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»Seht,« sprach Athos, »da ist noch ein braver Diener. Bei Gott! die wackeren Leute sind nicht gar so selten, wie man glaubt. Das ermutigt.«

»Eilen wir nicht allzu sehr, unserm Schottländer Kränze zu winden,« versetzte d'Artagnan; »mich dünkt, der Schelm ist für seine eigene Rechnung hier. Ich hörte sagen, daß die Herren, welche jenseits des Tweed zur Welt kommen, gern Groll hegen. Meister Groslow mag auf seiner Hut sein, er könnte bei seiner Begegnung wohl eine schlimme Viertelstunde haben.«

Er trennte sich dann von seinen Freunden, näherte sich dem Schotten und gab sich zu erkennen. Darauf winkte er den andern, zu kommen.

»Nun?« fragte Athos auf englisch. »Es hat niemand das Haus verlassen,« antwortete Parrys Bruder. »Gut, bleibt bei diesem Manne, Porthos, und Ihr gleichfalls, Aramis. D'Artagnan wird mich zu Grimaud führen.«

Grimaud hatte sich ebenso bewegungslos wie der Schotte an eine hohle Mauer gelehnt, und sich daraus ein Schilderhaus gemacht. So wie d'Artagnan für den andern Wächter in Furcht geriet, so glaubte er einen Augenblick lang, der maskierte Mann habe das Haus verlassen, und Grimaud habe ihm nachgesetzt. Auf einmal erschien ein Kopf, und ließ ein leises Pfeifen vernehmen.

»Oh,« sprach Athos. »Ja,« antwortete Grimaud.

Sie näherten sich dem Weidenbaume.

»Nun, hat jemand das Haus verlassen?« fragte d'Artagnan. »Nein,« entgegnete Grimaud, »doch ist jemand hineingegangen.«

»Ein Mann oder eine Frau?« »Ein Mann.«

»Ah,« rief d'Artagnan, »so sind ihrer zwei.«

»Ich wollte, es wären ihrer vier,« sprach Athos, »dann würde sich wenigstens die Partie gleichstellen.«

»Vielleicht sind sie zu vier", erwiderte d'Artagnan. »Wieso?«

»Konnten denn vor ihnen nicht andere Männer im Hause gewesen sein und auf sie gewartet haben?«

»Man kann hineinblicken,« sagte Grimaud und deutete auf ein Fenster hin, durch dessen Balken einige Lichtstrahlen flimmerten.

»Das ist richtig,« rief d'Artagnan; »laßt uns die andern berufen.«

Sie gingen um das Haus herum, und gaben Porthos und Aramis einen Wink, zu kommen. Diese eilten sogleich herbei und fragten: «Habt Ihr etwas gesehen?«

»Nein, doch werden wir sehen,« entgegnete d'Artagnan, während er auf Grimaud zeigte, der, sich an die Mauergesimse anklammernd, bereits bis zu einer Höhe von fünf bis sechs Fuß über den Boden geklettert war. Alle vier näherten sich. Grimaud kletterte immer höher hinauf, mit der Gewandtheit einer Katze, endlich erreichte er einen Haken, der bestimmt schien, die offenstehenden Balken festzuhalten, zugleich fand sein Fuß ein Gesims, das ihm eine hinlängliche Stütze zu bieten schien; denn er deutete durch ein Zeichen an, daß er sein Ziel erreicht habe. Nun legte er sein Auge an die Ritze des Ballens.

»Nun?« fragte d'Artagnan.

Grimaud zeigte seine geschlossene Hand mit nur zwei offenen Fingern.

»Rede,« sprach Athos, »man sieht deine Zeichen nicht.« »Wieviel sind ihrer?« Grimaud tat sich Gewalt an und sagte: »Zwei; der eine steht mir gegenüber, der andere kehrt mir den Rücken.«

»Gut, und wer ist der, welcher dir gegenüber steht?«

»Jener Mann, den ich eintreten sah.«

»Kennst du ihn?«

»Ich glaube, ihn zu erkennen, und irre mich nicht; dick und untersetzt.«

»Wer ist das?« fragten zugleich alle vier Freunde mit leiser Stimme.

»Der General Oliver Cromwell.« Die vier Freunde blickten einander an. »Und der andere?« fragte Athos. »Mager und schlank.«

»Das ist der Scharfrichter,« riefen zugleich Aramis und d'Artagnan.

»Ich sehe nichts als seinen Rücken,« versetzte Grimaud; »doch halt, er macht eine Bewegung, er wendet sich; wenn er seine Larve weggelegt hat, so kann ich ihn sehen - ah! ...« Und als wäre Grimaud ins Herz getroffen worden, ließ er den eisernen Haken los, warf sich zurück und brach in dumpfes Stöhnen aus. Porthos hielt ihn in seinen Armen zurück. »Hast du ihn gesehen?« fragten die vier Freunde.

