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»Madame,« entgegnete der Marschall, »ich verlor drei Mann am Pont Neuf, vier bei den Hallen, sechs an der Ecke der Straße de I'Arbre Ger und zwei am Tore Ihres Palastes, in allem fünfzehn. Verwundete bringe ich zehn bis zwölf zurück. Mein Hut ward von einer Kugel fortgerissen, ich weiß nicht wohin, und wahrscheinlich wäre ich bei meinem Hute geblieben, hätte mich nicht der Herr Koadjutor der Gefahr entrissen.«

»Ach, wirklich,« sprach die Königin, »es hätte mich gewundert, diesen krummbeinigen Dachs nicht bei allem beteiligt zu sehen.«

»Madame,« sprach la Meilleraie, »reden Ihre Majestät nicht zu viel Schlimmes in meiner Gegenwart über ihn, da der Dienst noch zu frisch ist, den er mir erwiesen hat.«

»Gut,« versetzte die Königin, »seid ihm so dankbar, als Ihr wollet, mich aber macht das nicht verbindlich. Ihr seid wohlbehalten, das ist alles, was ich wünsche; seid mir nicht bloß willkommen, sondern auch erwünscht.«

»Doch, Madame, bin ich nur unter einer Bedingung glücklich davongekommen, um Ihnen nämlich den Willen des Volkes mitzuteilen.«

»Den Willen -« rief die Königin Anna mit gerunzelter Stirne. »O, Herr Marschall, Ihr müßt wohl in einer, sehr großen Gefahr geschwebt haben, daß Ihr eine so seltsame Sendung übernahmt.« Sie sprach diese Worte mit einem Ausdruck des Spottes, der dem Marschall nicht entging. »Um Vergebung, Madame,« sprach der Marschall, »ich bin kein Anwalt, darum verstehe ich auch den Wert der Worte nicht recht, ich hätte sagen sollen, den Wunsch und nicht Willen des Volkes. In bezug auf die Antwort, womit Ihre Majestät mich beehrten, glaube ich, Sie wollten sagen, daß ich mich gefürchtet habe.« Die Königin lächelte.»Ja doch, Madame, ich habe mich gefürchtet; das begegnet mir heute zum drittenmal in meinem Leben, und doch habe ich zwölf Hauptschlachten und ich weiß nicht wie vielen Gefechten und Scharmützeln beigewohnt; ja, ich habe mich gefürchtet, und ich stehe lieber Ihrer Majestät gegenüber, wie drohend Ihr Lachen auch sein möge, als jenen höllischen Dämonen, welche mich bisher begleitet haben, und welche, ich weiß nicht woher gekommen sind.«

»Nun,« sprach die Königin, indem sie sich in die Lippen biß, während sich die Höflinge betroffen anblickten, »worin besteht dieser Wunsch meines Volkes?«

»Madame,« erwiderte der Marschall, »daß ihm Broussel herausgegeben werde.«

»Nimmermehr,« rief die Königin, »nimmermehr!«

»Ihre Majestät ist Gebieterin,« versetzte la Meilleraie, verneigte sich und trat einen Schritt zurück.

»Wohin geht Ihr, Marschall?« fragte die Königin.

»Ich gehe, die Antwort Ihrer Majestät zu überbringen, da man darauf wartet.«

»Bleibt, Marschall, ich will mir nicht den Anschein geben, als ob ich mit Rebellen unterhandelte.«

»Madame,« entgegnete der Marschall, »ich habe mein Wort gegeben.«

»Was sagen will? ...«

»Daß, wenn Sie mich nicht verhaften lassen, ich hinabzugehen gezwungen bin.«

Die Augen der Königin Anna schleuderten zwei Blitze. »O, das hätte nichts auf sich, mein Herr,« sprach sie, »ich ließ schon Größere verhaften, als Ihr seid - Guitaut! -« Mazarin trat schnell vor und sagte:

»Madame, dürfte ich es wagen, einen Rat zu geben? ...«

»Etwa auch denselben, Broussel herauszugeben, mein Herr? Wenn das ist, so mögen Sie sich dessen überheben.«

»Nein,« erwiderte Mazarin, »obschon dieser vielleicht ebensoviel wert ist als ein anderer.«

»Worin bestände er nun?«

»Den Herrn Koadjutor berufen zu lassen.«

»Den Herrn Koadjutor!« - rief die Königin, »diesen verwünschten Ruhestörer; er veranlaßte diesen ganzen Tumult.«

»Um so mehr,« versetzte Mazarin; »hat er ihn veranlaßt, so kann er ihn auch wieder stillen.«

»O, Madame,« sprach Comminges, der an einem Fenster stand, durch das er hinausblickte, »sehen Ihre Majestät, die Gelegenheit ist gut, denn dort ist er eben auf dem Platze des Palais-Royal.« Die Königin eilte ans Fenster und rief: »In der Tat, seht den heuchlerischen Mann!«

»Ich sehe,« sprach Mazarin, »daß alle vor ihm knien, wiewohl er nur Koadjutor ist, indes man mich, wäre ich an seiner Stelle, in Stücke hauen würde, wiewohl ich Kardinal bin. Somit beharre ich auf meinem Wunsche, Madame, daß Ihre Majestät den Koadjutor empfangen möge.«

»Warum sagt Ihr nicht auch: auf Eurem Willen?« fragte die Königin mit leiser Stimme. Mazarin verneigte sich.

