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Leben heißt Strümpfe häkeln, nach fremden Vorgaben. Dabei aber sind die Gedanken frei, und alle verzauberten Prinzen können sich in ihren Gärten ergehen, zwischen den Maschen, die der Widerhaken der Elfenbeinnadel eine um die andere aufnimmt. Häkelwerk der Dinge … Zwischenräume … Nichts …

Was, im übrigen, kann ich von mir erwarten? Eine erschreckende Schärfe meiner Wahrnehmungen und das deutliche Bewußtsein zu fühlen … Einen scharfen Verstand, der mich zerstört, und eine Fähigkeit zu träumen, die nichts als ein Ablenken ist … Einen erloschenen Willen und eine Überlegung, die ihn einwiegt, als wäre er ein lebendiges Kind … Ja, Häkelwerk …

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Die Erbärmlichkeit meiner Verfassung wird nicht geringer durch diese Worte, mit denen ich Satz um Satz das Zufallsbuch meines Nachsinnens gestalte. Nichtig bestehe ich fort auf dem Grund jedes Ausdrucks wie unlösliches Pulver auf dem Grund eines Glases, aus dem man nur Wasser getrunken hat. Ich schreibe meine Literatur wie ich Buch führe – sorgfältig und gleichgültig. Angesichts des weiten Sternenhimmels und des Rätsels vieler Seelen, der Nacht des unbekannten Abgrunds und des chaotischen Nichtverstehens – angesichts all dessen sind meine Eintragungen in das kleine Kassenbuch und das, was ich auf dieses Seelenpapier schreibe, gleichermaßen auf die Rua dos Douradores beschränkte Dinge und winzig im Vergleich zu den großen, millionenfach im Universum vorhandenen Räumen.

All dies ist Traum und Blendwerk, und es hilft wenig, den Traum als Eintrag oder lohnende Prosa zu verstehen. Warum sollte es nützlicher sein, von Prinzessinnen zu träumen als von der Tür zum Büro? Alles, was wir wissen, ist unsere Wahrnehmung, und alles, was wir sind, ist eine uns fremde Wahrnehmung, ein Melodram, in dem wir durch unsere Empfindung Darsteller, Zuschauer, ja unsere eigenen Götter sind, mit Bewilligung des Stadtrats.

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Selbst wenn wir wissen, daß ein nie zustande kommendes Werk schlecht sein wird, ein nie begonnenes ist noch schlechter! Ein zustande gekommenes Werk ist zumindest entstanden. Kein Meisterwerk vielleicht, aber es existiert, wenn auch kümmerlich wie die Pflanze im einzigen Blumentopf meiner gebrechlichen Nachbarin. Diese Pflanze ist ihre Freude, und hin und wieder auch die meine. Was ich schreibe und als schlecht erkenne, kann dennoch die eine oder andere verwundete, traurige Seele für Augenblicke noch Schlechteres vergessen lassen. Ob es mir nun genügt oder nicht, es nützt auf irgendeine Art, und so ist das ganze Leben.

Überdruß, der nichts anderes bewirkt als das Vorgefühl noch größeren Überdrusses; die Qual schon der morgigen Qual, sich heute gequält zu haben – wie wirr, ohne Nutzen noch Wahrheit, wie wirr …

… wo, zusammengekauert auf der Bank einer Eisenbahnstation, meine Verachtung im Mantel meiner Mutlosigkeit schläft …

… die Welt der Traumbilder, aus denen sich mein Wissen und mein Leben gleichermaßen zusammensetzen …

Weder lastet auf mir der Zweifel dieser Stunde, noch hält er sich in mir. Ich verspüre Hunger nach der Ausdehnung der Zeit, möchte bedingungslos ich sein.

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Schritt für Schritt habe ich jene innere Landschaft erobert, die von Geburt an die meine war. Stück für Stück habe ich dem Sumpf abgefordert, in dem ich hilflos festhing. Ich habe mein unendliches Sein geboren, mich mit Zangen mir selbst entrissen.

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Ich träume zwischen Cascais und Lissabon. Ich bin nach Cascais gefahren, um für Chef Vasques die Steuer auf ein Haus zu bezahlen, das er in Estoril besitzt. Im voraus genoß ich das Vergnügen, unterwegs zu sein: eine Stunde hin, eine Stunde zurück, und unterdessen der immer wechselnde Anblick des großen Flusses und seiner Mündung in den Atlantik. In Wirklichkeit aber verlor ich mich auf der Hinfahrt in abstrakte Betrachtungen und sah, ohne zu sehen, die Wasserlandschaften, auf die ich mich gefreut hatte, und jetzt, auf der Rückfahrt, verliere ich mich mit dem Festhalten dieser Empfindungen. Ich wäre nicht imstande, auch nur das kleinste Detail dieser Reise, die kleinste sichtbare Wegstrecke zu beschreiben. Diese Zeilen sind mir dank des Vergessens und des Widerspruchs gelungen. Ich weiß nicht, ob dies besser oder schlechter ist als das Gegenteil, von dem ich ebensowenig weiß, was es ist.