»Ja,« antwortete Grimaud mit gesträubten Haaren und schweißbedeckter Stirn«.

»Den magern und schlanken Mann?« fragte d'Artagnan.

»Ja!«

»Kurz, den Scharfrichter?« fragte Aramis.

»Ja.«

»Und wer ist er?« fragte Porthos.

»Er - er!« stammelte Grimaud, leichenfahl und mit seinen bebenden Händen die Hände seines Herrn ergreifend.

»Wer denn, er?« fragte Athos.

»Mordaunt!« - rief Grimaud.

D'Artagnan, Porthos und Aramis erhoben einen Ausruf der Freude. Athos wich einen Schritt zurück, fuhr mit der Hand über seine Stirn und murmelte: »Verhängnis!«

Das Haus Cromwells

Es war wirklich Mordaunt, dem d'Artagnan nachgegangen war, ohne daß er ihn erkannt hatte. Als er in das Haus trat, legte er seine Larve und den grauen Bart ab, deren er sich bedient hatte, um sich unkenntlich zu machen. Als er über eine Treppe hinaufgestiegen war, schloß er eine Türe auf und befand sich in einem von einer Lampe erhellten und mit einer dunkelfarbigen Tapete behangenen Zimmer einem Mann gegenüber, der von einem Schreibtische saß und schrieb. Dieser Mann war Cromwell. Wie man weiß, hatte Cromwell in London zwei bis drei jener Schlupfwinkel, die selbst seine gewöhnlichen Freunde nicht wußten, und deren Geheimnis er bloß seinen Vertrautesten mitteilte. Nun ließ sich aber Mordaunt, wie man sich erinnern wird, unter die Zahl dieser letzteren rechnen. Als er eintrat, richtete Cromwell den Kopf empor und sagte: »Ihr seid es, Mordaunt? Ihr kommt spät.«

»General,« entgegnete Mordaunt, »ich wollte die Zeremonie bis ans Ende sehen, und das hat mich verzögert.«

»Ah,« versetzte Cromwell, »ich habe Euch nie für so neugierig gehalten.«

»Ich bin stets neugierig, den Sturz eines der Feinde Eurer Herrlichkeit zu sehen, und der zuletzt Gestürzte war keineswegs unter die Zahl der Kleinsten zu rechnen. Doch Ihr, General, seid Ihr nicht in White-Hall gewesen?«

»Nein,« entgegnete Cromwell. Es trat ein kurzes Stillschweigen ein.

»Wisset Ihr hiervon die einzelnen Umstände?« fragte Mordaunt.

»Nein, ich bin seit diesem Morgen hier, und weiß nur, daß es ein Komplott gab, um den König zu retten.« »Ha, das wußtet Ihr?« fragte Mordaunt. »Da liegt nichts daran; vier Männer, als Handwerker gekleidet, wollten den König aus dem Gefängnis befreien und nach Greenwich führen, wo ihn ein Schiff erwartete.«

»Und obwohl Eure Herrlichkeit das alles wußte, so blieb sie doch fern von der City, ruhig und untätig?«

»Wenn jedoch das Komplott gelungen wäre?«

»Das hätte ich gewünscht.«

»Ich dachte mir. Eure Herrlichkeit betrachte den Tod Karls I. als ein Unglück, das für Englands Wohlfahrt erforderlich wäre.«

»Nun, dieser Ansicht bin ich noch immer,« versetzte Cromwell, »doch hätte er nur sterben sollen; es wäre vielleicht besser gewesen, wenn das nicht auf dem Schafott geschehen wäre.«

»Weshalb, Eure Herrlichkeit?« Cromwell lächelte. »Vergebt,« sagte Mordaunt, »allein Ihr wisset, ich bin noch ein Schüler in der Politik, und möchte unter allen Umständen die Lehren nützen, die mir mein Lehrer gefällig erteilen wird.«

»Weil es geheißen hätte: ich habe ihn aus Gerechtigkeit verurteilt und aus Erbarmen entfliehen lassen.«

»Wenn er aber wirklich entflohen wäre?«

»Unmöglich.«

»Unmöglich?«

»Ja, meine Vorsichtsmaßregeln waren getroffen.«

»Und kennt Eure Herrlichkeit die vier Männer, die es unternommen, den König zu retten?«

»Es sind jene vier Franzosen, wovon zwei die Königin Henriette an ihren Gemahl und zwei Mazarin an mich abgeschickt hat.«

»Und glaubt Ihr auch, General, Mazarin habe sie beauftragt, das zu tun, was sie getan haben?«