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»Wenn es nur das ist,« sagte Porthos, »so läßt es sich leicht machen.«

»Im Gegenteil,« versetzte d'Artagnan mit düsterer Miene, »das ist unmöglich.«

»Warum denn?«

»Eben dieser Mordaunt ist es, den wir in Boulogne treffen und mit dem wir nach England übersetzen sollen.«

»Nun, wenn wir uns, statt daß wir uns diesem Herrn Mordaunt anschließen, unsern Freunden anschlössen?« fragte Porthos mit einer Miene und Bewegung, worüber sich ein Heer hätte entsetzen können.

»Ich dachte wohl schon daran,« erwiderte d'Artagnan, »allein der Brief hat weder Datum noch Postzeichen.«

»Das ist wahr,« entgegnete Porthos. Und er schritt wie ein verwirrter Mensch im Zimmer herum, gebärdete sich heftig und zog jeden Augenblick sein Schwert aus der Scheide. Was d'Artagnan betrifft, so blieb er bestürzt stehen, und die tiefste Betrübnis malte sich auf seinem Antlitze. »O, das ist unrecht,« murmelte er, »Athos beleidigt uns, er will allein sterben, das ist unrecht.« Als Mousqueton diese große Verzweiflung von seinem Winkel aus sah, fing er zu weinen an.

»Ha doch!« rief d'Artagnan, »das alles führt zu nichts. Brechen wir auf, reisen wir ab, um Rudolf zu umarmen, wie schon gesagt, vielleicht hat er Nachricht von Athos bekommen.«

»He, der Gedanke ist gut,« sprach Porthos: »wirklich, lieber d'Artagnan, ich weiß nicht, wie Ihr das macht, aber Ihr seid voll von Einfällen. Also auf, um Rudolf zu umarmen.«

»Wehe dem, der jetzt meinen Herrn schief anblicken wollte,« sagte Mousqueton; »ich gebe keinen Pfennig für seine Haut.« Man stieg zu Pferde und ritt von hinnen. Als die Freunde in die Straße Saint-Denis kamen, bemerkten sie einen großen Volksauflauf. Den Anlaß gab Herr von Beaufort, der eben aus Vendome ankam, und den der Koadjutor den entzückten Parisern vorstellte. Mit Herrn von Beaufort glaubten sie sich jetzt unüberwindlich. Die zwei Freunde bogen in eine enge Gasse ein, um dem Prinzen nicht zu begegnen, und gelangten zur Barriere Saint-Denis.

»Ist es wahr, daß Herr von Beaufort in Paris angekommen ist?« sagten die Wachen zu den zwei Reitern.

»Nichts ist so wahr wie das,« entgegnete ihnen d'Artagnan, »und der Beweis ist, daß er uns seinen Vater, Herrn Vendome, entgegenschickte, der gleichfalls ankommen wird.«

»Es lebe Herr von Beaufort!« riefen die Wachen und traten ehrfurchtsvoll zur Seite, um den Abgeordneten des großen Prinzen Raum zu lassen. Als die Reisenden einmal die Barriere im Rücken hatten, ging es viel rascher, da sie weder Müdigkeit noch Entmutigung kannten; ihre Pferde flogen und sie konnten nicht enden, von Athos und Aramis zu reden. Mousqueton ertrug alle erdenklichen Martern; doch tröstete sich der treffliche Diener mit dem Gedanken, daß seine Gebieter noch ganz andere Leiden hatten. Er betrachtete ja von nun an d'Artagnan als seinen zweiten Herrn, und gehorchte ihm sogar noch viel schneller und pünktlicher als Porthos.

Das Lager befand sich zwischen Saint-Omer und Lambe; die zwei Freunde ritten durch eine Krümmung dem Lager zu, berichteten dem Heere umständlich die Flucht des Königs und der Königin, die bis jetzt nur oberflächlich erzählt worden war. Sie fanden Rudolf in seinem Gezelte auf einem Bunde Heu liegen, aus dem sein Pferd verstohlen einige Halme aufschnappte. Der junge Mann hatte rote Augen und schien sehr bestürzt. Der Marschall von Grammont und der Graf von Guiche waren nach Paris zurückgekommen, und so stand das arme Kind ganz allein für sich da. Gleich darauf erhob Rudolf die Augen und sah die Reiter, welche ihn anstarrten, er erkannte sie und sprang ihnen mit offenen Armen entgegen.

»Ha, Ihr seid es, teure Freunde,« rief er aus. »Wollet Ihr mich etwa abholen? nehmt Ihr mich mit? Bringt Ihr mir Nachricht von meinem Vormunde?

»Habt Ihr denn eine von ihm erhalten?« fragte d'Artagnan.

