»Ja, Mylord, aus meiner Mutter,« erwiderte der junge Mann und schüttelte den Kopf von oben nach unten. Lord Winter faßte sich mit Gewalt, und indem er sich in seine Erinnerungen vertiefte, um darin einen neuen Haß aufzusuchen, sprach er: »Forscht nach, was aus ihr geworden ist, und fragt darum die Hölle, vielleicht wird Euch die Hölle Antwort geben.«
Der junge Mann trat nun so weit ins Zimmer vor, daß er dem Lord Winter gegenüberstand, und indem Mordaunt seine Arme kreuzte, sprach er mit dumpfer Stimme und mit einem von Schmerz und Ingrimm totenfahlen Antlitz: »Ich habe den Henker von Bethune darum gefragt, und der Henker von Bethune hat mir geantwortet.« Lord Winter sank auf einen Stuhl, als hätte ihn ein Blitzstrahl getroffen, und versuchte umsonst zu antworten. »Ja, nicht wahr,« fuhr der junge Mann fort, »mit diesen Worten erklärt sich alles, mit diesem Schlüssel öffnet sich der Abgrund? Meine Mutter hatte ihren Gemahl beerbt, und Ihr habt meine Mutter umgebracht. Mein Name sicherte mir das väterliche Vermögen. Ihr habt mich meines Namens beraubt, und dann, nachdem Ihr mich meines Namens beraubt habt, habt Ihr mir mein Vermögen entzogen. Jetzt nimmt es mich nicht mehr wunder, wenn Ihr mich nicht mehr erkennt und Euch weigert, mich zu erkennen. Es ist ungereimt, denjenigen seinen Neffen zu nennen, den man auf räuberische Art arm und als Mörder zur Waise gemacht hat.«
Diese Worte brachten eine Wirkung hervor, die derjenigen, welche Mordaunt erwartete, entgegengesetzt war. Lord Winter, erinnerte sich, welch ein Ungetüm Mylady war; er richtete sich wieder ruhig und ernst empor und bewältigte durch seinen strengen Blick den verwegenen Blick des jungen Mannes, indem er zu ihm sprach: »Ihr wollt in dieses furchtbare Geheimnis dringen, mein Herr? So sei es denn, erfahrt also, wer dieses Weib gewesen, über welches Ihr heute Rechenschaft von mir fordert; dieses Weib hat aller Wahrscheinlichkeit nach meinen Bruder vergiftet, und um mich zu beerben, strebte sie auch mir nach dem Leben, wofür ich Beweise habe. Was sagt Ihr dazu?«
»Ich sage, daß sie meine Mutter gewesen.«
»Sie ließ durch einen Mann, der übrigens rechtschaffen, gut und unbescholten war, den unglücklichen Herzog von Buckingham erdolchen. Was sagt Ihr zu diesem Verbrechen, wovon ich den Beweis habe?«
»Sie war meine Mutter!«
»Als sie nach Frankreich zurückkehrte, vergiftete sie eine junge Frau in dem Kloster der Augustinerinnen zu Bethune, weil sie einen ihrer Feinde geliebt hatte. Wird Euch diese Ruchlosigkeit von der Gerechtigkeit der Strafe überzeugen? Auch von diesem Verbrechen habe ich den Beweis.«
»Sie war meine Mutter!« rief der junge Mann, und gab diesen drei Ausrufungen eine jedesmal gesteigerte Kraft. »Mit einem Worte, beladen mit Mordtaten und Lastern, allen verhaßt und noch bedrohlich wie ein blutrünstiges Pantertier, erlag sie unter den Streichen von Männern, die sie zur Verzweiflung brachte, und die ihr doch nie das geringste Leid zugefügt; sie hatte Richter gefunden, welche ihre abscheulichen Frevel hervorgerufen haben, und jener Henker, den Ihr gesehen, jener Henker, der Euch alles erzählt hat, wie Ihr vorgebt, jener Henker hat, wenn er Euch alles gestanden, auch sagen müssen, daß er vor Freude zitterte, als er an ihr die Schande und den Selbstmord seines Bruders rächte. Als ein sittenloses Mädchen, als ehebrecherische Frau, als unnatürliche Schwester, als Mörderin und Giftmischerin war sie verabscheut von allen Nationen, die sie in ihrer Mitte aufgenommen, und starb, von dem Himmel und von der Erde mit Fluch bedeckt - so war dieses Weib.«
Ein unwillkürlich starkes Schluchzen zerriß Mordaunt den Schlund und trieb ihm das Blut in das leichenfahle Antlitz; er ballte die Hände, und das Gesicht von Schweiß triefend, die Haare auf der Stirne gesträubt wie jene Hamlets, rief er aus, von Wut verzehrt: »Schweigt, sie war meine Mutter! Ihre Fehltritte, ich kenne sie nicht; ihre Freveltaten, ich kenne sie nicht: ich weiß nur so viel, daß ich eine Mutter hatte, daß fünf gegen ein Weib verbündete Männer sie auf eine nächtliche, verstohlene Art umgebracht haben. Das weiß ich, daß Ihr dabei gewesen, Herr, daß Ihr dabei gewesen, mein Oheim, und daß Ihr wie die anderen und noch lauter als die anderen gerufen habt: 'Sie muß sterben!' - Ich sage Euch also auch zur Warnung, höret wohl auf diese Worte, und prägt sie in Euer Gedächtnis auf eine Weise, daß Ihr sie niemals vergessen könnet: 'Ob dieses Mordes, der mir alles raubte, ob dieses Mordes, der mich namenlos machte, ob dieses Mordes, der mich arm, der mich verderbt, boshaft und unversöhnlich machte, will ich zuerst Rechenschaft von
