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»Ich sah nur einen grauen Bart, der unter der Larve hervortrat.«

»Er ist somit ein Mann von einem gewissen Alter?« fragte Athos.

»O, sprach d'Artagnan, »das hat nichts zu bedeuten. Nimmt man eine Larve vor, so kann man auch einen Bart anbringen.«

»Es tut mir leid,« bemerkte Porthos, »daß ich ihm nicht nachging.«

»Nun denn, lieber Porthos,« versetzte d'Artagnan, »eben dieser Gedanke war mir aufgestiegen.« Athos erriet alles und stand auf, indem er sagte:

»Vergib mir, d'Artagnan, ich habe an Gott gezweifelt und konnte wohl auch an dir zweifeln Vergib mir, o Freund!«

»Wir wollen das nachher sehen,« erwiderte d'Artagnan mit einem halben Lächeln.

»Nun?« fragte Aramis.

»Nun denn,« antwortete d'Artagnan, »während ich den vermummten Scharfrichter ansah, ist mir, wie gesagt, der Gedanke gekommen, zu erfahren, wer er denn sei. Da wir aber daran gewöhnt sind, uns einer durch den andern zu ergänzen und zu Hilfe zu rufen, wie man seine zweite Hand der ersten zu Hilfe ruft, so blickte ich unwillkürlich umher, um zu sehen, ob Porthos nicht da sei, denn ich habe Euch neben dem König erkannt, Aramis, und von Euch, Graf, gewußt, daß Ihr unter dem Schafott sein müßt. Darum vergebe ich Euch auch,« fügte er hinzu, Athos die Hand reichend, »denn Ihr müßt dort sehr viel ausgestanden haben. Ich blickte also um mich her, und bemerkte da zu meiner Rechten einen Kopf, der gespalten gewesen, und so gut es anging, mit schwarzem Taffet zusammengeflickt war. Bei Gott, dachte ich, das ist so eine Naht nach meiner Art, und ich glaube, diesen Schädel irgendwo zusammengeflickt zu haben. Es war wirklich jener unglückliche Schotte, Parrys Bruder, an dem sich, wie Ihr wißt, Herr Groslom erlustigt hat, seine Kräfte zu versuchen, und der nur noch einen halben Kopf hatte, als wir ihn antrafen; er gab einem andern Manne zu meiner Linken Zeichen; ich wandte mich, und erkannte den ehrlichen Grimaud, der gleich mir ganz beschäftigt war, den maskierten Scharfrichter mit den Augen zu verschlingen.

»O!« rief ich ihm zu; und da diese Silbe die Abkürzung ist, deren sich der Herr Graf an den Tagen bedient, wo er mit ihm spricht, so verstand Grimaud, daß er es sei, den man rufe, und wandte sich, wie von einer Feder bewegt; er erkannte mich gleichfalls. Da streckte er den Finger nach dem verwundeten Mann aus und sagte: »He!« womit er sagen wollte: »Haben Sie gesehen?«

»Bei Gott!« erwiderte ich. Wir hatten uns vollkommen verstanden. Ich wandte mich wieder zu unserm Schotten; dieser tat gleichfalls sprechende Blicke. Kurz, alles das, wie Ihr wißt, auf sehr traurige Weise geendet. Das Volk verlor sich, der Abend brach herein; ich zog mich mit Grimaud und mit dem Schotten, dem ich gewinkt hatte, zu bleiben, in eine Ecke des Platzes zurück, und betrachtete von dort aus den Scharfrichter, der in das königliche Zimmer zurückkehrte und die Kleider wechselte, da die seinigen sicher mit Blut bespritzt waren. Sodann setzte er seinen schwarzen Hut auf den Kopf, hüllte sich in den Mantel und verschwand. Ich erriet, er würde den Palast verlassen, und eilte, mich dem Tore gegenüber aufzustellen. Fünf Minuten danach sahen wir ihn wirklich die Treppe herabkommen.«

»Ihr seid ihm nachgegangen?« rief Athos.

»Beim Himmel!« rief d'Artagnan, »doch geschah es nicht ohne Mühe. Er wandte sich jeden Augenblick um, dann waren wir genötigt, uns zu verstecken oder gleichgültige Mienen zu machen. Ich hätte ihn wohl packen und töten können, allein ich bin nicht selbstsüchtig; ich sparte Euch diesen Leckerbissen auf, Aramis und Athos, um Euch ein bißchen zu trösten. Nachdem wir eine halbe Stunde lang durch die krummsten Straßen der City gegangen waren, kamen wir endlich zu einem kleinen, einsamen Hause, worin kein Geräusch und kein Licht die Anwesenheit eines Menschen kundgab.« Grimaud holte aus seinen weiten Hosen eine Pistole hervor. »He?« rief er, indem er sie mir zeigte.

