»Die einen und die anderen,« erwiderte Mordaunt. »Lieber Herr Mordaunt, ich muß Euch sagen, diese Herren erwidern Eure Gesinnungen, und wären gleichfalls entzückt, Euch zu töten. Ich möchte noch mehr sagen, daß sie Euch nämlich wahrscheinlich töten werden; auf jeden Fall wird aber das nach Art ehrbarer Edelleute geschehen, und hier ist der beste Beweis, den ich Euch geben kann.« Bei diesen Worten warf d'Artagnan seinen Hut auf den Teppich, rückte seinen Stuhl zurück gegen die Mauer und winkte seinen Freunden, dasselbe zu tun, und sich vor Mordaunt mit einer ganz französischen Höflichkeit verneigend, begann er wieder: «Zu Euren Diensten, mein Herr,
denn wenn Ihr nichts gegen die Ehre einzuwenden habt, die ich in Anspruch nehme, so will ich, wenn es gefällig ist, den Anfang machen. Mein Schwert ist zwar viel kürzer als das Eurige, doch wenn auch, ich hoffe, der Arm wird das Schwert ersetzen.«
»Halt!« rief Porthos hervortretend, »ich fange an, ich, ohne Wortmacherei.«
»Erlaubt, Porthos,« sprach Aramis. Athos blieb unbeweglich, man hätte ihn für eine Statue halten können, sogar sein Odem schien innezuhalten.
»Meine Herren, meine Herren!« rief d'Artagnan, »seid unbesorgt, Ihr werdet an die Reihe kommen. Blickt doch diesem Herrn in die Augen, und leset darin den seligen Haß, den wir ihm einflößen; seht, wie gewandt er die Klinge zog; bewundert, mit welcher Umsicht er rings herum sucht, ob ihm nicht etwas im Wege stände, das ihn verhindern würde, zurückzuweichen. Nun, beweiset Euch das alles nicht, daß Herr Mordaunt eine gute Klinge ist, und daß Ihr alsbald meine Stelle einnehmen werdet, wenn ich ihn anders gewähren lasse? Bleibt somit auf Eurem Platze, Athos, dessen Ruhe ich Euch nicht genug empfehlen kann, und überlaßt es mir, den Anfang zu machen, überdies,« fuhr er fort und schwang mit entsetzlicher Bewegung sein Schwert, »habe ich es mit dem Herrn persönlich zu tun und werde also beginnen. Ich fordere, ich will es!«
D'Artagnan hatte zum ersten Male dieses Wort ausgesprochen und seine Freunde angeredet. Bis dahin hatte er das bloß gedacht. Porthos trat zurück; Aramis nahm sein Schwert unter den Arm; Athos blieb unbeweglich im dunklen Winkel, worin er aber nicht ruhig saß, wie d'Artagnan sagte, sondern beklommen und schwer atmend. »Chevalier,« sprach d'Artagnan zu Aramis, »steckt Euer Schwert wieder in die Scheide, der Herr könnte Euch Absichten zumuten, die Ihr nicht habt.« Dann wandte er sich wieder zu Mordaunt und sagte: »Herr, ich erwarte Euch.«
»Und ich bewundere Euch, meine Herren. Ihr streitet Euch, wer anfangen soll, mit mir zu kämpfen, und Ihr fragt mich gar nicht über diese Sache, die mich doch ein bißchen angeht, wie ich glaube. Es ist wahr, ich hasse Euch alle, aber in verschiedenen Graden. Ich hoffe, Euch alle zu töten, doch habe ich mehr Aussicht, den Ersten zu töten, als den Zweiten, den Zweiten als den Dritten, und den Dritten als den Letzten. Somit nehme ich das Recht in Anspruch, mir den Gegner zu wählen. Verweigert Ihr mir dieses Recht, so tötet mich, ich will nicht kämpfen.« Die vier Freunde blickten sich an.
»Das ist richtig,« sprachen Porthos und Aramis, in der Hoffnung, die Wahl würde auf sie fallen. Dagegen sagten weder Athos noch d'Artagnan etwas, allein ihr Schweigen selbst war eine Einwilligung.
»Nun denn,« sprach Mordaunt, mitten unter diesem tiefen, feierlichen Stillschweigen, das in diesem geheimnisvollen Hause herrschte, «nun denn, ich erwähle zu meinem ersten Gegner denjenigen von Euch, welcher, da er sich nicht mehr für würdig hielt, den Namen Graf de la Fere zu führen, sich Athos nennen ließ.« Athos erhob sich von seinem Stuhle, als hätte ihn eine Feder emporgeschnellt; jedoch zur großen Verwunderung seiner Freunde sprach er nach einem Augenblick der Unbeweglichkeit und des Schweigens kopfschüttelnd:
»Herr Mordaunt! unter uns ist jeder Zweikampf unmöglich, erweiset einem andern die mir zugedachte Ehre.« Darauf setzte er sich wieder.
