»Ja. leider!« murmelte Lord Winter. »Nun, so wartet,« sagte Aramis. Da ergriff er mit der Kaltblütigkeit, die er bei wichtigen Veranlassungen hatte, eines der zwei Gewehre, die Tony hielt, spannte es und zielte nach dem Manne auf dem Felsen, gleich dem bösen Geiste die Hand und den Blick gespannt. »Feuer!« rief Grimaud außer sich. Athos stürzte auf den Lauf der Büchse und hemmte den Schuß, der sich eben entladen sollte. »Hole Euch der Teufel!« rief Aramis; »ich faßte ihn schon so gut, und hätte ihn mitten durch die Brust geschossen.« »Es ist wohl schon genug,« murmelte Athos, »daß wir die Mutter getötet haben.« »Die Mutter war ein Scheusal und hat uns alle in uns und in denen verletzt, welche uns teuer waren.« »Ja, allein der Sohn hat uns nichts getan.«
Der junge Mann erhob ein Gelächter und rief: »Ha, ihr seid es wirklich; jetzt kenne ich euch!« Sein höhnisches Gelächter und seine drohenden Worte hallten dahin, über das vom frischen Winde fortgetragene Schiff, und verloren sich in der Unendlichkeit des Horizonts. Aramis schauderte. »Stille!« rief Athos; »sind wir denn zum Teufel keine Männer mehr?« »Doch,« entgegnete Aramis, »allein jener dort ist ein Satan. Und nun fragt den Oheim, ob ich unrecht gehabt hätte, daß ich ihn von seinem Neffen befreien wollte.«
In diesem Momente rief sie eine Stimme aus dem Schiffe an, der Lotse am Steuerruder gab Antwort und die Barke legte bei dem Schiffe an.
Ein Versuch des Herrn de Retz
D'Artagnan hatte wohl erwogen, was er tat, da er sich nicht unmittelbar nach dem Palais-Royal begab; er hatte Comminges Zeit gelassen, vor ihm dort einzutreffen, und somit dem Kardinal die wichtigen Dienste mitzuteilen, welche d'Artagnan und sein Freund diesen Morgen der Partei der Königin geleistet hatten. Beide wurden auf das huldreichste von Mazarin empfangen, der ihnen pomphafte Komplimente machte, und sie versicherte, es befinde sich jeder von ihnen weiter als auf halbem Wege von dem, was er wünsche: d'Artagnan nämlich von einer Kapitänstelle und Porthos von seiner Baronie. D'Artagnan hätte eine Belohnung in Geld vorgezogen, indes er wußte, wie gerne Mazarin versprach und wie mühevoll er Wort hielt; ihm galten daher die Versprechungen des Kardinals wie ein hohler Braten; er zeigte sich aber doch in Gegenwart Porthos' ganz zufrieden, weil er ihn nicht mutlos machen wollte.
Während die zwei Freunde bei dem Kardinal waren, ließ ihn die Königin rufen. Der Kardinal dachte, würde er ihnen die Danksagung der Königin selbst verschaffen, so wäre das ein Mittel, ihren Eifer zu verdoppeln; er winkte ihnen somit, ihm zu folgen. D'Artagnan und Porthos zeigten auf ihre staubbedeckten und zerrissenen Kleider, aber der Kardinal schüttelte den Kopf und sagte: »Dieser Anzug ist mehr wert, als jener der meisten Hofleute, die Ihr bei der Königin antreffen werdet.« D'Artagnan und Porthos folgten. Der Hof der Königin Anna war zahlreich und geräuschvoll lustig; denn nachdem man bereits einen Sieg über die Spanier erfochten, hatte man am Ende auch über das Volk gesiegt. Broussel war verhaftet worden und wurde ohne Widerstand van Paris weggebracht; er mußte in diesem Augenblicke in den Gefängnissen von Saint-Germain sein. Blancmesnil, der zu gleicher Zeit verhaftet wurde, was ohne Aufsehen und Schwierigkeit geschah - wurde im Schlosse von Vincennes eingesperrt.
