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Baine Bluthuf blickte sich unsicher um, als er und seine kleine Gruppe die Stadt Orgrimmar betraten. Als einziges Kind von Cairne, dem zu Lebzeiten innig geliebten und nun im Tod tief betrauerten Oberhäuptling der Tauren, hatte Baine die Stellung eingenommen, die sein Vater so viele Jahre innegehabt hatte. Es war eine Verantwortung, nach der er eigentlich nie wirklich gestrebt hatte, und er war zu gleichen Teilen von Demut und Bedauern erfüllt gewesen, als er sie schließlich angenommen hatte. Das war noch gar nicht so lange her, und doch hatte sich die Welt in der kurzen Zeit, die seither vergangen war, in scheinbar jeder Hinsicht verändert.

Seine persönliche Welt war in der Nacht zerschmettert worden, als sein Vater in einem Mak’gora, einem rituellen Duell, getötet worden war. Cairne war gegen Garrosh Höllschrei angetreten, der erst vor Kurzem von Thrall zum neuen Kriegshäuptling der Horde ernannt worden war. Eigentlich hatte er vorgehabt, ehrenhaft zu kämpfen, doch jemand anders hatte etwas dagegen gehabt: Magatha Grimmtotem, eine Schamanin, die lange einen Hass gegen Cairne gehegt hatte und danach strebte, die Tauren anzuführen. Sie hatte die Klinge von Garroshs Axt Blutschrei nicht mit Salböl, sondern mit Gift bestrichen. Dieser Betrug hatte den edlen Cairne das Leben gekostet.

Garrosh hatte sich aus dem Konflikt herausgehalten, der im Anschluss an diese Ereignisse ausgebrochen war, als Magatha die Führung der Tauren unverfroren für sich in Anspruch gennommen hatte. Baine hatte die Möchtegern-Thronräuberin besiegt und sie verdammt, gemeinsam mit allen anderen, die sich weigerten, ihm loyal zu folgen. Anschließend hatte er selbst dem Kriegshäuptling der Orcs die Treue geschworen, und zwar aus zweierlei Gründen – erstens, weil sein Vater es so gewollt hätte, und zweitens, weil er wusste, dass er nur auf diese Weise sein Volk beschützen konnte.

Seitdem war Baine Bluthuf nicht mehr nach Orgrimmar gekommen. Er hatte niemals das Verlangen danach gespürt, und jetzt, da er hier war, wünschte er sich noch mehr, dass er diesem Ort für immer hätte fernbleiben können.

Doch Garrosh hatte die Anführer der verschiedenen Rassen vorgeladen, und da er Grom Höllschreis Sohn nun einmal seine Unterstützung zugesichert hatte, war Baine dieser Einladung nachgekommen, ebenso wie all die anderen auch. Sich Garroshs Wunsch zu widersetzen, hätte einen offenen Krieg bedeuten können.

Baine und sein Gefolge ritten auf ihren Kodos durch die schweren Stadttore, und mehr als einer der Tauren blickte dabei mit nervös zuckenden Ohren zu dem hoch aufragenden Gerüst und dem gewaltigen Kran empor, der über ihnen von einer Seite auf die andere schwang. Orgrimmar war nie so ländlich und idyllisch gewesen wie Donnerfels, aber nun wirkte es durch und durch martialisch. Riesige Eisenkonstruktionen, schwer und schwarz und unheilvoll, hatten die einfachen Holzhütten ersetzt, angeblich, um „einen weiteren Brand zu verhindern“, wie Garrosh gesagt hatte. Baine wusste aber, dass es Höllschrei ebenso darum ging, Erinnerungen an die alten Hochzeiten der Horde zu erwecken. Jeder sollte wissen, dass man die Orcs, und infolgedessen die gesamte Horde, ernst nehmen musste – auch nach dem Chaos des Kataklysmus und der folgenden Schreckensherrschaft von Todesschwinge. In Baines Augen drückten diese hässlichen Veränderungen aber keinesfalls Stärke aus, vielmehr stellte das „neue Orgrimmar“ für ihn ein Sinnbild der Dominanz, der Eroberung, der Unterdrückung dar. Das harte, gezackte Metall, das hier allgegenwärtig schien, war eine Bedrohung, kein Schutz. Er fühlte sich jedenfalls alles andere als sicher an diesem Ort, und er glaubte, dass es jedem anderen Wesen, das kein Orc war, ebenso ergehen musste.

Garrosh hatte sogar die Festung Grommash aus dem Tal der Weisheit, wo sie seit der Gründung der Stadt unter Thralls Herrschaft gestanden hatte, ins Tal der Stärke versetzen lassen – eine Entscheidung, die, wie Baine fand, viel über das Wesen des Kriegshäuptlings verriet. Als sich die Tauren der Festung näherten, schloss sich ihnen in ihrem roten und goldenen Ornat eine Gruppe von Blutelfen an. Lor’themar Theron, der seine lange hellblonde Mähne zu einem Haarknoten nach oben gebunden hatte und sein Kinn mit einem kleinen Streifen Bart schmückte, blickte zu Baine hinüber und nickte ihm gelassen zu. Bluthuf erwiderte die Geste.