Euch fordern und dann von Euren Mitschuldigen, sobald ich sie werde kennen gelernt haben.'«
Den Haß in den Augen, den Schaum vor dem Munde, die Faust gezückt, hatte hier Mordaunt einen Schritt, einen furchtbar drohenden Schritt gegen Lord Winter getan. Dieser fuhr mit der Hand an seinen Degen, und sprach mit dem Lächeln eines Mannes, der seit dreißig Jahren mit dem Tode gespielt hat: »Wollet Ihr mich morden, Herr? dann will ich Euch als meinen Neffen erkennen, denn Ihr seid dann wahrhaft der Sohn Eurer Mutter.«
»Nein,« entgegnete Mordaunt, während er alle Fibern seines Gesichtes, alle Muskeln seines Leibes herabzuspannen bemüht war; »nein, ich will Euch nicht töten, wenigstens in diesem Augenblicke nicht, da ich ohne Euch die andern nicht auffinden könnte. Sobald ich sie aber kenne, so zittert; ich habe den Scharfrichter von Bethune durchbohrt, ich habe ihn ohne Erbarmen durchbohrt, und er war doch von Euch allen der mindest Schuldige.« Nach diesen Worten entfernte sich der junge Mann und stieg mit ziemlicher Ruhe die Treppe hinab, um kein Aufsehen zu erregen; dann schritt er unten an Tony vorbei, der auf das Geländer gestützt war, und nur auf einen Ruf seines Herrn harrte, um hinaufzueilen. Allein Lord Winter rief nicht; er blieb zermalmt und kraftlos mit gespannten Ohren stehen, und dann erst, als er den Hufschlag des forttrabenden Pferdes vernahm, sank er mit den Worten auf einen Stuhclass="underline" »Mein Gott, ich danke dir, daß er keinen kennt, außer mir!«
Die Vaterschaft
Während jener furchtbare Auftritt bei Lord Winter stattfand, saß Athos neben dem Fenster seines Zimmers, den Ellbogen auf einen Tisch, den Kopf auf die Hand gestützt, und lauschte Rudolf, der ihm die Abenteuer seiner Reise und die umständlichen Vorfälle der Schlacht erzählte. Das schöne und edle Gesicht des Kavaliers hatte den Ausdruck einer unsäglichen Wonne bei dem Berichte dieser ersten so frischen und reinen Gemütsbewegungen, er sog wie harmonische Musik die Töne dieser jugendlichen Stimme ein, in der sich bereits tiefere Empfindungen aussprachen. Das machte ihn das vergessen, was Trauriges in der Vergangenheit lag, und was ihm die Zukunft umwölkte. Man hätte sagen mögen, die Zurückkunft dieses teuren Kindes hatte ihm sogar die Besorgnisse in Hoffnungen umgewandelt.
»Und du warst bei dieser großen Schlacht, du hast teilgenommen, Bragelonne?« fragte Athos, der alte Musketier, der in diesem Momente so glücklich war wie niemals.
»Ja, mein Herr.«
»Und sie ist heiß gewesen, sagst du?«
«Der Prinz hat elfmal in Person angegriffen.«
»Bragelonne, er ist ein großer Kriegsmann.«
»Er ist ein Held, mein Herr, ich verlor ihn keinen Augenblick aus dem Gesichte. O, mein Herr, wie schön ist es, sich Conde zu nennen und seinen Namen so zu tragen!«
»Ruhig und glänzend, nicht wahr?«
»Ruhig wie bei einer Parade, glänzend wie bei einer Festlichkeit. Wir näherten uns dem Feinde durch einen Engpaß, man hatte uns verboten, zuerst zu schießen, und so gingen wir mit gesenktem Gewehr auf die Spanier los, die eine Anhöhe einnahmen. Als wir uns ihnen auf dreißig Schritte genähert hatten, wandte sich der Prinz gegen seine Soldaten und sprach: >Kinder, Ihr werdet eine wütende Ladung zu überstehen haben, dann aber, seid unbesorgt, habt Ihr alle diese Leute wohlfeilen Kaufes.< - Es herrschte ein solches Stillschweigen, daß Freunde und Feinde diese Worte vernahmen. Dann schwang er den Degen und rief: - >Lasset die Trompeten erschallen!< Kurz darauf ein Krachen, als hätte sich die Hölle aufgeschlossen, und diejenigen, welche nicht getötet wurden, verspürten die Hitze der Flammen. Ich öffnete wieder die Augen und verwunderte mich, daß ich nicht getötet, oder aufs allerwenigste verwundet sei; ein Drittel der Eskadron lag auf den Boden gestreckt, verstümmelt und bluttriefend. In diesem Momente begegnete ich dem Blicke des Prinzen; ich dachte nur noch an eines, daß er mich nämlich angeblickt habe. Ich setzte beide Sporen ein und befand mich sogleich mitten unter den Reihen der Feinde.«