»Ach nein, mein Herr,« antwortete der junge Mann, »und ich weiß wirklich nicht, was aus ihm geworden ist. O, das schmerzt mich so, daß ich darüber weinen muß.« Es rollten auch wirklich zwei große Tränen über die gebräunten Wangen des jungen Mannes. Porthos wandte sich um, damit man in seinem gutmütigen Gesichte nicht das lesen sollte, was in seinem Herzen vorging.

»Ei was!« rief d'Artagnan, der weit mehr ergriffen war, als je, »verzweifelt nicht, mein Freund, wenn Ihr keine Briefe vol dem Grafen erhalten habt, so erhielten wir ... einen ...«

»Ha, in Wahrheit?« rief Rudolf. »Ja, sogar einen beruhigenden,« versetzte d'Artagnan, als er sah, wie erfreut der junge Mann über diese Nachricht war.

»Habt Ihr ihn hier?« fragte Rudolf.

»Ja, ich hatte ihn,« entgegnete d'Artagnan und tat, als ob er ihn suchte; »halt, da muß er sein, in meiner Tasche - nicht wahr, Porthos, er spricht darin von seiner Zurückkunft?«

»Ja,« erwiderte Porthos hustend.

»O, gebt ihn -« rief der junge Mann.

»Hm, ich habe ihn noch kurz zuvor gelesen, soll ich ihn denn verloren haben? Ha, zum Teufel, meine Tasche hat ein Loch! -«

»O ja, Herr Rudolf,« versicherte Mousqueton, »der Brief war wirklich recht trostvoll! diese Herren lasen ihn mir vor, und ich weinte darüber vor Freude.«

»Ihr wißt doch wenigstens, wo er sich befindet, Herr d'Artagnan?« fragte Rudolf halb erheitert.

»O ja, gewiß, ich weiß,« stammelte d'Artagnan, »allein das ist ein Geheimnis.«

»Doch hoffe ich, nicht für mich?«

»Nein, nicht für Euch, und ich will Euch somit auch sagen, wo er ist.« Porthos stierte d'Artagnan mit seinen großen erstaunten Augen an.

»Wo ist er also, mein Herr?« fragte Rudolf mit seiner sanften, einschmeichelnden Stimme.

»Er ist in Konstantinopel!«

»Bei den Türken?« rief Rudolf, »großer Gott, was sagt Ihr da?«

»Hm, was entsetzt Ihr Euch?« entgegnete d'Artagnan; »was sind die Türken für Männer gegen den Grafen de la Fere und Herrn d'Herblah?«

»Ah, ist sein Freund bei ihm?« fragte Rudolf; »das beruhigt mich ein wenig.«

»Ob er Verstand hat dieser Teufel von d'Artagnan!« murmelte Porthos ganz entzückt über die List seines Freundes. D'Artagnan, den es schon drängte, dem Gespräche eine andere Wendung zu geben sagte:

»Nun, hier sind fünfzig Pistolen, welche Euch der Herr Graf durch denselben Boten geschickt hat. Da ich vermute, daß Ihr kein Geld mehr habt, werden sie Euch erwünscht sein.«

»Ich besitze noch zwanzig Pistolen, mein Herr!« »Nun, so nehmt sie immerhin, dann sind es siebenzig.«

»Wollet Ihr aber noch mehr ...?« sprach Porthos und fuhr mit der Hand in die Tasche.

»Dank,« entgegnete Rudolf errötend, »tausendmal Dank, mein Herr!« In diesem Moment erschien Olivain in der Ferne.

»Ha doch,« fragte d'Artagnan so laut, daß es der Bediente hörte, »seid Ihr mit Olivain zufrieden?«

»Ja, ziemlich.« Olivain stellte sich, als habe er nichts gehört und ging in das Gezelt.

»Was habt Ihr gegen diesen Schlingel?«

»Er ist gefräßig,« sagte Rudolf.

»O Herr,« seufzte Olivain, der auf diese Anklage hervortrat.

»Er stiehlt ein bißchen.«

»O, Herr, o ... «

»Und insbesondere ist er ungemein feige.«

»O, o, o, mein Herr, Sie entehren mich,« stammelte Olivain.

»Pest,« rief d'Artagnan, »wißt, Meister Olivain, daß sich Männer, wie wir sind, nicht von Feigherzigen bedienen lassen. Bestehlt Euren Herrn, nascht seine Leckerbissen und trinkt seinen Wein, seid aber, bei Gott, keine Memme oder ich stutze Euch die Ohren. Seht Herrn Mouston an und laßt Euch die ehrenvolle Wunde zeigen, die er erhalten hat, und seht, ob nicht seine ungewöhnliche Tapferkeit seinen Zügen eine Würde aufgedrückt hat.« Mousqueton war bis zum dritten Himmel entzückt, und hätte d'Artagnan umarmt, wenn er sich getraut hätte; indes nahm er sich vor, er wolle sich, wenn sich je eine Gelegenheit füge, für ihn töten lassen.