planchet, und frage, denn ich bekenne, daß ich hierzu nicht den Mut habe.« Planchet stieg vom Pferde. »Setze bei,« sagte d'Artagnan, »ein reisender Edelmann wünsche die Ehre zu haben, dem Herrn Grafen de la Fere seine Aufwartung zu machen, und bist du mit der Auskunft zufrieden, dann - magst du meinen Namen nennen.«

Planchet führte sein Pferd am Zügel, näherte sich dem Tore, läutete die Glocke am Gitter, und allsogleich kam ein Bedienter mit Weißen Haaren, von gerader Gestalt ungeachtet seines hohen Alters und empfing Planchet.

»Wohnt hier der Herr Graf de la Fere?« fragte Planchet.

»Ja, mein Herr, er wohnt hier,« gab der Diener, der keine Livree trug, Planchet zur Antwort.

»Ist es ein Herr, der sich vom Dienste zurückgezogen hat?«

»Es ist derselbe.«

»Und der einen Bedienten hatte namens Grimaud?« fragte Planchet weiter, der bei seiner gewohnten Vorsicht nicht genug Erkundigungen einziehen zu können glaubte.

»Herr Grimaud ist eben vom Schlosse entfernt,« entgegnete der Bediente, der an solche Ausforschungen nicht gewohnt war und anfing, Planchet vom Kopf bis zu den Füßen zu beschauen.