„Baine, mein Freund!“, rief da plötzlich eine ölige, fröhliche Stimme. Baines Kopf ruckte nach rechts herum, dann nach unten. Ein verschlagen wirkender, fettbäuchiger Goblin mit einem leicht lädierten Zylinder auf dem Kopf winkte ihm gutgelaunt zu, während er auf seiner Zigarre herumkaute.

„Du musst Handelsprinz Jastor Gallywix sein“, sagte Baine.

„Der bin ich, in der Tat, der bin ich“, erwiderte der Goblin enthusiastisch und schenkte ihm ein zähnestarrendes, leicht raubtierhaftes Grinsen. „Und ich bin genauso erfreut, heute hier sein zu dürfen, wie du es sicher auch bist. Mein erster offizieller Besuch an Kriegshäuptling Garroshs Hofe!“

„Ich weiß nicht, ob ich es einen Hof nennen würde“, erwiderte Baine.

„Ah, wollen wir mal nicht so kleinlich sein. Ich bin trotzdem erfreut, ja. Wie geht es euch denn so, drüben in Mulgore?“

Baine musterte Gallywix. Es war keineswegs so, dass er prinzipiell etwas gegen Goblins hatte; um die Wahrheit zu sagen, stand er sogar tief in der Schuld von Gazlowe, dem Goblin-Herrscher über die Hafenstadt Ratschet. Als Magatha nämlich Donnerfels angegriffen hatte, hatte Gazlowe Baine seine Zeppeline, Waffen und Krieger für einen (nach Goblin-Standards) wirklich großzügigen Preis zur Verfügung gestellt. Diese Unterstützung war für Bluthuf von unschätzbarem Wert gewesen. Nein, Baine hatte nichts gegen Goblins im Allgemeinen, nur gegen diesen einen Goblin. Falls es stimmte, was seine Kundschafter ihm erzählten, gab es aber niemanden, der Gallywix leiden konnte, nicht einmal seine eigenen Leute.

„Wir bauen unsere Hauptstadt wieder auf und treiben die Stacheleber zurück, die in unser Territorium drängen. Die Allianz hat erst vor Kurzem Camp Taurajo zerstört, und wir haben ein großes Tor errichtet, damit sie nicht weiter vordringen können.“

„Oh, tja, das tut mir leid. Und Glückwunsch!“ Gallywix lachte. „Und viel Glück mit alldem, hm?“

„Äh … danke“, sagte Baine. Trotz ihrer geringen Größe schlängelten sich die Goblins durch den Strom der anderen Horderassen, um als Erste die Festung Grommash zu betreten. Baine zuckte mit dem Ohr, dann seufzte er und stieg von seinem Kodo. Nachdem er einem wartenden Orc die Zügel in die Hand gedrückt hatte, stapfte anschließend auch er selbst durch den Eingang der Festung.

Diese Inkarnation von Grommash war, wie alles andere im „neuen“ Orgrimmar auch, weniger persönlich und dafür deutlich kriegerischer – bis hin zum Thron des Horden-Kriegshäuptlings. Unter Thralls Herrschaft waren der Schädel und die Rüstung des Dämons Mannoroth, dessen Blut einst die Orcs verdorben hatte, und der auf heldenhafte Weise von Grom Höllschrei besiegt worden war – auf einem gewaltigen Baumstumpf am Eingang der Feste ausgestellt gewesen, als Symbol seines größten Triumphes. Aber Garrosh hatte sie von dort entfernt, um seinen eigenen Thron damit zu schmücken. Was Thrall für die gesamte Horde zugänglich gemacht hatte, war durch ihn zu einem persönlichen Tribut geworden. Er trug sogar zwei Hauer des Dämons als Schulterpanzer. Jedes Mal, wenn Baine den neuen Kriegshäuptling sah, sackten seine Ohren angesichts dieses Affronts herab.

„Baine“, rief eine raue Stimme, und als sich der Taure umdrehte, stieg zum ersten Mal, seit er Donnerfels verlassen hatte, eine Woge der Freude in ihm hoch.

„Etrigg“, sagte er in freundschaftlichem Ton und umarmte den alten Orc. Es schien, als wäre dieser ehrenhafte Veteran das letzte Mitglied von Thralls ursprünglichem Beraterstab, das noch übrig geblieben war. Er hatte Thrall gut und loyal gedient, und auf seinen Wunsch hin war er in Orgrimmar geblieben, um Garrosh mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Dass der neue Kriegshäuptling noch keine Intrige gesponnen hatte, um den alten Orc aus dem Weg zu räumen, ließ Baine hoffen. Etrigg war es gewesen, der als Erster das Gift an Garroshs Waffe, Blutschrei, entdeckt hatte, und ebenso war er es gewesen, der dem jungen Kriegshäuptling erklärt hatte, dass man ihn benutzt hatte, um Cairne auf unehrenhafte Weise zu ermorden. Baine hatte Etrigg schon immer respektiert, aber durch diese Tat hatte sich der Orc seine ewige Freundschaft verdient.