Выбрать главу

Tode das voraussagen, was er zu andern Sterbenden spricht, ohne zu begreifen, daß dieser königliche Sterbende dem Usurpator einen Thron hinterläßt, indes seine Kinder kein Brot mehr haben.« Hierauf drückte er das Porträt an seine Lippen, und stammelte der Reihe nach die Namen seiner Kinder. Wie schon erwähnt, war die Nacht nebelig und finster. Von der benachbarten Kirche schlug langsam die Uhr. Der blasse Schein der zwei Kerzen beleuchtete in diesem großen, hohen Zimmer Phantome mit seltsamen Spiegelungen. Diese Phantome waren die Ahnen des Königs Karl, und schienen aus ihren Rahmen hervorzutreten; diese Spiegelungen waren die letzten bläulichen und schillernden Reflexe eines ersterbenden Kohlenfeuers. Auf einmal vernahm man Tritte, die Tür ging auf, das Zimmer erfüllte sich mit dampfendem Fackellicht, und ein Mann, wie ein anglikanischer Priester gekleidet, trat ein, gefolgt von zwei Wachen, denen Karl gebieterisch mit der Hand zuwinkte. Diese zwei Wachen entfernten sich und das Zimmer wurde wieder so dunkel wie zuvor.

»Juxon!« rief Karl. »Juxon! Dank, mein letzter Freund! Ihr kommt zu rechter Zeit.« Der vermeintliche Bischof warf einen schiefen und bekümmerten Blick auf den Mann, der im Winkel des Kamins seufzte und weinte. »Ruhig, Party,« rief der König, »weine nicht mehr, Gott sendet uns Trost.«

»Wenn es Parry ist,« sprach der Eintretende, »so habe ich nichts mehr zu fürchten; Sire, ich bitte also um Erlaubnis, Ew. Majestät begrüßen zu dürfen, und zu sagen, wer ich bin und aus welcher Ursache ich komme.« Karl hätte bei diesem Anblick, bei dieser Stimme zweifelsohne einen Ausruf erhoben, allein Aramis legte einen Finger auf die Lippe, und verneigte sich tief vor dem König von England. »Der Chevalier!« murmelte Karl. »Ja, Sire,« entgegnete Aramis mit erhobener Stimme, »ja, der Bischof Juxon. ein getreuer Diener des Herrn und ergeben den Wünschen Eurer Majestät.« Karl faltete die Hände, er erkannte d'Herblay, er war erstaunt und fühlte sich vernichtet vor diesen Männern, vor diesen Fremdlingen, welche ohne einen andern Beweggrund als den einer Pflicht, die ihnen die eigene Überzeugung auferlegte, gegen den Willen eines Volkes und gegen die Bestimmung eines Königs ankämpften.

»Ihr seid es?« sprach er, »Ihr? Wie gelang es Euch doch, hierher zu kommen? O Gott, wenn sie Euch erkennen, so seid Ihr verloren.« Parry richtete sich empor, sein ganzes Wesen drückte das Gefühl einer treuherzigen und innigen Bewunderung aus.

»Denken Sie nicht an mich, Sire,« sprach Aramis, während er dem Könige stets durch Winke Schweigen empfahl, »denken Sie nur an sich selber, Sie sehen, Ihre Freunde wachen; ich weiß es noch nicht, was wir tun werden, allein vier entschlossene Männer vermögen viel. Mittlerweile schließen Sie des Nachts kein Auge, erstaunen Sie über nichts, und seien Sie gefaßt auf alles.« Karl schüttelte den Kopf und sagte:

»Freund, wisset Ihr, daß keine Zeit zu verlieren ist, und daß Ihr Euch eilen müsset, wenn Ihr handeln wollet? Wisset Ihr, daß ich morgen früh um zehn Uhr sterben soll?«

»Sire, bis dahin wird etwas vorfallen, was die Vollziehung des Urteils vorläufig unmöglich macht.« Der König blickte Aramis mit Verwunderung an. In diesem Momente ließ sich unter dem Fenster des Königs ein seltsames Getöse vernehmen, dem ähnlich, welches ein Wagen Holz, der abgeladen wird, verursachen würde.

»Hört Ihr?« sprach der König. Auf dieses Getöse folgte ein Ausruf des Schmerzes.

