»Ha, so ist er der erste von uns, der aus dieser Welt schied; er war ein Tapferer, möge er ruhen in Frieden.«
»Karl Stuart,« rief nun der Oberst des englischen Regiments, auf den König zuschreitend, der seine königlichen Insignien wieder angelegt hatte,« ergebt Euch als Gefangener!«
»Oberst Thomlison,« erwiderte Karl, »der König ergibt sich nicht, nur der Mensch weicht der Gewalt.«
»Euer Schwert!« Der König zog sein Schwert und zerbrach es über seinem Knie. In diesem Momente rannte ein Pferd ohne Reiter herbei, triefend von Schaum, mit weiten Nüstern; es erkannte seinen Herrn und hielt freudig wiehernd an - das war des Königs Pferd. Der König lächelte, streichelte es mit der Hand und schwang sich gewandt in den Sattel. »Nun, meine Herren,« sprach er, »führt mich, wohin Ihr wollt.« Dann wandte er sich schnell um und fuhr fort: «Halt, mir kam vor, als ob sich Lord Winter bewegte: wenn er noch lebt, so beschwöre ich Euch bei allem, was Euch heilig ist, weicht nicht von diesem Manne!«
»O, seid unbekümmert, König Karl,« versetzte Mordaunt, »die Kugel durch, bohrte ihm das Herz.«
»Redet kein Wort, macht keine Miene, wagt keinen Blick weder für mich, noch für Porthos,« sprach d'Artagnan zu Athos und Aramis, »denn Mylady ist nicht tot, ihre Seele lebt im Leibe dieses Teufels.« Das Regiment begab sich nun auf den Weg nach der Stadt und führte seine königliche Beute mit sich; auf dem halben Wege aber überbrachte ein Adjutant des Generals Cromwell dem Obersten Thomlison den Befehl, den König nach Holdenby-House zu bringen. Zugleich brachen Eilboten nach allen Richtungen auf, um durch England und ganz Europa zu verkünden, daß König Karl Stuart Gefangener des Generals Oliver Cromwell sei. Das alles sahen die Schotten mit an, das Gewehr bei Fuß und das Schwert in der Scheide.
Oliver Cromwell
»Geht Ihr zu dem General?« sprach Mordaunt zu d'Artagnan und Porthos, »Ihr wißt wohl, daß er nach der Schlacht mit Euch zu sprechen verlangt hat.«
»Zuvörderst wollen wir unsere Gefangenen an einen sichern Ort schaffen,« sagte d'Artagnan zu Mordaunt. »Wißt Ihr wohl, mein Herr, daß von diesen Kavalieren jeder seine fünfzehnhundert Pistolen wert ist?«
»O, seid deshalb ruhig,« versetze Mordaunt, sie mit einem Auge anblickend, dessen Grausamkeit er vergebens zu unterdrücken bemüht war, »meine Reiter werden sie bewachen, werden sie, dafür stehe ich, recht gut bewachen.«
»Noch besser aber werde ich sie selbst bewachen,« entgegnete d'Artagnan; »überdies, was ist dazu erforderlich? Ein gutes Gemach mit Schildwachen, oder nur ihr Wort, daß sie keinen Versuch zur Flucht machen werden. Ich bringe das jetzt in Ordnung, dann werden wir die Ehre haben, zu dem General zu kommen und ihn um seine Aufträge für Se. Eminenz ersuchen.«
»Seid Ihr also bald abzureisen gesonnen?« fragte Mordaunt. »Unsere Sendung ist zu Ende und nichts hält uns mehr in England zurück, als der Wunsch des großen Mannes, an den wir geschickt worden sind.« Der junge Mann biß sich in die Lippen, neigte sich an das Ohr des Sergeanten und sprach zu ihm: »Geht diesen Männern nach und lasset sie nicht aus den Augen, und wenn Ihr wisset, wo sie wohnen, so kehret zurück und erwartet mich am Stadttore.« Der Sergeant machte ein Zeichen, daß er gehorchen werde. Nun schlug Mordaunt, statt daß er dem Haufen der Gefangenen folgte, welche man nach der Stadt führte, den Weg nach jenem Hügel ein, von wo aus Cromwell der Schlacht zugesehen und sein Gezelt hatte aufrichten lassen. Cromwell untersagte es, irgend jemand bis zu ihm dringen zu lassen; allein die Schildwache, welche Mordaunt als einen innigen Vertrauten des Generals kannte, war der Meinung, daß sich das Verbot auf den jungen Mann nicht beziehe. Somit schlug Mordaunt die Leinwand des Gezeltes zurück und sah Cromwell, wie er eben an einem Tische saß, den Kopf in seine Hände verborgen; überdies wandte er ihm den Rücken zu. Auch kehrte sich Cromwell nicht um, ob er nun das Geräusch, welches der Eintretende machte, gehört oder nicht gehört haben mochte. Mordaunt blieb an der Türe stehen. Nach einem kurzen Weilchen endlich erhob Cromwell seine sorgenbelastete Stirne wieder, und wandte den Kopf langsam um, als hätte er instinktartig gefühlt, daß jemand anwesend sei. »Ich habe gesagt, daß ich allein sein wolle!