»Ha,« rief Mordaunt, »da ist schon einer, der Furcht hat.«
»Donner und Wetter!« rief d'Artagnan und sprang auf den jungen Mann zu, »wer sagte da, daß sich Athos fürchte?«
»O, laßt ihn reden, d'Artagnan,« versetzte Athos mit einem Lächeln voll Traurigkeit und Verachtung.
»Athos, ist das Euer Entschluß?« fragte der Gascogner.
»Unwiderruflich.«
»Gut, reden wir nicht mehr davon.« Dann wandte sich d'Artagnan und sprach: »Mein Herr, Ihr habt es gehört, der Graf de la Fere will Euch nicht die Ehre erweisen und sich mit Euch schlagen. Wählt einen von uns aus, der seine Stelle vertritt.«
»Wenn ich mich nicht mit ihm schlagen kann, so liegt mir wenig daran, mit wem ich mich schlage. Legt Eure Namen in den Hut und ich will mir einen durch das Los ziehen.«
»Die Idee ist gut,« versetzte d'Artagnan.
»Dieses Mittel gleicht wirklich alles aus,« bemerkte Aramis.
»Ich hätte nicht daran gedacht,« sprach Porthos, »und doch ist es ganz einfach.«
»Nun, Aramis,« rief d'Artagnan, »schreibt uns das mit jener hübschen, feinen Schrift, mit der Ihr an Marie Michon geschrieben, um ihr zu melden, die Mutter dieses Herrn wolle Mylord Buckingham umbringen lassen.«
Mordaunt ertrug diesen neuen Angriff mit Ruhe; er stand mit gekreuzten Armen und schien so gelassen, wie es ein Mensch unter solchen Umständen nur sein kann. War es nicht Mut, so war es wenigstens Stolz, der ihm sehr ähnlich ist. Aramis trat zu Cromwells Schreibtisch, riß Stücke Papier von gleicher Größe, schrieb auf das erste seinen eigenen Namen, und auf die andern die Namen seiner zwei Freunde, zeigte sie Mordaunt offen hin, welcher, ohne sie zu lesen, mit dem Kopfe nickte, und damit sagen wollte, er verlasse sich ganz auf ihn; dann rollte er sie zusammen, warf sie in einen Hut und hielt sie dem jungen Manne hin. Dieser griff mit der Hand hinein, nahm eines der drei Papiere hervor, und ließ es, ohne es zu lesen, verächtlich auf den Tisch fallen. »Ah, Schlangenbrut!« knirschte d'Artagnan, »ich würde alle meine Aussichten auf den Rang eines Kapitäns dafür hingeben, wenn auf diesem Zettel mein Name stände.« Aramis rollte das Papier auf; doch welche Ruhe und welche Kälte er auch heuchelte, man fühlte, daß ihm die Stimme vor Haß und vor Verlangen bebte. »D'Artagnan!« las er mit lauter Stimme. D'Artagnan erhob ein Freudengeschrei und sagte:
»Ha doch, es gibt also eine Gerechtigkeit im Himmel!« Dann wandte er sich zu Mordaunt und sprach: »Mein Herr, ich hoffe, Ihr habt keinen Einspruch zu tun.«
»Ganz und gar nicht, mein Herr,« entgegnete Mordaunt, zog nun gleichfalls sein Schwert und stützte dessen Spitze auf seinen Stiefel.
Von dem Momente an, wo d'Aritagnan versichert war, daß sein Wunsch erhört sei und daß ihm sein Mann nicht mehr entgehen würde, nahm er seine ganze Bedächtigkeit, seine ganze Ruhe und sogar die Langsamkeit wieder an, mit der er die Vorbereitungen zu einer ernsten Sache, Zweikampf genannt, zu machen gewohnt war. Er schlug vorsichtig seine Manschetten zurück, rieb die Sohle seines rechten Fußes auf dem Boden, und bemerkte dabei, daß Mordaunt zum zweitenmal den seltsamen Blick um sich warf, den er schon einmal im Vorbeigleiten aufgehascht hatte.
»Mein Herr,« sprach er endlich, »seid Ihr bereit?«
»Ich warte auf Euch, mein Herr,« entgegnete Mordaunt, indem er d'Artagnan mit einem Blicke anstarrte, dessen Ausdruck sich unmöglich wiedergeben ließ.
«Nun, so gebt acht, mein Herr,« sprach der Gascogner, »denn ich führe das Schwert so ziemlich gut.«
»Ich gleichfalls,« versetzte Mordaunt.
»Desto besser, das beschwichtigt mein Gewissen. Legt aus!«
»Einen Augenblick,« sprach der junge Mann; »gibt mir Euer Wort, meine Herren, daß Ihr mich nur einer nach dem andern angreifen werdet.«
»Damit du das Vergnügen hast, uns zu beleidigen, fragst du, uns deshalb, kleine Schlange?« rief Porthos.