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»Seid unbekümmert,« entgegnete Aramis, »ich will zwei Dolche mitnehmen und einen davon Parry geben. Ist das alles?«

»Ja, geht nun; allein empfehlet dem König wohl an, daß er keinen falschen Edelmut übe. Indes Ihr Euch schlaget, wenn es zum Kampfe kommt, so soll er entfliehen; ist einmal die Platte über seinem Kopfe wieder zugelegt, so wird man, ob Ihr nun tot oder lebendig auf dieser Platte seid, wenigstens zehn Minuten brauchen, um das Loch aufzufinden, durch das er entschlüpft ist. Mittlerweile werden wir ferne und der König gerettet sein.«

»Es soll geschehen, wie Ihr sagt, Athos. Gebt mir Eure Hand, denn vielleicht sehen wir uns niemals wieder.« Athos schlang seinen Arm um Aramis' Nacken und küßte ihn. »Das für Euch,« sprach er; »nun, wenn ich sterbe, so meldet d'Artagnan, daß ich ihn wie meinen Sohn liebe, und umarmt ihn an, meiner Statt. Umarmt auch unseren guten, wackeren Porthos. Lebt wohl!«

»Lebt wohl!« wiederholte Aramis. »Nun bin ich ebenso überzeugt, daß der König entkommen wird, wie ich überzeugt bin, daß ich die biederste Hand, die es auf der Welt gibt, halte und drücke.« Aramis verließ Athos, stieg dann gleichfalls von dem Schafott hinab, und indem er die Arie eines Liedes zum Lobe Cromwells pfiff, gelangte er zum Gasthause. Er traf seine zwei Freunde neben einem wohltätigen Feuer am Tische sitzend, wo sie eben eine Flasche Wein tranken und ein kaltes Huhn speisten. Porthos aß, indem er sich gegen jene Parlamentsmitglieder gewaltig ereiferte, d'Artagnan aß schweigend, brütete aber dabei über den verwegensten Plänen.

Aramis berichtete ihnen alles, was abgemacht wurde: d'Artagnan billigte es durch Kopfnicken, Porthos mit der Stimme. Aramis verzehrte schnell einen Bissen, trank ein Glas Wein und wechselte den Anzug. Dann sprach er: »Nun begebe ich mich zu Seiner Ehrwürden. Ihr tragt Sorge, die Waffen instand zu setzen, Porthos, und Ihr, d'Artagnan, bewacht Euren Scharfrichter gut.«

»Seid unbekümmert, Grimaud hat Mousqueton abgelöst und er hat über ihm den Fuß.«

»Gleichviel, verdoppelt Eure Wachsamkeit und bleibt keinen Augenblick lang untätig.«

»Untätig, mein Lieber?« rief Porthos. »Ich lebe nicht, ich bin unablässig auf den Füßen und gleiche einem Tänzer. Bei Gott! wie sehr liebe ich in diesem Augenblicke Frankreich, und wie gut ist es, ein Vaterland zu haben, wenn man sich so schlecht in einem anderen Lande befindet.« Aramis schied von ihnen, wie er von Athos geschieden war, indem er sie nämlich umarmte; sodann ging er zu dem Bischof Juxon, dem er seine Bitte vortrug. Juxon willigte um so leichter ein, Aramis mitzunehmen, als er schon vorausgesehen hatte, daß er für den gewissen Fall, wo der König das Abendmahl empfangen wollte, und vorzüglich für den wahrscheinlichen Fall, wo der König eine Messe zu hören wünschte, eines Gehilfen bedürfen würde.

Der Bischof stieg in derselben Kleidung, welche Aramis tags zuvor hatte, in den Wagen, und nach ihm stieg Aramis ein, der mehr noch durch seine Blässe und Traurigkeit, als durch seinen Anzug entstellt war. Der Wagen hielt ungefähr um neun Uhr morgens am Tore von White-Hall. Es schien sich da nichts verändert zu haben; die Vorgemächer und Plätze waren voll Wachen, wie tags vorher. Zwei Schildwachen standen an der Türe des Königs, zwei andere schritten auf dem Ballon hin und her, wo auf das Schafott bereits der Block gestellt war. Der König war der Hoffnung voll, und als er Aramis wiedersah, ging diese Hoffnung in Freude über. Er umarmte Juxon und drückte Aramis die Hand. Der Bischof sprach absichtlich laut und vor jedermann mit dem Könige über ihr Gespräch vom gestrigen Abend. Der König erwiderte: »Die Worte dieser Unterredung hätten bereits ihre Früchte getragen und er wünschte sich abermals solch eine Unterredung.« Juxon wandte sich zu den Anwesenden mit der Bitte, sie möchten ihn mit dem König allein lassen. Alle gingen hinaus. Als die Türe wieder geschlossen war, sprach Aramis schnelclass="underline" »Sire, Sie sind gerettet, der Scharfrichter von London ist verschwunden; sein Gehilfe hat gestern unter den Fenstern Ew. Majestät das Bein gebrochen; jener Schrei, den wir vernahmen war der seinige. Man ist das Verschwinden des Scharfrichters sicher schon gewahr geworden, doch gibt es keinen nähern Scharfrichter als in Bristol, es braucht Zeit, um ihn zu holen, und somit haben wir wenigstens Zeit bis morgen.«

