Mazarin starrte den jungen Mann an, doch senkte er bei dem Blitze, der aus dessen Auge zuckte, den Kopf wieder, und verlegen, wie er ein solches Gespräch fortsetze, erbrach er Cromwells Brief. Wir geben ihn buchstäblich wieder:
»An Seine Eminenz, Monseigneur Kardinal Mazarin! Gnädigster Herr, ich wollte Ihre Absichten in Rücksicht der gegenwärtigen Angelegenheiten Englands kennen lernen. Die zwei Königreiche sind zu sehr benachbart, als daß sich Frankreich nicht um unsere Lage bekümmern sollte, gleich wie wir uns um jene von Frankreich bekümmern. Fast alle Engländer sind darin einig, die Gewaltherrschaft des Königs Karl und seiner Parteigänger zu bekämpfen.
Da mich das allgemeine Zutrauen an die Spitze dieses Aufstandes stellte, so würdige ich besser als irgend jemand das Wesen und die Folgen davon. Ich führe nun Krieg, und stehe im Begriffe, dem Könige Karl eine entscheidende Schlacht zu liefern. Ich werde dieselbe auch gewinnen, da die Hoffnung der Nation und der Geist des Herrn mit mir ist. Wenn nun diese Schlacht gewonnen ist, so hat der König keine Hilfsquellen mehr, weder in England, noch auch in Schottland, und wird er nicht gefangen genommen oder getötet, so versucht er es, nach Frankreich überzusetzen, um dort Soldaten anzuwerben und sich wieder Geld und Waffen zu besorgen. Frankreich hat bereits die Königin Henriette aufgenommen, und, sicherlich ohne seinen Willen, einen Herd unverlöschbaren Bürgerkrieges in meinem Lande unterhalten; allein Madame Henriette ist eine Tochter Frankreichs, und ihr gebührt Frankreich Gastfreundschaft. In Bezug auf den König Karl bekommt die Frage einen andern Gesichtspunkt; würde ihn Frankreich aufnehmen und unterstützen, so würde es auch die Handlungen des englischen Volkes mißbilligen und somit England, und insbesondere der Regierung, die es zu nehmen vorhat, wesentlich schaden, so daß ein solcher Zustand geradezu schreienden Feindseligkeiten gleich wäre.
Es ist mir daher zu wissen dringend notwendig, Monseigneur, wie ich mich in bezug auf die Gesinnungen Frankreichs zu halten habe. Wiewohl dieses Reich und England im umgekehrten Sinne beherrscht werden, so nähern sich dennoch die Interessen beider mehr, als man meinen sollte. England braucht innere Ruhe, um die Vertreibung des Königs ganz zu bewerkstelligen, und Frankreich braucht Ruhe, um den Thron seines jungen Monarchen festzustellen. Auch Sie bedürfen ebensosehr, wie wir, dieses inneren Friedens, und wir sind ihm auch nahe, kraft der Energie unserer Regierung.
Ihr Hader mit dem Parlamente, Ihre auffallenden Zerwürfnisse mit den Prinzen, die heute für Sie kämpfen, morgen wider Sie streiten werden, der von dem Koadjutor, dem Präsidenten Blancmesnil und dem Rat Broussel geleitete Starrsinn des Volkes, kurz, all diese Zerrüttung, welche durch die verschiedenen Klassen des Reiches geht, muß Sie mit Kümmernis den möglichen Fall eines ausländischen Krieges ins Auge fassen lassen; denn sodann würde sich England in seiner Begeisterung über die neuen Ansichten mit Spanien vereinigen, das sich bereits um dieses Bündnis bewirbt. Da ich Ihre Vorsicht und persönliche Lage kenne, welche die gegenwärtigen Ereignisse um Sie gestalten, so dachte ich, Monseigneur, Sie würden es wohl vorziehen, Ihre Kräfte im Innern des Königreichs Frankreich zusammenzuziehen, und die neue Regierung Englands den ihrigen überlassen. Diese Neutralität besteht nur darin, den König Karl von französischem Gebiete fernzuhalten und diesen Ihrem Lande gänzlich fremden König weder mit Waffen, noch mit Gold, noch mit Truppen zu unterstützen.
Sonach ist mein Brief ein durchaus vertraulicher, darum schicke ich ihn auch durch einen Mann, der mein größtes Zutrauen hat; er geht durch ein Gefühl, welches Ew. Eminenz würdigen wird, den Maßregeln voraus, welche ich nach Maßgabe der Ereignisse nehmen werde. Oliver Cromwell dachte, er würde einem so lichten Geiste, wie der Mazarins ist, leichter Aufschlüsse beibringen, als einer Königin, welche zweifelsohne bewunderungswürdig an Festigkeit, allein zu sehr den Vorurteilen der Geburt und der höheren Gewalt ergeben ist.
Gott befohlen, Monseigneur; bekomme ich binnen vierzehn Tagen keine Antwort, so will ich meinen Brief als ungeschrieben ansehen.
Oliver Cromwell.«
»Herr Mordaunt!« rief der Kardinal mit erhobener Stimme, um gleichsam den Träumer aufzuwecken, »meine Antwort auf diesen Brief wird den General Cromwell um so mehr zufriedenstellen, als ich versichert bin, man werde nicht erfahren, daß ich sie ihm gegeben habe. Wartet somit darauf in Boulogne-sur-Mer, und versprecht mir, daß Ihr morgen abreisen werdet.« »Monseigneur, ich verspreche es,« erwiderte Mordaunt; »allein, wie viele Tage wird mich Ew. Eminenz auf diese Antwort warten lassen?« »Wenn Ihr sie in zehn Tagen noch nicht habt, so möget Ihr abreisen.« Mordaunt verneigte sich. »Das ist noch nicht alles, mein Herr,« fuhr Mazarin fort. »Eure persönlichen Schicksale rührten mich tief; überdies gibt Euch der Brief des Herrn Cromwell in meinen Augen Wichtigkeit. Sagt an, ich wiederhole es Euch, sagt mir, was ich für Euch tun kann.« Mordaunt dachte ein Weilchen nach, und nach einem augenfälligen Zögern wollte er den Mund öffnen, um zu sprechen, da trat aber Bernouin eilfertig ein, neigte sich an das Ohr des Kardinals und flüsterte ihm etwas ganz leise zu. Mazarin machte auf seinem Stuhle eine rasche Bewegung, welche dem jungen Manne nicht entging und die Mitteilung vereitelte, die er zweifelsohne zu machen gewillt war. »Nicht wahr, mein Herr, Ihr habt mich verstanden?« fragte der Kardinal. »Ich bestimme Euch Boulogne, in der Meinung, es sei Euch jede Stadt in Frankreich gleichgültig; zieht Ihr jedoch eine andere vor, so nennt sie mir; allein Ihr werdet wohl einsehen, daß, umgeben von Einflüssen, wie ich bin, denen ich nur durch Verschwiegenheit entgehe, mein Wunsch dieser sein muß, daß man Eure Anwesenheit in Paris nicht erfahre.« »Ich werde abreisen, Monseigneur,« versetzte Mordaunt und näherte sich einige Schritte der Türe, durch die er eingetreten war. »Nein, nicht durch diese Türe - mein Herr!« rief der Kardinal lebhaft, »ich bitte Euch. Geht gefälligst durch diese Galerie, wo Ihr in den Vorhof gelanget. Ich will nicht, daß man Euch fortgehen sehe, unsere Unterredung muß geheim bleiben.«