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»Nun, es ist abgemacht,« entgegnete d'Artagnan; »ich finde England reizend und bleibe hier, doch nur unter einer Bedingung.«

»Unter welcher?«

»Daß man mich nicht zwingt, englisch zu lernen.«

»Wohlan,« erwiderte Athos triumphierend, »jetzt, o Freund, schwöre ich Euch bei diesem Gott, der uns hört, bei meinem Namen, den ich für makellos halte, ich glaube, es walte über uns eine höhere Macht, und hoffe, wir werden alle vier Frankreich wiedersehen.«

»Es sei,« sprach d'Artagnan, »allein ich bekenne, daß ich ganz entgegengesetzter Meinung bin.«

»Der liebe d'Artagnan,« sagte Aramis, »er vertritt unter uns die Opposition der Parlamente, die stets nein sagen und bejahend handeln.«

»Wohl, die aber doch das Vaterland retten,« entgegnete Athos.

»Nun,« sprach Porthos, sich die Hände reibend, »wenn wir jetzt, wo alles abgemacht ist, auch an ein Mittagmahl denken möchten. Mich dünkt, daß wir in den verwickeltsten Lagen unseres Lebens stets zu Mittag gespeist haben.« Man beschloß, ein nahegelegenes Haus aufzusuchen, in der Hoffnung, den allgemeinen Hunger auf diese oder jene Art stillen zu können.

Parrys Bruder

Nach Maßgabe, als sich unsere Flüchtlinge dem Hause näherten, sahen sie den Boden zerstampft, als wäre ihnen eine beträchtliche Reiterschar zuvorgekommen; vor der Türe zeigten sich die Spuren noch viel deutlicher; diese Schar, was sie auch sein mochte, hatte dort eingesprochen. »Bei Gott,« rief d'Artagnan, »die Sache ist klar, hier ist der König mit seiner Bedeckung durchgekommen.«

»Zum Teufel,« fluchte Porthos, »wenn das ist, so haben sie alles aufgezehrt.«

»Bah,« versetzte d'Artagnan, »sie haben gewiß noch ein Huhn übriggelassen.« Er sprang vom Pferde und pochte an die Türe, doch antwortete niemand. Er stieß die Türe auf, die nicht versperrt war. und sah das erste Zimmer öde und leer.

»Nun?« fragte Porthos.

»Ich sehe niemand,« entgegnete d'Artagnan.

»Ach, ach!«

»Was ist?«

»Blut.« Bei diesem Ausrufe sprangen die drei Freunde vom Pferde und traten in das erste Zimmer, allein d'Artagnan hatte bereits die Türe des zweiten aufgestoßen, und an dem Ausdrucke seiner Miene gab es sich kund, daß er etwas Ungewöhnliches erblicke. Die drei Freunde traten näher, und sahen auf dem Boden einen Mann hingestreckt und in Blut gebadet. Man sah,

er wollte noch sein Bett erreichen, doch hatte er nicht mehr die Kraft, und sank zu Boden. Athos war der erste, der zu diesem Unglücklichen trat und glaubte, er bemerke an ihm noch eine Bewegung. »Nun?« fragte d'Artagnan.

»Wenn er tot ist,« versetzte Athos. »so ist das noch nicht lange her, da er noch warm ist. Doch nein, sein Herz schlägt. He, Freund! -« Der Verwundete stieß einen Seufzer aus; d'Artagnan nahm Wasser in die hohle Hand und sprengte es ihm in das Antlitz. Der Mann schlug die Augen wieder auf, machte eine Bewegung, den Kopf empor zu richten, und sank wieder zurück. Jetzt versuchte es Athos, ihn vom Boden auf seinen Schoß zu erheben, allein er bemerkte, daß die Wunde ein wenig oberhalb der Stirne war und ihm den Schädel gespaltet hatte; das Blut floß in Menge. Aramis tauchte eine Serviette in Wasser und legte sie auf die Wunde; die Frische brachte den Verwundeten wieder zu sich: er öffnete zum zweiten Male die Augen. Er starrte diese Männer erstaunt an, die ihn zu beklagen schienen und die, ihm beizustehen, bemüht waren. »Ihr seid unter Freunden,« redete ihn Athos auf Englisch an, »seid also unbekümmert, und wenn Ihr Kraft genug habt, so erzählet uns, was da geschehen ist.«

»Der König,« stammelte der Verwundete, »der König ist gefangen.«

»Habt Ihr ihn gesehen?« fragte Aramis in derselben Sprache. Der Mann antwortete nicht. »Seid ruhig,« begann Athos wieder, »wir sind getreue Diener Seiner Majestät.«

»Ist das wahr, was Ihr da sagt?« fragte der Verwundete. »Bei unserer Edelmanns ehre.«