Die Königin versank in Nachdenken; ein Weilchen darauf erhob sie den Kopf wieder und sagte: »Herr Marschall, holet mir den Koadjutor und bringt ihn zu mir.«

»Und was soll ich dem Volke sagen?« fragte der Marschall.

»Daß es sich gedulde,« versetzte die Königin, »da ich es gleichfalls tue.« Die Türe ging wieder auf, der Marschall erschien mit dem Koadjutor.

»Madame,« sprach er, »hier ist Herr von Gondy, der sich beeilt, den Befehlen Ihrer Majestät nachzukommen.« Die Königin trat ihm vier Schritte entgegen, dann blieb sie stehen, kalt, ernst, regungslos und mit verächtlicher Miene. Gondy verneigte sich mit Ehrerbietung. »Nun, mein Herr,« fragte die Königin, »was sagt Ihr zu diesem Tumult?«

»Es ist schon kein Tumult mehr, Madame,« entgegnete der Koadjutor, »sondern eine Empörung.«

»Die Empörung bei denjenigen, welche glauben, daß sich mein Volk empören könnte!« rief die Königin, unfähig, sich vor dem Koadjutor zu verstellen, welchen sie ganz richtig als den Urheber dieses ganzen Aufstandes ansah. »Empörung, so nennen sie jene, welche wie sie wünschten, den Aufruhr, angezettelt haben. Doch wartet nur, die Autorität des Königs wird sie zur Ordnung bringen.«

»Geschah es vielleicht, um mir das zu sagen, Madame,« entgegnete Gondy kalt, »daß mich Ihre Majestät beehrten, rufen zu lassen?«

»Nein, lieber Koadjutor,« verfetzte Mazarin, »es geschah, um Eure Meinung über den traurigen Zustand zu vernehmen, in dem wir uns befinden.«

»Ist das wahr,« fragte Gondy mit geheuchelter Miene des Erstaunens, »daß mich Ihre Majestät berief, um meinen Rat von mir zu hören?«

»Ja,« antwortete die Königin, man hat es gewollt.« Der Koadjutor verneigte sich und sagte: »Ihre Majestät wünscht nun? ...«

»Zu sagen, was Ihr an ihrer Stelle tun würdet,« bemerkte Mazarin schnell. Der Koadjutor blickte die Königin an, welche es mit einem Wink bejahte. »An der Stelle Ihrer Majestät würde ich nicht schwanken,« versetzte Gondy kalt, »ich würde Broussel freilassen.«

»Und wenn ich ihn nicht freiließe,« sprach die Königin, »was glaubt Ihr dann, daß geschehen könnte?«

»Dann glaube ich,« entgegnete der Marschall, »daß morgen in Paris kein Stein mehr auf dem andern wäre.«

»Ich fragte nicht Euch,« sprach die Königin in strengem Tone und ohne sich umzuwenden, »ich fragte Herrn von Gondy.«

»Wenn Ihre Majestät mich befragte,« erwiderte der Koadjutor mit derselben Ruhe, »so muß ich erklären, daß ich durchaus die Meinung des Herrn Marschalls teile.« Die Röte stieg der Königin ins Gesicht; ihre schönen, blauen Augen schienen aus ihrem Kopfe hervortreten zu wollen: ihre Karminlippen, welche alle damaligen Dichter mit blühenden Granaten verglichen, wurden blaß und bebten vor Ärger, so daß selbst Magarin darüber erschrak, der doch an so manche Zornesausbrüche einer unglücklichen Ehe gewöhnt war.

»Broussel freilassen!« rief sie endlich mit einem entsetzlichen Lächeln. »Meiner Treue, ein hübscher Rat! Man sieht, daß er von einem Priester kommt.« Gondy blieb standhaft. Die heutigen Beleidigungen schienen an ihm abzugleiten, wie die gestrigen Spöttereien; allein der Haß und das Rachegefühl wuchsen schweigend und tropfenweise an auf dem Grunde seines Herzens. Er starrte die Königin kalt an, welche Mazarin aufforderte, daß er nun gleichfalls etwas sage. Wie gewöhnlich sprach Mazarin wenig und dachte viel. »Ah, ah!« sagte Mazarin, »ein guter Rat; ich würde den guten Herr Broussel freigeben, tot oder lebendig, und die ganze Sache wäre abgetan.«