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»Ganz und gar nicht,« entgegnete d'Artagnan, »meine Meinung ist gerade die entgegengesetzte.«

»Wie?« fragte Porthos erschreckt, »Ihr wollt der Eskorte folgen?«

»Nein, sondern mit ihr ziehen!« Athos' Augen strahlten vor Freude. »Mit der Eskorte reisen!« rief Aramis. »Laßt d'Artagnan reden,« sagte Athos, »Ihr wißt ja, er ist ein Mann von gutem Rate.«

»Allerdings,« versetzte d'Artagnan, »müssen wir dahin gehen, wo man uns nicht suchen wird. Nun wird man uns aber ganz und gar nicht unter den Puritanern suchen, und folglich müssen wir unter die Puritaner gehen.«

»Gut, Freund, gut,« sprach Athos, »der Rat ist vortrefflich, ich wollte ihn schon bei unserer Ankunft geben.« »Somit ist das auch Eure Meinung?« fragte Aramis. »Ja, man wird meinen, wir wollen England verlassen, und uns in den Häfen aufsuchen, inzwischen gelangen wir mit dem Könige nach

London, wo wir gar nicht aufzufinden sind; mitten unter einer Million Menschen ist es leicht, sich zu verstecken, ohne die Wechselfälle der Reise zu rechnen,« fuhr Athos fort und warf einen Blick auf Aramis. »Ja,« sprach Aramis, »ich verstehe.«

»Ich,« sagte Porthos, »ich verstehe nichts, doch meinetwegen, da es d'Artagnans und Athos' Meinung ist, so muß es wohl am besten sein.«

»Aber,« rief Aramis, »werden Wir nicht dem Oberst Harrison verdächtig erscheinen?«

»Ha, bei Gott!« rief d'Artagnan, »auf ihn rechne ich eben; der Oberst Harrison ist einer von unseren Freunden; wir haben ihn zweimal bei dem General Cromwell gesehen; er weiß es, daß uns Mazarin an ihn geschickt hat, und wird uns als Brüder betrachten. Ist er überdies nicht ein Fleischerssohn? Ja, nicht so? Also Porthos wird ihm zeigen, wie man einen Ochsen mit einem Faustschlag zu Boden schmettert, und ich, wie man einen Stier niederwirft, indem man ihn bei den Hörnern packt; damit wird man sein Vertrauen gewinnen.« Athos lächelte und sagte: »D'Artagnan, Ihr seid der beste Geselle, den ich kenne; da nehmt meine Hand, mein Sohn, ich schätze mich glücklich, daß ich Euch wiederfand.« In diesem Momente trat Grimaud aus dem Zimmer. Der Verwundete war verbunden, und fühlte sich besser. Die vier Freunde beurlaubten sich von ihm, und fragten, ob er ihnen nicht irgendeinen Auftrag an seinen Bruder geben wolle. »Meldet ihm,« sprach der wackere Mann, »er möge dem König sagen, daß sie mich nicht gänzlich umgebracht haben. Wie gering ich auch sei, so bin ich doch überzeugt, daß mich Seine Majestät bedauert, und sich meinen Tod zum Vorwurfe macht.«

»Seid ruhig,« sagte d'Artagnan, »er soll es noch vor heute abend wissen.« Die kleine Schar begab sich wieder auf den Weg, wo man sich nicht irren konnte, denn der, welchen sie über die ebene einschlagen wollten, trug sichtliche Spuren. Nachdem sie zwei Stunden lang schweigend dahingeritten waren, hielt d'Artagnan, der voraus war, bei einer Wegeskrümmung an. »Ach,« rief er, »da sind unsere Leute!« Wirklich zeigte sich etwa eine halbe Stunde entfernt eine beträchtliche Reiterschar seinen Blicken. »Liebe Freunde,« sprach d'Artagnan, »übergebt Eure Schwerter Herrn Mouston, der sie Euch zu gelegener Zeit zurückstellen wird, und vergeßt nicht, daß Ihr unsere Gefangenen seid.« Dann setzte man die Pferde, die schon etwas müde waren, in Trab, und erreichte alsbald die Bedeckung. Der König an der Spitze und umgeben von einer Abteilung des Regimentes des Obersten Harrison ritt ruhig und stets würdig mit einer Art Gutmütigkeit dahin. Als er Athos und Aramis sah, von denen er, weil man ihm keine Zeit ließ, nicht einmal Abschied genommen, und es in den Blicken der zwei Kavaliere las, daß er einige Schritte weit von sich noch Freunde habe, so flog eine Röte der Freude an die blassen Wangen des Königs, wiewohl er seine Freunde für Gefangene hielt. D'Artagnan erreichte die Spitze des Zuges, und während er seine Freunde unter Porthos' Obhut ließ, ritt er geradeswegs auf Harrison zu, der ihn wirklich als denjenigen erkannte, welchen er bei Cromwell gesehen, und der ihn ebenso artig empfing, wie ein Mann von diesem Stande und diesem Charakter jemanden empfangen konnte. Was d'Artagnan voraussah, das traf ein: der Oberst hatte keinen Verdacht. Man hielt an; hier sollte der König zu Mittag speisen. Doch traf man diesmal Vorsichtsmaßregeln, damit er nicht zu entfliehen versuche. In dem großen Zimmer wurde für ihn ein kleiner Tisch und für die Offiziere ein großer Tisch gedeckt. »Speiset Ihr mit mir?« fragte Harrison d'Artagnan. »Teufel, das wäre mir ein großes Vergnügen,« entgegnete d'Artagnan, »allein ich habe meinen Freund, Herrn du Vallon, und meine zwei Gefangenen, die ich nicht verlassen kann, und die Eure Tafel überfüllen würden. Doch machen wir es besser, laßt mir einen Tisch in einem Winkel decken, und schickt mir nach Belieben von Eurer Tafel, denn wir sind widrigenfalls vom Hungertod gefährdet. Solcher Art werden wir, da wir in demselben Zimmer sind, immerhin mitsammen speisen.«