»Nein,« sprach ich und hielt ihm den Arm zurück. Wie gesagt, hatte ich meine Absichten. Der vermummte Mann hielt vor einer niedrigen Hütte an, und nahm aus seiner Tasche einen Schlüssel hervor, doch ehe er ihn in das Schlüsselloch steckte, wandte er sich, um zu sehen, ob ihm niemand folge. Ich drängte mich hinter einen Baum und Grimaud hinter einen Eckstein. Der Schotte, der sich hinter keinem Gegenstande verstecken konnte, warf sich mit dem Bauche flach auf den Boden. Zweifelsohne wähnte der Mann, den wir verfolgten, er sei in der Tat allein, denn ich hörte den Schlüssel knarren, die Türe ging auf und er verschwand.«

»Der Ruchlose!« rief Aramis. »Indes Ihr nach Hause ginget, wird er entflohen sein, und wir können ihn nicht wieder treffen.«

»Geht doch, Aramis,« sprach d'Artagnan, »Ihr haltet mich für einen andern.«

»Jedoch in Eurer Abwesenheit ...« bemerkte Athos.

»Nun,« hatte ich denn nicht Grimaud und den Schotten, daß sie während meiner Abwesenheit meine Stelle vertraten? Ehe er noch im Hause zehn Schritte weit getan hatte, war ich schon rings um das Haus herumgegangen. An jene Türe, durch welche er eingetreten war, stellte ich meinen Schotten, und gab ihm zu verstehen, falls der Mann mit der schwarzen Maske zurückkehrte, so müßte er ihm nachfolgen, wohin er immer ginge, indes Grimaud ihm selbst folgen und zurückkehren würde, um uns dort, wo wir waren, zu erwarten: Hierauf stellte ich Grimaud an den zweiten Ausgang und empfahl ihm dasselbe; und nun bin ich hier. So ist das Wild umstellt, und wer mag nun das Halali sehen?« Athos stürzte sich in die Arme d'Artagnans, der sich die Stirn abtrocknete, und sprach zu ihm: »Freund, Ihr waret wirklich zu gut, daß Ihr mir verziehen; ich hatte unrecht, hundertmal unrecht, da ich Euch kennen sollte; allein es liegt in unserm Innern etwas Böses, das beständig zweifelt.«

»Hm,« bemerkte Porthos, »war der Scharfrichter nicht vielleicht gar Herr Cromwell, der das Werk selbst vollzog, um nur sicher zu sein, daß es gut vollzogen würde?«

»Ha doch. Her Cromwell ist groß und untersetzt, und jener war mager, schlank und mehr groß als klein.«

»So war es irgendein verurteilter Soldat, dem man für diesen Preis seine Begnadigung angetragen hat, wie man es für den unglücklichen Chalais getan hat,« versetzte Athos.

»Nein, nein,« rief d'Artagnan, »es war nicht der taktmäßige Gang eines Infanteristen und auch nicht der steife Schritt eines Kavalleristen. Unser Mann hat einen schmucken Fuß, einen vortrefflichen Gang. Entweder irre ich sehr, oder wir haben es mit einem Kavalier zu tun.«

»Eine hübsche Jagd,« sprach Porthos mit einem Gelächter, daß die Fensterscheiben sich schüttelten, »bei Gott, eine hübsche Jagd!«

»Wollet Ihr immer nach abreisen, Athos?« fragte d'Artagnan. »Nein, ich bleibe,« erwiderte der Graf mit einer bedrohlichen Gebärde, welche dem, an den sie gerichtet war, nichts Gutes versprach. »Nun, die Schwerter,« rief Aramis, »die Schwerter, laßt uns keinen Augenblick versäumen.«

Die vier Freunde kleideten sich schnell wieder als Kavaliere, gürteten sich die Schwerter um, riefen Mousqueton und Blaisois herauf, und befahlen ihnen, die Zeche mit dem Wirte zu berichtigen, und zur Abreise alles bereitzuhalten, da man London wahrscheinlich noch in dieser Nacht verlassen würde. Sofort gingen die vier Freunde, in ihre Mäntel gehüllt, über alle Plätze und durch alle Straßen der bei Tag so volkreichen und in dieser Nacht so verödeten City. D'Artagnan führte sie, und suchte von Zeit zu Zeit die Kreuze wiederzuerkennen, welche er mit seinem Dolche an den Mauern gemacht hatte, allein die Nacht war so finster, daß es große Mühe erforderte, diese Spuren wieder aufzufinden. D'Artagnan hatte aber seinem Gedächtnisse jeden Eckstein, jeden Brunnen, jedes Schild so gut eingeprägt, daß er nach Verlauf einer halben Stunde mit seinen drei Begleitern vor dem einsamen Hause ankam. D'Artagnan dachte einen Augenblick lang, Parrys Bruder wäre verschwunden, doch irrte er sich; der kräftige Schotte, an seine Eisberge gewöhnt, hatte sich gegen einen Eckstein hingestreckt, und wie eine von ihrem Fußgestelle herabgeworfene Statue hatte er sich, fühllos gegen die Rauheit der Jahreszeit, mit Schnee überdecken lassen; doch stand er auf, als die vier Männer sich näherten.