Comminges war bei der Königin, die ihn um die Einzelheiten seines Unternehmens befragte, und jeder horchte auf seinen Bericht, als er an der Türe den Kardinal und hinter ihm d'Artagnan und Porthos eintreten sah. »O, Madame.« sprach er, indem er auf d'Artagnan zueilte, »hier ist einer, der das Ihrer Majestät besser sagen kann als ich, da er mein Retter war. Ohne ihn wäre ich wahrscheinlich in diesem Augenblicke in den Netzen von Saint-Cloud, da es sich um nichts Geringeres handelte, als mich in den Fluß zu stürzen. Redet, d'Artagnan, redet!« Seit d'Artagnan Leutnant der Musketiere war, befand er sich vielleicht schon hundertmal in demselben Zimmer mit der Königin, doch hatte ihn diese nie angeredet. Doch diesmal sprach sie: »Nun, Herr, Ihr schweigt, nachdem Ihr mir einen solchen Dienst erwiesen?« »Madame!« erwiderte d'Artagnan, »ich habe nichts zu sagen, als daß mein Leben dem Dienste Ihrer Majestät geweiht ist, und ich erst an dem Tage glücklich sein werde, da ich es durch Sie verliere.« »Ich weiß das,« entgegnete die Königin, »ich weiß das schon seit langer Zeit. Ich bin somit auch erfreut, daß ich Euch diesen öffentlichen Beweis meiner Achtung und meines Dankes zu geben vermag.« »Madame,« antwortete d'Artagnan, »ich bitte um Erlaubnis, einen Teil davon auf meinen Freund, einen vormaligen Musketier der Kompagnie Treville, wie ich, übertragen zu dürfen, da er,« fügte er bei, »Wunder verrichtet hat.« »Wie Ist der Name dieses Herrn?« fragte die Königin. »Bei den Musketieren,« entgegnete d'Artagnan, »nannte er sich Porthos (die Königin erbebte), doch sein wahrer Name ist: Chevalier du Ballon.« »De Bracieux de Pierrefonds,« fügte Porthos hinzu. »Das sind zu viele Namen, als daß ich sie alle behielte; ich will mich nur des ersteren erinnern,« sprach die Königin huldvoll. Porthos verneigte sich. D'Artagnan wich ein paar Schritte weit zurück. In diesem Moment wurde der Herr Koadjutor angemeldet. Da erhob sich in der königlichen Versammlung ein Ausruf der Überraschung. Man wußte es, daß sich der Herr Koadjutor sehr auf die Seite der Fronde neigte, darum hatte auch der Kardinal Mazarin augenscheinlich die Absicht, ihm einen Streich zu spielen und sich dabei zu belustigen.
Der Koadjutor hatte, als er von Notre-Dame wegging, das Ereignis erfahren. Wiewohl er den Hauptfrondeurs beinahe verpflichtet war, so war er es doch noch nicht in dem Grade, daß er nicht hätte zurücktreten können, falls ihm der Hof Vorteile anböte, nach denen er trachtete, und wozu die Koadjutorstelle nur die Einleitung war. Herr von Retz suchte also anstatt seines Oheims Erzbischof zu werden, und Kardinal wie Mazarin. Durch die Volkspartei konnte er aber schwerlich zu diesen durchaus königlichen Vergünstigungen gelangen. Er ging somit nach dem Palaste, um der Königin seine Glückwünsche wegen der Schlacht bei Lens darzubringen, im voraus fest entschlossen, für oder wider den Hof zu handeln, je nachdem man seine, Glückwünsche gut oder übel aufnehmen würde.
Der Koadjutor wurde also angemeldet, und bei seinem Eintritte verdoppelte sich die Neugierde dieses triumphierenden Hofes in bezug auf seine Worte. Der Koadjutor besaß für sich allein ungefähr ebensoviel Verstand wie alle, die hier versammelt waren, um sich über ihn lustig zu machen. Somit war auch seine Rede derart gewandt, daß die Anwesenden bei all ihrer Lust, darüber zu lachen, keinen Anhaltspunkt fanden. Er schloß mit der Versicherung, daß er seine schwachen Kräfte dem Dienste Ihrer Majestät widmen wolle.
Die Königin schien an der Rede des Koadjutors, so lange sie dauerte, großes Wohlgefallen zu haben; als er aber mit der obigen Redensart schloß, der einzigen, welche Anlaß zu schlechten Witzen bot, so wandte sich Anna, und ein ihren Günstlingen zugeworfener Blick sagte ihnen, daß ihnen der Koadjutor preisgegeben sei. Auf der Stelle setzten sich die sarkastischen Zungen in Bewegung. Alles brach in ein Gelächter aus. Nur Gondy verhielt sich ruhig und ernst bei diesem Ungewitter, welches er für die Spötter hätte verderblich machen können. Als die Königin den Koadjutor fragte, ob er zu der schönen Rede, die er eben gehalten, noch etwas beizufügen hätte, erwiderte dieser: »Ja, Madame, ich habe Ihre Majestät zu bitten, reiflich zu erwägen, bevor Sie den Bürgerkrieg im Lande anfachen.« Die Königin wandte ihm den Rücken zu, und das Gespötte fing aufs neue an.