»Somit kann ich Euch alles sagen?«

»Redet.«

»Ich bin der Bruder Parrys, des Kammerdieners Seiner Majestät.« Athos und Aramis erinnerten sich, daß Lord Winter dem Bedienten diesen Namen gegeben, den sie im Korridor des königlichen Gezeltes angetroffen hatten. »Wir kennen ihn,« versetzte Athos, »er verläßt den König nie.«

»Ja, ganz richtig,« entgegnete der Verwundete. »Nun, als er den König gefangen sah, so dachte er an mich; man zog bei dem Hause vorüber, er forderte in des Königs Namen, daß man daselbst anhalte. Sein Begehren wurde erfüllt. Der König, hieß es, habe Hunger; man ließ ihn in das Zimmer treten, worin ich mich befinde, damit er da seine Mahlzeit halte, während man Wachen vor die Türen und Fenster stellte. Parry kannte dieses Zimmer, denn während Seine Majestät in Newcastle war, besuchte er mich öfter. Auch wußte er, daß in diesem Zimmer eine Falltüre sei, daß sie in den Obstgarten führe und daß man von diesem Keller aus zum Obstgarten gelangen könne. Er machte mir ein Zeichen, das ich verstand; doch ohne Zweifel erlauschten die Wächter dieses Zeichen und es machte sie argwöhnisch. Da ich nicht wußte, daß man etwas argwöhne, so hatte ich nur diesen Wunsch noch, den König zu retten. Ich ging sonach, als wollte ich Holz holen, und dachte, daß keine Zeit zu verlieren sei. Ich trat in den unterirdischen Gang, der nach dem Keller führte und womit diese Falltüre in Verbindung stand. Ich hob den Fußboden mit dem Kopfe auf, und indes Parry den Riegel vorschob, winkte ich dem Könige, mir zu folgen. Ach, er wollte nicht; es schien, als hätte er Abscheu vor der Flucht. Doch Parry bat ihn mit gefalteten Händen; auch ich flehte inständigst, er wolle eine solche Gelegenheit nicht verlieren. Endlich entschloß er sich, mir zu folgen. Zum Glücke ging ich voraus, der König kam einige Schritte hinter mir, als ich auf einmal im unterirdischen Gange sah, daß sich etwas wie ein Schatten emporrichtete. Ich wollte schreien, um den König zu warnen, hatte aber nicht mehr die Zeit. Ich fühlte einen Streich, als stürzte das Haus über mir ein, und sank in Ohnmacht nieder.« »Guter, wackerer Engländer, treuer Diener!« rief Athos. »Als ich wieder zur Besinnung kam, lag ich auf derselben Stelle. Ich schleppte mich bis in den Hof; der König und seine Bedeckung waren verschwunden. Es verging vielleicht eine Stunde, bis ich vom Hofe hierher gelangte; doch hier schwanden meine Kräfte und ich sank abermals in Ohnmacht.«

»Und wie fühlt Ihr Euch jetzt?«

»Sehr schlecht,« entgegnete der Verwundete.

»Können wir etwas für Euch tun?« fragte Athos.

»Helft mir auf das Bett dorthin, ich denke, das wird mich erleichtern.«

»Werdet Ihr jemand haben, der Euch pflegt?«

»Meine Gemahlin ist in Durham und wird alsbald zurückkehren. Doch Ihr selbst, wünscht Ihr nichts, bedürft Ihr nichts?«

»Wir kamen in der Absicht hierher, Euch um etwas Essen zu ersuchen.«

»Ach, sie haben alles genommen und es ist kein Stück Brot mehr im Hause übrig.«

»Hört Ihr, d'Artagnan?« versetzte Athos, »wir müssen unser Mittagmahl anderweitig suchen.«

»Mir gilt das jetzt gleich,« erwiderte d'Artagnan, »denn ich habe keinen Hunger mehr.«

»Meiner Treu', auch ich nicht,« sagte Porthos. Sie brachten den Mann auf ein Bett. Mittlerweile kehrten die Flüchtlinge in das erste Zimmer zurück und hielten hier Rat. »Nun wissen wir, woran wir uns zu halten haben,« sagte Aramis; »es war wirklich der König und seine Bedeckung, die hier durchkamen; und so müssen wir den entgegengesetzten Weg wählen. Ist das auch Eure Ansicht, Athos?« Athos gab keine Antwort, er dachte nach.

»Ja,« versetzte Porthos, »begeben wir uns auf den entgegengesetzten Weg. Folgen wir der Eskorte, so finden wir alles schon aufgezehrt und sterben vor Hunger. Wie verwünscht ist doch dieses England! Das ist das erstemal, daß ich fast nicht zu Mittag essen würde. Das Mittagmahl ist mein liebster Schmaus.«

»Was denkt Ihr, d'Artagnan?« fragte Athos: »teilt Ihr Aramis' Meinung?«