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»Meine Freunde,« sprach er zu ihnen, »ich bitte Euch, arbeitet doch ein bißchen leiser. Der König schläft und ist des Schlafes bedürftig.« Der Mann mit dem Brecheisen hielt in der Arbeit inne und wandte sich halb um; doch da er stand, so konnte Parry sein Gesicht in der Finsternis, welche nach der Decke hin schwärzer wurde, nicht wahrnehmen. Der Mann auf den Knien wandte sich gleichfalls um, und da sein Gesicht, welches niedriger war als das seines Kameraden, von der Laterne beschienen wurde, so konnte es Parry unterscheiden. Dieser Mann starrte ihn fest an und legte einen Finger an den Mund. Parry wich betroffen zurück.

»Es ist gut, es ist gut,« sprach der Handwerker vortrefflich englisch; »kehre zu dem Könige zurück und melde, er würde, ob er auch in dieser Nacht schlecht schlafe, doch in der nächsten desto besser schlafen.«

Diese rauhen Worte, welche buchstäblich genommen so grausam klangen, wurden von den Arbeitern an den Seiten und im unteren Stockwerke mit einem gräßlichen Jubelgeschrei aufgenommen. Parry ging fort und glaubte, nur zu träumen. Karl erwartete ihn schon voll Ungeduld. In dem Momente, da er zurückkehrte, streckte die Schildwache vorwitzig ihren Kopf durch die Türe, um zu sehen, was der König tue. Der König hatte sich im Bette auf einen Ellbogen gestützt. Parry sperrte die Türe zu, ging mit freudestrahlendem Antlitz zu dem Könige und sprach mit leiser Stimme zu ihm:

»Sire, wissen Sie, wer die Arbeiter sind, welche so viel Lärm erregen?«

»Nein,« entgegnete Karl, schwermütig den Kopf schüttelnd, »wie kann ich das wissen? Kenne ich denn diese Leute?«

»Sire,« sprach Parry noch leiser und über das Bett seines Gebieters hingeneigt, »Sire, es ist der Graf de la Fere und sein Begleiter.«

»Die mein Schafott errichten?« fragte der König erstaunt.

»Ja, und während sie es errichten, in die Mauer ein Loch brechen.«

»Still,« versetzte der König, voll Schrecken um sich blickend, »hast du sie gesehen?«

»Ich habe mit ihnen gesprochen.« Der König faltete die Hände und schlug die Augen zum Himmel auf; nach einem kurzen, innigen Gebete sprang er von seinem Bette und ging an das Fenster, wo er die Vorhänge zurückschlug. Die Schildwachen des Balkons befanden sich noch immer daselbst, und jenseits desselben war eine dunkle Fläche, auf welcher Menschen wie Gespenster vorüberwandelten. Karl konnte nichts wahrnehmen, doch fühlte er unter seinen Füßen die Erschütterung der Stöße, die seine Freunde führten, und jeder dieser Stöße widerhallte jetzt in seinem Herzen. Parry hatte sich nicht getäuscht, er hatte Athos erkannt; er war es wirklich, der mit Porthos' Hilfe ein Loch aushöhlte, worin einer der Querbalken angebracht werden sollte.

Dieses Loch setzte sich mit einer Art Windfang in Verbindung, der sich gerade unter dem Fußboden des königlichen Zimmers befand. War man einmal in dieser Höhlung, die einem Entresol sehr ähnlich war, so konnte man mit einem Brecheisen und starken Schultern, wie sie Porthos hatte, eine Decke des Fußbodens heben: der König würde sonach durch die Öffnung schlüpfen, mit seinen Rettern ein Fach des Schafotts erreichen, das ganz mit schwarzem Tuche überhangen war, gleichfalls einen Handwerkeranzug nehmen, der schon für ihn bereit lag, und ohne Aufsehen, ohne Furcht mit den vier Arbeitern hinabsteigen. Würden die Schildwachen Arbeiter sehen, die am Schafott beschäftigt waren, so würden sie dieselben ohne Verdacht vorüberlassen. Wie schon bemerkt, stand die Feluke in Bereitschaft. Dieser Plan war gut angelegt, leicht und einfach wie alle Dinge, die aus einem kühnen Entschlusse hervorgehen. Athos verwundete sich somit seine so schönen weißen und zarten Hände mit dem Herausziehen der Steine, welche Porthos aus den Fugen sprengte, und schon konnte man mit dem Kopfe unter den Verzierungen hindurch, welche die Platte des Balkons schmückten. Noch zwei Stunden, und der ganze Körper konnte hindurch. Das Loch würde vor Anbruch des Tages fertig sein und hinter einem Vorhange, welchen d'Artagnan anbringen würde, verdeckt werden. D'Artagnan gab sich für einen französischen Handwerker aus und schlug die Nägel so regelmäßig ein, als wäre er der geschickteste Tapezierer. Aramis schnitt das Überflüssige vom Zeuge ab, das bis zur Erde herabhing und hinter dem sich das Blutgerüste erhob. Die Morgenstrahlen erschienen an den Giebeln der Häuser; ein großes Feuer von Torf und Holz diente den Arbeitern, jene so kalte Nacht vom 29. zum 30. Januar zuzubringen, und alle Augenblicke unterbrachen sich die Eifrigsten in der Arbeit, um sich wieder zu wärmen. Athos und Porthos allein waren nie von ihrer Arbeit gewichen, und so war denn auch das Loch bei dem ersten Grauen des Morgens fertig. Athos kroch hindurch mit den Kleidern, welche für den König bestimmt und in schwarzes Zeug gewickelt waren; Porthos reichte ihm sein Brecheisen und d'Artagnan nagelte zum großen, aber sehr nützlichen Luxus ein Stück Zeug im Innern vor, hinter dem das Loch und derjenige, der darin war, verdeckt wurden. Athos brauchte nur noch zwei Stunden zu arbeiten, um sich dem Könige mitteilen zu können, und nach der Berechnung hatten die vier Freunde den ganzen Tag vor sich, weil man, da der Scharfrichter von London fehlte, jenen von Bristol holen mußte. D'Artagnan entfernte sich, um seinen kastanienbraunen Anzug, und Porthos, um sein rotes Wams wieder anzulegen; Aramis aber ging zu Juxon, um mit ihm, wenn es anging, zum Könige zu gelangen. Alle drei verabredeten sich mittags auf dem Platze White-Hall zu sein, um zu sehen, was da vorgehe. Ehe sich Aramis vom Schafott entfernt hatte, näherte er sich der Öffnung, worin Athos versteckt war, um ihm zu melden, er wolle Karl wiederzusehen versuchen. »Lebt also wohl und guten Mut!« rief Athos; »meldet dem König, wie die Sachen stehen, und sagt ihm, er möchte, wenn er allein ist, auf den Fußboden klopfen, damit ich in meiner Arbeit sicherer fortfahren könne. Wenn mir Parry behilflich sein könnte, im voraus die untere Platte des Kamins loszumachen, die zweifelsohne eine Marmorplatte ist, so wäre um so mehr geschehen. Ihr, Aramis, seid darauf bedacht, den König nicht zu verlassen. Redet laut, sehr laut, da man Euch von der Türe aus behorchen wird. Wenn eine Schildwache in das Innere des Zimmers kommt, so stoßt sie nieder ohne alles Bedenken; sind deren zwei, so töte Parry die eine und Ihr die andere; sind deren drei, so laßt Euch töten, doch rettet den König.«