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»Was aber tun in Schottland? Einen Parteikrieg führen? Ein solcher Krieg ist unwürdig eines Königs.«

»Robert Bruce ist als Beispiel da, um Sie freizusprechen, Sire.«

»Nein, nein, ich kämpfe schon allzu lang; haben sie mich verkauft, so mögen sie mich überliefern, und die ewige Schmach ihres Verrats falle auf sie zurück.«

»Sire,« entgegnete Athos, »vielleicht muß ein König auf solche Art handeln, jedoch ein Gatte und Vater darf nicht so handeln. Ich kam hierher im Namen Ihrer Gemahlin und Ihrer Tochter, und sage Ihnen im Namen Ihrer Gemahlin und Ihrer Tochter, sowie der beiden anderen Kinder, die Sie noch in London haben: bleiben Sie am Leben, Sire, Gott will es.« Der König erhob sich, schnallte seinen Gürtel wieder, nach ihm das Schwert, trocknete seine schweißbedeckte Stirne und sprach: »Nun, was habe ich zu tun?«

»Sire, haben Sie im ganzen Heere ein Regiment, auf welches Sie rechnen können?«

»Winter,« sagte der König, »glaubt Ihr an die Treue des Eurigen?«

»Sire, es sind nur Menschen, und die Menschen sind sehr schwach und schlecht geworden. Ich glaube an seine Treue, doch bürge ich nicht für sie; ich würde ihm mein Leben anvertrauen, doch nehme ich Anstand, ihm das Leben Ew. Majestät anzuvertrauen.«

»Nun,« sprach Athos, »wir drei sind, in Ermangelung eines Regimentes, treu ergebene Männer und werden genügen. Wollen Ew. Majestät zu Pferde sich in unsere Mitte begeben, so werden wir über die Tyne setzen, Schottland erreichen und gerettet sein.«

»Ist das auch Eure Ansicht, Winter?« fragte der König.

»Ja, Sire.«

»Und die Eure gleichfalls, Herr d'Herblay?« »Ja, Sire.«

»So geschehe denn, was Ihr wollt. Winter, erteilt die Befehle.« Winter entfernte sich, mittlerweile kleidete sich der König völlig an. Als Winter wieder zurückkehrte, drangen bereits die ersten Strahlen des Tages durch die Öffnungen des Gezeltes. »Alles ist bereit, Sire,« sprach Winter.

»Und wir?« fragte Athos.

»Grimaud und Blaifois halten Euch Eure vollständig gesattelten Pferde.«

»So wollen wir denn keinen Augenblick verlieren und aufbrechen.«

»Ja, laßt uns aufbrechen.« sprach der König.

»Sire,« versetzte Aramis, »will Ew. Majestät nicht den Freunden Nachricht geben?«

»Meinen Freunden,« entgegnete Karl I., traurig den Kopf schüttelnd, »ich habe keine andern mehr, als Euch drei, einen Freund von zwanzig Jahren, der mich nie vergessen hat, zwei Freunde von acht Tagen, die ich nie vergessen werde. Kommt, meine Herren, kommt.« Der König ging aus seinem Gezelt und fand wirklich sein Pferd bereit. Er schwang sich mit jener Leichtigkeit, die ihn zum besten Reiter Europas machte, auf den Sattel, wandte sich dann zu Aramis, Athos und Lord Winter und sagte: »Nun, meine Herren, ich erwarte Euch.« Doch Athos blieb unbeweglich stehen, die Augen auf eine schwarze Linie geheftet, und die Hand ausgestreckt nach derselben, die sich am Tyne- Ufer entlang hinzog und die doppelte Länge des Lagers hatte. »Was ist das für eine Linie? Ich habe sie gestern nicht bemerkt.«

»Es ist zweifelsohne der Nebel, der sich vom Fluß erhebt,« sprach der König.

»Sire, Dünste sind nie so dicht.«

»Wahrhaft, ich sehe etwas wie rötliche Schranken,« versicherte Winter.

»Das ist der Feind, der von Newcastle kommt und uns umzingelt,« rief Athos.

»Der Feind?« wiederholte der König.

»Ja, der Feind; es ist zu spät. Sehen Sie nur, Sire, dort unter dem Sonnenstrahl gegen die Stadt hin sieht man die Eisenrippen funkeln.« So nannte man die von Cromwell gebildeten Kürassiere, die seine Garden waren. »Ha,« sprach der König, »wir werden sehen, ob mich die Schotten wirklich verraten.«

»Was wollen Sie tun, Sire?« fragte Athos.