»Ich höre wohl,« entgegnete Aramis, »doch begreife ich nicht, was das für ein Getöse, und zumal, was das für ein Geschrei ist.«

»Ich weiß zwar nicht, wer diesen Schrei ausstoßen konnte,« sprach der König, »in betreff des Getöses aber will ich Euch Aufschluß geben. Wißt Ihr, daß ich außerhalb dieses Fensters hingerichtet werden soll?« fuhr Karl fort, während er die Hand nach dem dunklen, öden Orte ausstreckte, der nur von Soldaten und Wachen besetzt war.

»Ja, Sire,« versetzte Aramis, »ich weiß das.«

»Dieses Holzwerk also, welches hergebracht wird, sind die Balken und das Zimmerwerk zu einem Schafott. Irgendein Arbeiter wird sich bei dem Abladen beschädigt haben.« Aramis erbebte unwillkürlich.

»Ihr seht wohl,« sprach Karl, »wie es vergeblich ist, noch länger auf Eurem Vorhaben zu bestehen. Ich bin verurteilt, laßt mich meinem Schicksale verfallen sein.«

»Sire,« erwiderte Aramis, der sich nach einer augenblicklichen Störung wieder sammelte, »man mag wohl ein Schafott errichten, doch wird sich kein Scharfrichter finden lassen.«

»Was wollt Ihr damit sagen?« fragte der König.

»Ich will sagen, daß zu dieser Stunde der Scharfrichter entführt oder bestochen worden sei; morgen wird das Blutgerüst bereitet sein, doch der Scharfrichter wird fehlen, somit wird man genötigt sein, die Hinrichtung auf übermorgen zu vertagen.«

»Nun, dann?« fragte der König.

»Nun,« entgegnete Aramis, »morgen in der Nacht entführen wir Sie.«

»Wie das?« rief der König, dessen Antlitz sich unwillkürlich durch einen Strahl von Freude erhellte. »Ach, mein Gott!« stammelte Parry mit gefalteten Händen, »seid Ihr und die Eurigen gesegnet.«

»Wie das?« wiederholte der König, »ich muß es wissen, um Euch nötigenfalls beizustehen.«

»Das weiß ich nicht,« erwiderte Aramis, »allein derjenige von uns, der am schlauesten, tapfersten und aufopferndsten ist, sagte mir beim Scheiden: Chevalier! meldet dem König, daß wir ihn morgen abend um zehn Uhr entführen; und da er es gesagt hat, so wird er es auch zustande bringen.«

»Nennt mir den Namen dieses hochherzigen Freundes,« sagte der König, »damit ich ihm eine ewige Dankbarkeit bewahre, ob es ihm nun gelingen werde oder nicht.«

»D'Artagnan, Sire, derselbe, der Sie beinahe schon gerettet hätte, als der Oberst Harrison zu ungelegener Zeit eintrat.«

»Ihr seid in der Tat wunderbare Männer!« rief der König, »und wenn man mir solche Dinge erzählt hätte, würde ich sie nicht geglaubt haben.«

»Nun, Sire,« sprach Aramis, »vergessen Sie keinen Augenblick, daß wir für Sie wachen, belauschen Sie die geringste Bewegung, den leisesten Gesang, die geheimsten Winke derjenigen, die Ihnen nahen werden, belauschen Sie alles und deuten Sie sich alles.«

»O, Chevalier!« rief der König, »was kann ich Euch sagen? Es würde kein Wort, ob es auch aus dem Grunde meines Herzens käme, meine Dankbarkeit ausdrücken. Sollte es Euch gelingen, so werde ich nicht sagen, Ihr rettet Euren König, nein, von dem Schafott aus betrachtet ist das Königtum wahrlich etwas Geringes, allein Ihr erhaltet einer Gemahlin den Gemahl und Kindern ihren Vater. Chevalier, nehmt meine Hand, es ist die eines Freundes, der Euch bis zum letzten Hauche liebt!«

Aramis wollte dem König die Hand küssen, allein dieser ergriff die seinige und preßte sie an sein Herz. In diesem Momente trat ein Mann ein, ohne früher angepocht zu haben; Aramis wollte seine Hund zurückziehen, jedoch der König hielt sie fest. Der Eintretende war einer von jenen Puritanern, halb Priester, halb Soldat, wie sie um Cromwell herum wimmelten.