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Die als fiktive Hauptfiguren aufgelisteten Charaktere sind frei erfunden. Das Gleiche gilt für die Handlung des Romans. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

REALE HAUPTFIGUREN

Adolf Eichmann (1906–1962), SS-Obersturmbannführer und Organisator der sogenannten ›Endlösung der Judenfrage‹

Zvi Aharoni, Rafi Eitan, Zvi Malchin und Zeev Keren, Agenten des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad

Shalom Nagar, Henker im Gefängnis von Ramla/Israel

FIKTIVE HAUPTFIGUREN

(in der Reihenfolge des Erscheinens)

Theodor Morell, Boulevardreporter

Luise Nettelbeck, Sekretärin beim BND

Tom Sydow, Kriminalhauptkommissar

Lea Sydow, RIAS-Redakteurin und Sydows Frau

Abigail Wentworth, Sydows Mutter

Eduard Krokowski, Kriminalkommissar und Sydows Assistent

Waldemar Naujocks, Leiter der Spurensicherung

Helene Mertens, Eichmanns Geliebte

Heribert Peters, Gerichtsmediziner

Her hair is Harlow gold

Her lips sweet surprise

Her hands are never cold

She’s got Bette Davis eyes.

(Kim Carnes, Bette Davis Eyes, 1981)

›Viele der Israelis, die schon vor dem Weltkrieg ins Land gekommen oder hier sogar geboren waren, neigten dazu, den Opfern des Holocausts mit Hochmut zu begegnen, da sie diese mit der allgemein verachteten jüdischen Existenz im »Exil« identifizierten, dem absoluten Gegenstück zum Leben des »neuen Hebräers«, den sie im Lande Israel, im Geiste der zionistischen Vision, zu erschaffen strebten. Es war allgemein üblich, die Holocaust-Opfer dafür zu verurteilen, dass sie nicht früher schon nach Israel emigriert waren, anstatt in ihren Herkunftsländern zu verharren und untätig darauf zu warten, dass man sie ermordete. Auch verachtete man sie für ihre angebliche Schwäche, da die meisten von ihnen nicht gegen die Nationalsozialisten gekämpft hatten, sondern in den Tod gegangen waren, wie, so das geflügelte Wort jener Tage, »Vieh zur Schlachtbank«. Viele der Holocaust-Opfer fanden in Israel kein Gehör, kein Mitleid und keine Bereitschaft zuzuhören; oftmals schenkte man ihnen keinen Glauben, wenn sie über ihr Schicksal erzählten.‹

(Aus: Tom Segev, Simon Wiesenthal. Die Biographie, München 2010, S. 13)

Prolog

(Buenos Aires, Mittwoch, 11. Mai 1960)

1

Buenos Aires/Argentinien, Stadtteil San Fernando, Garibaldistraße 14 │ 19:55 h

Kurz vor acht. Und von Klement keine Spur.

Zvi Aharoni, Agent des israelischen Geheimdienstes Mossad[1], unterdrückte einen Fluch und ließ das Haus mit der Nummer 14 nicht aus den Augen. Keine Stimmen, kein Geräusch, keine Schritte. Der eingezäunte Flachbau aus unverputzten Ziegelsteinen wirkte trostlos und verlassen. Doch Hermann Aronheim alias Zvi Aharoni, 1921 in Frankfurt an der Oder geborener Sohn eines wohlhabenden Anwalts, wusste es besser. Das Haus in der Garibaldistraße stand nicht leer. Es diente als Versteck. Als Versteck eines Mannes, auf dessen Fährte er war. Ein Mann, der zu den meistgesuchten Verbrechern seiner Zeit zählte.

Einsatz beenden? Kein Gedanke daran. Nicht jetzt, nach monatelangen Ermittlungen, Recherchen und bis ins Detail geplanten Operationen, bei denen nichts dem Zufall überlassen worden war. Und das alles auf dem Boden eines souveränen Staates, dessen Behörden, allen voran die Polizei, keinen blassen Schimmer davon besaßen. Riskanter, um nicht zu sagen wahnwitziger, ging es wirklich nicht. Nur ein winziger Fehler, nur ein einziges unbedachtes Wort, nur eine einzige, zum falschen Zeitpunkt stattfindende Ausweiskontrolle – und er, Zvi Aharoni, wäre geliefert. Und mit ihm ein knappes Dutzend Agenten, die Teil der geplanten Kommandoaktion waren.