»Ihnen Befehl geben zum Angriff, und mit ihnen hinstürzen auf die schändlichen Rebellen.« Der König spornte sein Pferd und sprengte nach dem Gezelte des Grafen von Lewen. »Laßt uns nachreiten,« sprach Athos. »Auf!« sprach Aramis. »Ist etwa der König verwundet?« fragte Lord Winter, »ich bemerke Blutmale auf dem Boden.« - Er ritt den zwei Freunden nach; Athos hielt ihn zurück und sagte: »Versammelt Euer Regiment, ich sehe im voraus, daß wir es allsogleich nötig haben.« Lord Winter wandte sich, und die zwei Freunde ritten weiter. In zwei Sekunden war der König bei dem Gezelte des kommandierenden Generals des schottischen Heeres, wo er abstieg und hineinging. Der General stand mitten unter seinen angesehensten Kriegsführern. «Der König!« riefen sie, sprangen auf und blickten sich bestürzt an.

Karl stand wirklich vor ihnen, den Hut auf dem Kopfe, die Stirne gerunzelt und die Stiefel mit der Reitgerte peitschend. »Ja, meine Herren!« rief er, »der König in Person, der König, welcher von Euch Rechenschaft von dem verlangt, was da vorgeht.«

»Was ist's denn, Sire?« fragte der Graf von Lewen. »Das ist es, mein Herr,« sprach der König, der sich von seinem Zorne hinreißen ließ, »daß der General Cromwell heute nachts in Newcastle ankam, daß Ihr es wußtet und es mir nicht gemeldet habt, daß der Feind die Stadt verläßt, um uns am Übergang über die Tyne zu verhindern; daß Eure Schildwachen diese Bewegung sehen mußten und mich nicht in Kenntnis gesetzt haben; daß Ihr mich durch einen schimpflichen Vertrag für zweimalhunderttausend Pfund Sterling an das Parlament verkauft habt, und daß ich wenigstens von diesem Vertrage Nachricht erhalten habe. Das ist es, meine Herren. Antwortet und rechtfertigt Euch, denn ich klage Euch an.«

»Sire,« stammelte der Graf von Lewen. »Sire, man wird Ew. Majestät durch einen falschen Bericht getäuscht haben.«

»Ich sah es doch mit eigenen Augen, wie sich das feindliche Heer zwischen mir und Schottland ausbreitete.« versetzte Karl, »und kann fast sagen, ich hörte mit eigenen Ohren die Bedingnisse des Handels beraten.« Die schottischen Häuptlinge blickten sich an und runzelten die Stirne. »Sire,« murmelte der Graf von Lewen, gebeugt von der Last der Scham, »wir sind bereit, jeden Beweis zu liefern, Sire.«

»Ich begehre nur einen,« versetzte der König. »Stellt das Heer in Schlachtordnung, und laßt uns gegen den Feind ziehen.«

»Das ist nicht möglich, Sire,« entgegnete der Graf. »Wie, das ist nicht möglich? was steht denn der Möglichkeit im Wege?« sprach Karl I. »Eure Majestät weiß ja, es besteht zwischen uns und dem englischen Heere ein Waffenstillstand,« erwiderte der Graf. »Wenn ein Waffenstillstand besteht, so hat ihn das englische Heer dadurch gebrochen, daß es die Stadt wider die Bedingnisse verließ, die es dort eingeschlossen hielten. Nun sage ich aber, Ihr müßt Euch mit mir durch dieses Heer schlagen, um nach Schottland zurückzukehren, und wenn Ihr es nicht tut, nun, so wählt zwischen den beiden Namen, welche Männer in den Augen anderer Männer verächtlich und häßlich machen. Ihr seid entweder Feige, oder Ihr seid Verräter.« Die Augen der Schotten flammten, und, wie das bei solchen Gelegenheiten öfter geschieht, sie gingen von der tiefsten Scham zur größten Unverschämtheit über, und zwei Häuptlinge von Clans traten zu jeder Seite des Königs und sagten: »Ja doch, wir haben gelobt, Schottland und England von demjenigen zu befreien, der seit fünfundzwanzig Jahren das Blut und das Gold von England und Schottland trinkt. Wir haben es angelobt, und halten unser Versprechen. König Karl Stuart, Ihr seid unser Gefangener.« Beide streckten zugleich die Hand aus, um den König zu ergreifen; allein, ehe noch die Spitzen ihrer Finger den König berührten, lagen beide auf dem Boden, der eine ohnmächtig, der andere tot. Athos hatte den einen mit einem Pistolenschuß niedergeschmettert, und Aramis dem andern das Schwert durch den Leib gestoßen.

Während nun der Graf von Lewen und die andern Häuptlinge, entsetzt über diesen unvermuteten Beistand, zurückwichen, der demjenigen vom Himmel zu kommen schien, den sie schon als ihren Gefangenen betrachteten, zogen Athos und Aramis den König aus dem Gezelte des Meineides, in das er so unklug getreten war; dann sprangen alle drei auf die Pferde, welche die Diener bereit hielten, und sprengten wieder im Galopp dahin auf dem Wege nach dem königlichen Gezelte. Im Vorüberreiten sahen sie Lord Winter an der Spitze seines Regiments herbeieilen. Der König gab ihm ein Zeichen, sie zu begleiten.