« rief er bei dem Anblick des jungen Mannes. »Mein Herr,« entgegnete Mordaunt, »man hat nicht gedacht, daß das Verbot auch mich anginge; wenn Ihr es aber befehlet, so bin ich bereit, mich wieder zurückzuziehen.«
»Ha, Ihr seid es, Mordaunt?« rief Cromwell, indem sich, wie durch die Kraft seines Willens, der Schleier erheiterte, der seine Augen umhüllte; »nun Ihr da seid, so ist es recht, bleibt.«
»Ich bringe Euch meine Glückwünsche.«
»Eure Glückwünsche - wozu?«
»Wegen der Gefangennehmung Karl Stuarts. Nun seid Ihr Herr über England.«
»Vor zehn Stunden war ich das viel mehr,« entgegnete Cromwell. »Wie das, General?«
»England brauchte mich, um den Tyrannen festzunehmen; nun ist der Tyrann gefangen. Habt Ihr ihn gesehen?«
»Ja, mein Herr,« antwortete Mordaunt. »Wie benimmt er sich?« Mordaunt zauderte, allein die Wahrheit schien gewaltsam über seine Lippen zu treten, und er sagte: »Ruhig und würdevoll.«
»Was hat er gesprochen?«
»Einige Abschiedsworte an seine Freunde.«
»An seine Freunde?« murmelte Cromwell.. »Somit hat er Freunde . .?« Dann fügte er laut hinzu: »Hat er sich verteidigt?«
»Nein, mein Herr; bis auf drei oder vier Männer haben ihn alle verlassen; sonach war es ihm unmöglich, «sich zu verteidigen.«
»Wem übergab er sein Schwert?«
»Er hat es nicht übergeben, sondern zerbrochen.«
»Daran hat er wohl getan; doch statt es zu zerbrechen, hätte er noch besser getan, sich seiner mit mehr Vorteil zu bedienen.« Es trat einen Augenblick Stillschweigen ein. »Der Oberst des Regiments, welches die Eskorte des Königs bildete, wurde getötet, wie mir scheint?« fragte Cromwell, und faßte Mordaunt fest ins Äuge. »Ja, mein Herr.«
»Durch wen?« fragte Cromwell. »Durch mich.«
»Wie nannte er sich?«
»Lord Winter.«
»Euer Oheim!« rief Cromwell. »Mein Oheim!« versetzte Mordaunt: »Englands Verräter sind nicht aus meiner Familie.« Cromwell blickte diesen jungen Mann ein Weilchen tiefsinnig an, dann sprach er mit jener tiefen Melancholie, welche Shakespeare so schön malt: »Mordaunt, Ihr seid ein furchtbarer Diener.«
»Wenn der Herr gebietet,« versetzte Mordaunt, »so darf man über seine Befehle nicht grübeln. Abraham hat das Messer auf Isaak gezückt, und Isaak war sein Sohn.«
»Ja,« entgegnete Cromwell, »allein der Herr ließ ihn das Opfer nicht vollbringen.«
»Ich sah um mich her,« antwortete Mordaunt, »und bemerkte weder Bock noch Böcklein gefangen im Gebüsch der Ebene.« Cromwell verneigte sich und sprach: »Ihr seid stark unter den Starken, Mordaunt. - Wie haben sich denn die Franzosen gehalten?«
»Als mutvolle Männer, mein Herr,« entgegnete Mordaunt.
»Ja, ja,« murmelte Cromwell, »die Franzosen sind Kämpfer, und wirklich, wenn mein Fernrohr gut ist, so glaube ich, sie in der vordersten Reihe bemerkt zu haben.«
»Dort waren sie auch,« sagte Mordaunt.
»Indes hinter Euch,« versetzte Cromwell.
»Das war die Schuld ihrer Pferde und nicht die ihrige.« Es trat abermals ein kurzes Stillschweigen ein, dann fragte Cromwelclass="underline"
»Und die Schotten?«
»Sie haben ihr Wort gehalten und sich nicht gerührt,« erwiderte Mordaunt.
»Die Nichtswürdigen!« murmelte Cromwell.
»Ihre Offiziere wünschen Euch zu sehen, mein Herr.«
»»Ich habe keine Zeit. Sind sie bezahlt worden?«
»Heute Nacht.«