Acht Uhr. Auf die Minute genau. Um sich abzulenken, warf Aharoni einen Blick hinüber zur Haltestelle, an der, so hoffte er, das Objekt seiner Bemühungen demnächst aus dem Bus steigen würde. Fehlanzeige. Alles, aber auch alles schien sich gegen ihn und die drei Agenten, mit denen er hier Position bezogen hatte, verschworen zu haben.

Rückzug oder alles auf ein Karte setzen, Risiko oder auf Nummer sicher gehen? Genau das war momentan die Frage. Die Chancen standen fifty-fifty, das Unternehmen auf Messers Schneide. Aharoni rutschte nervös hin und her. Und was, wenn es fehlschlagen würde? So schnell würde die Gelegenheit, den Buchhalter des Todes zu fassen, nicht wiederkommen. Wer weiß, am Ende hatte die argentinische Polizei vielleicht Lunte gerochen. In einem Land, wo es von Nazi-Größen wimmelte, war auf nichts und niemanden Verlass. Leute wie Mengele[2], Roschmann[3] und Schwammberger[4] konnten sich hier frei bewegen. Verfügten über ausgezeichnete Verbindungen, bis in den Präsidentenpalast. Oder bis in die deutsche Botschaft. Und wer, fragte er sich, garantiert mir, dass unsere Tarnung hält? Kein Mensch. An Kleinigkeiten, das wusste er nur zu gut, waren schon ganz andere gescheitert als er. In der Hauptsache am Faktor Zufall. Ein brandgefährlicher, wenn nicht gar der Widersacher überhaupt.

Dennoch: Aufgeben kam nicht infrage.

Das waren er, Zvi Malchin, Zeev Keren und Rafi Eitan, der auf dem Rücksitz der Limousine kauerte, ihrem Volk schuldig. Ihrem Volk und den Millionen Toten, die der Biedermann, hinter dem sie her waren, auf dem Gewissen hatte.

»Wird allmählich Zeit!«, murmelte Aharoni, eher an die eigene als an die Adresse seines Vorgesetzten gerichtet, dem die Leitung der Operation übertragen worden war. »Was machen wir eigentlich, wenn er nicht …«

»Er wird kommen!«, knirschte Rafi Eitan, geboren in einem Kibbuz und fünf Jahre jünger als der mit 17 nach Palästina emigrierte deutsche Gymnasiast, »warte!«.

Aharoni nickte, nahm die Bushaltestelle erneut ins Visier – und war plötzlich hellwach. »Da drüben!«, stieß er hervor, tastete nach dem Zündschlüssel und ließ den Mann, der dem Bus der Linie 23 entstieg, nicht aus den Augen. »Zielperson im Anmarsch!«

Zvi Aharoni, Fahrer, Personenfahnder und Verhörspezialist in einer Person, zwang sich zur Ruhe. Von nun an war er zum Zusehen verdammt. Keren und Malchin waren an der Reihe. Die waren kräftiger als er. Laut Plan würde Letzterer, am linken Kotflügel über die geöffnete Kühlerhaube gebeugt, so tun, als versuche er eine Panne zu beheben. Keren, durch die Kühlerhaube verdeckt, befand sich ebenfalls in Wartestellung. Beim Herannahen von Klement, so der Plan, würde sich Malchin aufrichten, ihn ansprechen, packen, auf den Rücksitz bugsiern und zusammen mit Eitan in Schach halten. Und er, Aharoni, würde Vollgas geben. Und zusehen, dass ihnen niemand folgte.

Falls Klement, nur noch 80 Meter von der startbereiten Limousine entfernt, keinen Verdacht schöpfte. Und falls ihnen der Zufall keinen Strich durch die Rechnung machte.

Doch dem schien nicht so. Alles lief nach Plan. Das zweite, unweit der Einmündung in die Garibaldistraße geparkte Einsatzfahrzeug schaltete das Fernlicht an. Klement reagierte nicht darauf, setzte seinen Weg unbeirrt fort. Aharonis Atem ging rascher. 20, maximal 30  Sekunden. Dann war es so weit.

Und was, wenn es sich um eine Verwechslung handelte? Um ganz sicher zu sein, nahm der Mossad-Agent sein Fernglas zur Hand und richtete es auf den Mann, der im selben Moment die Staatsstraße 202 überquerte. Im gleißenden Licht, gegen das er sich mit erhobener Hand abschirmte, konnte ihn Aharoni jetzt ganz deutlich sehen. Mittelgroß, Mitte 50, leicht vornübergebeugter Gang. Hornbrille, hager, dünnes Haar, sehr hohe Stirn. Kein Zweifel. Es war sein Mann.