Выбрать главу

»Bah,« sprach er,»ich ließ Cromwell wohl ein bißchen warten, allein er weiß recht gut, was Revolutionen sind, und wird mich entschuldigen.« Somit überlas er selbstgefällig den ersten Paragraph seiner Schrift; da wurde leise an die Türe gescharrt, die in Verbindung mit den Gemächern der Königin stand, daher konnte nur sie allein durch diese Tür kommen. Der Kardinal erhob sich und schloß auf. Die Königin war im Nachtanzuge, und aus ihrem Antlitze strahlte eine innere Freude. »Was ist es, Madame,« fragte Mazarin bekümmert, »Ihre Majestät hat eine ganz stolze Miene?« »Ja,« erwiderte sie stolz und frohmütig, »denn ich habe das Mittel gefunden, diese Hydra zu erwürgen.« »Ihre Majestät ist so erhaben in der Politik,« versetzte Mazarin, »ich bitte, mir dieses Mittel zu nennen.« Er versteckte das, was er schrieb, indem er den angefangenen Brief unter ein weißes Papier schob. »Sie wollen mir den König nehmen, wie Ihr wißt,« sprach die Königin. »Ja, leider, und mich henken.« »Sie werden aber den König nicht bekommen.« »Und mich nicht henken. Bennone!« »Höret. Ich will Ihnen meinen Sohn entziehen, mich selbst und Euch mit mir. Ich will dieses Ereignis, welches die Lage der Dinge von heute auf morgen ändern wird, ausgeführt wissen, ohne daß es außer Euch, mir und einer dritten Person ein anderer erfahre.« »Wer ist diese dritte Person?« »Der Prinz.« »Er ist also, wie man mir sagte, angekommen?« «Gestern abends.« »Und Ihre Majestät hat ihn gesehen?« »Ich komme von ihm.« »Und bietet er die Hände zu diesem Projekte?« »Der Rat kommt von ihm.« »Und Paris?« »Er zwingt es durch Hunger, sich auf Gnade oder Ungnade zu ergeben.« »Es fehlt dem Projekte nicht an Großartigkeit, allein ich sehe dabei nur ein Hindernis.« »Welches?« »Die Unmöglichkeit.« »Ein sinnloses Wort - nichts ist unmöglich.« »In Entwürfen.« «In der Ausführung. Besitzen wir Geld?« »Nur wenig,« entgegnete Mazarin zitternd, da er fürchtete, die Königin möchte seine Kasse in Anspruch nehmen. »Haben wir Soldaten?« »Fünf- bis sechstausend Mann.« »Haben wir Mut?« »Viel.« »So ist die Sache abgetan. O, begreift Ihr wohl, Guilio, Paris, dieses verhaßte Paris, wie es eines Morgens aufwacht ohne König und ohne Königin, wie es umzingelt, belagert und ausgehungert ist und keine andere Zuflucht mehr hat, als sein verwirrtes Parlament und seinen hagern Koadjutor mit den Sichelbeinen.« »Schön, schön,« versetzte Mazarin; »ich begreife Wohl die Wirkung, allein ich sehe nicht das Mittel, welches dahin führt.« »Ich werde es schon finden.« »Wissen Sie wohl, daß das der Krieg ist, der glühende, blutige, unversöhnliche Bürgerkrieg?« »Ja, ja, ja, der Krieg,« erwiderte die Königin Anna. »Ich will diese aufrührerische Stadt in Asche verwandeln; ich will das Feuer im Blute auslöschen; ich will, daß ein furchtbares Schauspiel das Verbrechen und die Strafe verewige. Ich hasse, ich verabscheue Paris.« »Sachte, sachte. Sie sind da zu blutdürstig. Haben Sie wohl acht, wir sind nicht in den Zeiten der Malatesta und der Castruccio Castracani. Man würde Ihre Majestät enthaupten lassen.« »Ihr scherzet.« »Ich scherze sehr wenig, der Krieg mit einem ganzen Volke ist gefahrvoll. Blicken Sie hin auf Ihren Bruder Karl I., es steht schlimm mit ihm, sehr schlimm.« »Wir leben in Frankreich und ich bin Spanierin.« »Desto schlimmer, per Bacco, desto schlimmer. Ich wünschte, Ihre Majestät wäre Französin und ich wäre Franzose, man würde uns beide weniger hassen.« »Billigt Ihr aber meinen Vorschlag?« »Ja, wenn ich sehe, daß die Sache möglich sei.« »Sie ist es, ich versichere Euch; trefft Eure Anstalten zur Abreise.« »O, ich bin stets bereit zum Abreisen, nur reise ich bekanntlich nie - und diesmal ebensowenig als sonst.« »Kurz, wenn ich gehe, wollt Ihr gleichfalls gehen?« »Ich will es versuchen.« »Ihr tötet mich vor Ungeduld mit Euren Besorgnissen. Und wovor seid Ihr denn in Furcht?« »Vor gar vielen Dingen.« »Vor welchen denn?« Die früher heiteren Züge Mazarins verdüsterten sich und er sprach: »Anna, Sie sind nur eine Frau, und als solche können Sie, der Straflosigkeit sicher, nach Belieben die Männer beleidigen. Sie beschuldigen mich, daß ich mich fürchte; ich habe nicht so viel Furcht wie Sie, weil ich nicht entfliehe. Gegen wen schreit man denn, gegen Sie oder gegen mich? Wem will man ans Leben, mir oder Ihnen? Nun, ich, den Sie beschuldigen, furchtsam zu sein, ich biete doch dem Ungewitter Trotz, nicht mit Prahlereien, das ist meine Sache nicht, sondern ich halte stand. Machen Sie gleich mir nicht so viel Aufsehen, sondern mehr Wirkung. Sie schreien sehr laut, und erreichen doch nichts Sie reden vom Entfliehen ... .« Mazarin zuckte die Achseln, faßte die Königin an der Hand, führte sie an das Fenster und sagte: »Da sehen Sie!« »Nun?« entgegnete die Königin, durch ihren Starrsinn verblendet. »Nun, was erblicken Sie von diesem Fenster aus? Wenn ich nicht irre, sind es geharnischte Bürger mit Pickelhauben und wie zur Zeit der Ligue mit guten Musketen bewaffnet, die so scharf nach dem Fenster starren, von dem aus wir sie sehen, daß man Sie erblicken wird, wenn Sie den Vorhang zu weit öffnen. Nun gehen wir dorthin an das andere; was sehen Sie da? Mit Hellebarden bewaffnete Leute aus dem Volke, welche Ihre Türen bewachen. Aus jeder Öffnung des Palastes, wohin ich Sie immer führte, würden Sie dasselbe, erblicken; Ihre Türen sind besetzt, die Luftlöcher Ihrer Keller sind bewacht, und ich möchte dasselbe sagen, was mir jener einfältige La Ramee von Herrn von Beaufort gesagt hat: »Es wäre denn, daß Sie ein Vogel oder eine Maus sind, sonst entkommen Sie nicht.« »Er ist aber doch entschlüpft.« »Denken Sie auf dieselbe Weise davonzukommen?« »So bin ich eine Gefangene?« »Bei Gott,« erwiderte Mazarin, »ich beweise Ihnen das schon eine Stunde lang.« Mazarin nahm wieder ruhig seine Depesche vor, die er angefangen, und schrieb da weiter, wo er unterbrochen worden war. Die Königin Anna erbebte vor Zorn, erglühte ob der erlittenen Demütigung, ging rasch fort und schlug die Türe heftig hinter sich zu. Mazarin wandte nicht einmal den Kopf um.