»Es sei,« antwortete Harrison. Die Sache wurde angeordnet, wie es d'Artagnan wünschte, und als er wieder zu dem Obersten zurückkehrte, traf er den König schon an seinem kleinen Tische und von Parry bedient, Harrison und seine Offiziere gemeinschaftlich um einen Tisch sitzend, und in einem Winkel die Plätze, die für ihn und seine Freunde bestimmt waren. Der Tisch, an dem die puritanischen Offiziere saßen, war rund, und geschah es aus Zufall oder aus grober Berechnung, Harrison wandte dem König den Rücken zu. Der König sah die vier Kavaliere eintreten, schien jedoch nicht auf sie zu achten. Sie setzten sich an ihren bestimmten Tisch, so zwar, daß sie niemandem den Rücken zulehrten. Sie hatten den Tisch des Königs und den der Offiziere vor Augen. »Meiner Treue, Oberst,« sprach d'Artagnan, »wir sind Euch sehr dankbar für Eure gefällige Einladung, denn ohne Euch liefen wir Gefahr, nichts zu Mittag zu bekommen, gleichwie wir kein Frühmahl hatten, und mein Freund du Vallon hier teilt meine Dankbarkeit, da er ungemein hungrig war.«

»Ich bin noch hungrig,« sagte Porthos und verneigte sich. »Und wie kam es denn,« fragte der Oberst Harrison lachend, »daß Ihr ohne Frühmahl geblieben seid?«

»Ganz einfach, Oberst,« versetzte d'Artagnan. »Ich beeilte mich, Euch einzuholen, zu diesem Ende hatte ich denselben Weg zu nehmen wie Ihr, was ein alter Quartiermeister, wie ich, nicht hätte tun dürfen, indem ich hätte wissen sollen, daß dort, wo ein gutes und tapferes Regiment, wie das Eure, durchzieht, nichts mehr zu nagen übrig bleibt. Sonach werdet Ihr auch unsere getäuschte Hoffnung begreifen, als wir bei einem kleinen, hübschen Hause ankamen, das dort am Rande des Waldes liegt, und mit dem roten Dache und grünen Balkon von fern recht einladend aussieht. Aber statt der Hühner und Schinken, die wir uns zu braten und zu rösten vorhatten, fanden wir einen armen, in seinem Blute schwimmenden Teufel ... Ach Gott, Oberst, macht demjenigen Eurer Offiziere mein Kompliment, der diesen Streich geführt hat, er war gut angebracht, so gut, daß darüber mein Freund hier, Herr du Vallon, der auch gar artige Schläge zu versehen weiß, in Verwunderung geriet.«

»Ja,« sprach Harrison lachend und die Augen auf einen Offizier an seinem Tische gerichtet, »wenn Groslow dieses Geschäft auf sich nimmt, so braucht man ihm nicht nachzusehen.«

»Ha, dieser Herr war es?« sagte d'Artagnan, sich vor dem Offizier verneigend; »ich bedauere, daß der Herr nicht französisch spricht, um ihm mein Kompliment zu machen.«

»Ich bin bereit, es zu empfangen, und es Euch zu erwidern,« entgegnete der Offizier ziemlich gut französisch, »ich lebte drei Jahre in Paris.«

»Nun, mein Herr,« sagte d'Artagnan, »ich sage Euch, daß der Schlag so gut versetzt war, daß er den Mann beinahe getötet hat.«

»Ich glaubte, ihn doch ganz getötet zu haben,« versetzte der Offizier. »Nein, es fehlte daran freilich nicht viel, doch tot ist er nicht.« D'Artagnan warf unter diesen Worten einen Blick auf Parry, der leichenfahl vor dem Könige stand, um ihm anzudeuten, daß diese Nachricht für ihn sei. Der König hörte dieser ganzen Unterredung mit einer unbeschreiblichen Beklommenheit des Herzens zu, denn er wußte nicht, was der französische Offizier beabsichtigte, und diese grausamen Umstände unter dem Scheine von Gleichgültigkeit empörten ihn. Erst bei den letzten Worten atmete er wieder freier. »Ha, zum Teufel,« fluchte Groslow, »ich dachte, es wäre mir besser gelungen, und wäre es nach dem Hause dieses Elenden nicht so weit, würde ich umkehren und ihn ganz niedermachen.«