Der Zug wird langsamer, fährt ein in den Bahnhof Cais do Sodré. Ich bin in Lissabon angekommen, doch zu keinem abschließenden Gedanken.

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Vielleicht ist es an der Zeit, und ich sollte die einmalige Anstrengung unternehmen und mein Leben betrachten. Ich sehe mich inmitten einer unermeßlichen Wüste. Ich rede von dem, was ich gestern, literarisch gesprochen, war und versuche mir zu erklären, wie ich dahin gekommen bin.

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Gelassen und mit nicht mehr als einem Lächeln in der Seele betrachte ich mein Leben, für immer auf diese Rua dos Douradores begrenzt, auf dieses Büro, dieses Milieu, diese Menschen. Ein Einkommen, das mir Essen und Trinken sichert, eine Behausung verschafft und einen geringen Spielraum in der Zeit, um zu träumen, zu schreiben und – zu schlafen, was könnte ich mehr von den Göttern erbitten oder vom Schicksal erwarten?

Ich hatte ehrgeizige Pläne und hochtrabende Träume – doch die hatten auch der Dienstmann oder die Näherin, denn Träume hegen alle Leute: was uns unterscheidet, ist die Kraft, sie zu verwirklichen, oder das Schicksal, das sie für uns verwirklicht.

In Träumen bin ich dem Dienstmann und der Näherin gleich. Von ihnen unterscheidet mich nur, daß ich schreiben kann. Ja, das ist ein Akt, eine mir eigene Wirklichkeit, die mich von ihnen unterscheidet. In der Seele bin ich ihresgleichen.

Ich weiß wohl, es gibt Inseln im Süden und große kosmopolitische Leidenschaften, und […]

Hätte ich die Welt in der Hand, tauschte ich sie, dessen bin ich sicher, gegen eine Fahrkarte zur Rua dos Douradores ein.

Vielleicht ist es mein Schicksal, ewig Buchhalter zu bleiben, und Dichtung und Literatur sind nur ein Schmetterling, der sich auf meinen Kopf niedersetzt und mich um so lächerlicher erscheinen läßt, je größer seine Schönheit ist.

Ich werde Sehnsucht nach Herrn Moreira verspüren, aber was sind Sehnsüchte angesichts großer Beförderungen?

Ich weiß genau, daß der Tag, an dem ich oberster Buchhalter des Hauses Vasques & Co. werde, einer der großen Tage meines Lebens sein wird. Ich weiß es mit einem bitteren, ironischen Vorgefühl, doch auch mit dem geistigen Vorzug der Gewißheit.

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In der Sandbucht am Meer, inmitten der nahen Wälder und Wiesen, stieg aus der Ungewißheit des nichtigen Abgrunds die Unbeständigkeit brennenden Verlangens auf. Man müßte dort nicht wählen zwischen den Weizenfeldern und den vielen [sic], und die Entfernung setzte sich fort zwischen den Zypressen.

Der Zauber vereinzelter oder durch Gleichklang verbundener Wörter, mit inneren Resonanzen und voneinander abweichenden und zugleich übereinstimmenden Bedeutungen, der Glanz von Sätzen, eingebunden in die Bedeutungen anderer Sätze, Bosheit der Spuren, Hoffnung der Wälder und die Stille der Teiche, nichts sonst, auf den Gütern der Kindheit meiner Ausflüchte … So, zwischen den hohen Mauern der absurden Kühnheit, zwischen den Baumreihen und dem Schrecken über Vergehendes, würde ein anderer als ich traurige Lippen gestehen hören, was sie drängenderen verweigern. Nie mehr, auch wenn die Ritter zurückkämen auf der Straße, die man von der Mauerkrone aus sah, würde Ruhe einkehren in den Herrensitz der Allerletzten, mit seinem lanzenklirrenden, unsichtbaren Hof, noch würde man sich eines anderen Namens erinnern auf dieser Seite der Straße, bis auf den einen, den der Maurin aus dem Märchen, die des Abends das Kind, das später starb, mit Lebendigem und Wundersamem bezauberte.