Als die Königin in ihre Gemächer zurückkam, sank sie in einen Lehnstuhl und fing zu weinen an. Dann sprang sie, von einem plötzlichen Gedanken durchzuckt, auf und sagte: »Ich bin gerettet! Ja, ich kenne einen Mann, der mich aus Paris wegzuführen wissen wird, einen Mann, den ich zu lange schon vergessen habe.« Sie ging rasch zu einem Tische, auf dem Tinte und Papier waren, und schickte sich an, zu schreiben.

Die Zusammenkunft

An demselben Morgen befand sich d'Artagnan in Porthos' Zimmer und lag zu Bette. Diese Gewohnheit hatten die zwei Freunde seit den Unruhen angenommen. Ihre Schwerter lagen unter den Kopfkissen, die Pistolen lagen im Bereiche ihrer Hand auf dem Tische. Um sieben Uhr weckte sie ein Bedienter ohne Livree und überbrachte d'Artagnan einen Brief.

»Von wem?« fragte der Gascogner.

»Von der Königin,« entgegnete der Bediente.

»Ei,« versetzte Porthos und richtete sich im Bette auf, »was steht denn darin?«

»Freund Porthos,« rief d'Artagnan, ihm den Brief reichend, »hier ist für diesmal dein Barontitel und meine Bestallung als Kapitän. Lies nur und urteile.« Porthos streckte die Hand aus, nahm den Brief und las mit zitternder Stimme die folgenden Worte: »Die Königin will mit Herrn d'Artagnan sprechen; er möge dem Überbringer folgen.«

»Nun,« sprach Porthos, »darin sehe ich nur etwas Gewöhnliches.«

»Ich aber sehe darin recht viel Ungewöhnliches,« erwiderte d'Artagnan.