»Allein der Graf de la Fere?« fragte der König. »Er ist zwei Fuß weit von Ihnen, Sire; nehmen Sie die Feuerzange und machen Sie drei Schläge, so werden Sie ihn antworten hören.« Der König nahm mit bebender Hand die Feuerzange und klopfte damit dreimal in gleichen Zwischenräumen. Allsogleich erschallten dumpfe und vorsichtige Stöße unter dem Fußboden und gaben Antwort auf das gegebene Zeichen. »Der mir da antwortet, ist also...?« »Es ist der Graf de la Fere, Sire,« entgegnete Aramis. »Er bereitet den Weg vor, durch den Ew. Majestät wird entschlüpfen können. Parry wird seinerseits die Marmorplatte emporheben und damit einen Durchgang öffnen.«

»Ich habe aber keine Werkzeuge,« bemerkte Parry. »Nehmt diesen Dolch hier,« versetzte Aramis; »nur gebt acht, daß Ihr ihn nicht allzusehr abstumpft, denn er könnte Euch wohl noch zu etwas anderem dienen, als den Stein hohl zu machen.«

»O Juxon!« sprach Karl zu dem Bischof gewendet, dessen beide Hände er ergriff, »o Juxon! achtet auf die Bitte desjenigen, der Euer König war.«

»Der es noch ist und der es immer sein wird,« erwiderte Juxon und küßte die Hand seines Fürsten. »Betet Euer Leben lang für diesen Edelmann hier, betet für den andern, welchen Ihr unter unseren Füßen hört und betet noch für zwei andere, von denen ich überzeugt bin, daß sie, wo sie auch sein mögen, für meine Rettung Sorge tragen.«

»Sire,« entgegnete Juxon, »Ihr Befehl wird vollzogen werden. Ich werde täglich, so lange ich lebe, für diese ergebenen Freunde Ew. Majestät zu Gott beten.« Athos fuhr noch eine Weile in seiner Arbeit fort, die man stets sich nähern fühlte. Auf einmal aber erschallte in der Galerie ein unvermutetes Getöse. Aramis ergriff die Feuerzange und gab das Zeichen zur Unterbrechung. Dieser Lärm drang näher; es war der von einer gewissen Anzahl gleicher und regelmäßiger Schritte. Die vier Männer verhielten sich unbeweglich und hefteten ihre Augen auf die Türe, welche langsam und auf eine feierliche Weise geöffnet wurde. Die Wachen hatten sich im Vorgemache des Königs zu beiden Seiten aufgestellt. Ein Kommissar des Parlaments, in schwarzem Anzuge und mit ernster Miene, die von böser Vorbedeutung war, trat ein, verneigte sich vor dem Könige, entrollte ein Pergament und las ihm das Urteil vor, wie man es Verurteilten zu tun pflegt, die das Schafott besteigen. »Was hat das zu bedeuten?« fragte Aramis den Bischof. Juxon machte ein Zeichen, womit er sagen wollte, er wisse in jeder Hinsicht ebensowenig wie er. »Gilt es also für heute?« fragte der König mit einer Gemütsbewegung, die nur für Juxon und Aramis bemerkbar war. »Sire,« antwortete der schwarzgekleidete Mann, »hat man Euch denn nicht benachrichtigt, daß es diesen Morgen vollzogen würde?«

»Und,« sprach der König, »ich soll wie ein gemeiner Missetäter durch die Hand des Scharfrichters von London fallen?«

»Sire,« erwiderte der Kommissar des Parlaments, »der Scharfrichter von London ist verschwunden; doch hat sich an seiner Statt ein Mann angeboten. Die Vollziehung des Urteils wird somit nur um die Zeit verzögert werden, die Ihr verlangt, um Eure geistlichen und zeitlichen Angelegenheiten in Ordnung zu bringen.« Ein leichter Schweiß, der an Karls Haarwurzeln perlte, war die einzige Spur der Gemütsbewegung, die sich auf die Ankündigung dieser Nachricht ergab. Doch Aramis wurde leichenblaß. Sein Herz pochte nicht mehr, er schloß die Augen und stützte seine Hand auf einen Tisch. Als Karl diesen tiefen Schmerz bemerkte, schien er den eigenen zu vergessen. Er trat zu ihm, faßte ihn an der Hand und umarmte ihn, indem er mit einem freundlichen und traurigen Lächeln sagte: »Seid gefaßt, o Freund, Mut!« Doch wandte er sich zu dem Kommissar und sprach: »Mein Herr, ich bin bereit. Ihr seht, ich verlange nur zwei Dinge, welche Euch, wie ich glaube, nicht sehr verspäten werden. Das erste ist, das Abendmahl zu nehmen; das zweite, meine Kinder zu umarmen und ihnen mein letztes Lebewohl zu sagen. Wird mir das verstattet sein?«