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Baine kniff die braunen Augen zusammen, als ihm der Ausdruck auf Etriggs Gesicht auffiel. Er versuchte, möglichst leise zu sprechen – keine leichte Aufgabe für einen Tauren – und fragte: „Ihr seid nicht glücklich über das Thema der heutigen Zusammenkunft, nicht wahr?“

Etrigg schnitt eine säuerliche Grimasse. „Das ist noch eine Untertreibung. Und ich bin nicht mal der Einzige, der so denkt.“ Er klopfte dem jungen Anführer der Tauren auf den Arm, dann trat er zurück und bedeutete Baine, sich zum traditionellen Platz seines Volkes zu begeben, links vom Thron des Kriegshäuptlings. Zumindest hatte Garrosh nicht versucht, die Tauren von ihrem Platz zu verbannen. Baine fiel aber auf, dass Lor’themar nun auf der rechten Seite des Thrones saß, und neben der rot-goldenen Pracht der Blutelfen leuchtete die grüne Haut der Goblins. Sylvanas und ihre Verlassenen hatten direkt den Orcs gegenüber Platz genommen, und Vol’jins Trolle saßen neben Baine. Die Orcs, denen die Ehre zuteilwurde, diesem Treffen beiwohnen zu dürfen – die meisten von ihnen waren Kor’kron, die traditionellen Leibwächter des Kriegshäuptlings –, standen kerzengerade in einem Kreis um die versammelten Abgesandten herum.

Baine erinnerte sich noch daran, wie ihm sein Vater von ähnlichen Treffen in Orgrimmar erzählt hatte. Damals waren solche Anlässe ebenso von Lachen, Festmählern und festlicher Atmosphäre bestimmt worden wie von Debatten und Diskussionen. Baine sah jedoch keinerlei Anzeichen, dass es heute ein Festmahl geben würde. Im Gegenteil, dachte er, und nahm einen Schluck abgestandenen Wassers aus dem Trinkschlauch, der von seinem Gürtel hing. Es war eine gute Idee gewesen, dass er und seine Leute ihr eigenes Wasser mitgebracht hatten. Andernfalls wären die Tauren inzwischen wohl schon zusammengebrochen, in dieser Stadt unter der glühenden Sonne, wo die Eisengebäude all die Hitze absorbierten.

Die Sekunden verrannen, und allmählich wurden die versammelten Anführer und ihre Begleiter unruhig. Leises Gemurmel breitete sich unter den Verlassenen aus, und Baine gewann den Eindruck, als wäre „Geduld“ eine Tugend, die nicht jeder der Untoten beherrschte, obwohl sie dieses Wort nur allzu gerne benutzten, wenn sie andere tadelten. Seine scharfen Taurenohren schnappten ein gezischtes Flüstern von Sylvanas auf, und daraufhin erstarb das Gemurmel abrupt.

Ein Orc in der Uniform der Kor’kron trat nach vorn. An einer Hand hatte er nur noch drei Finger, und eine fahle Narbe, die sich scharf von seiner dunkleren Haut abhob, beschrieb ein Zickzackmuster über sein gesamtes Gesicht, und dann bis hinunter zu seinem Hals. Rote Kriegsbemalung, die wie vergossenes Blut aussah, zierte seine Züge und Arme. Doch es waren nicht diese Eigenheiten, die Baine veranlassten, die Augen zusammenzukneifen, als er den Neuankömmling betrachtete. Es war der Farbton der rot bemalten Haut.

Dunkelgrau.

Das bedeutete zweierlei. Zum einen, dass der Orc ein Mitglied des Schwarzfelsclans war – ein Clan, der viele berüchtigte Mitglieder hervorgebracht hatte –, und zweitens, dass dieser Orc schon seit Jahren nicht mehr das Licht der Sonne gesehen hatte. Er hatte im Inneren des Berges Schwarzfels gelebt und Thralls Feinden gedient.

Namen, die sein Vater nur mit ernster Stimme ausgesprochen hatte, hallten in Baines Kopf wider: Schwarzfaust, der Zerstörer, Kriegshäuptling der Horde und geheimes Mitglied des Schattenrates, unter dessen Herrschaft die ersten Hexenmeister aufgetaucht waren, die es in seinem Volk je gegeben hatte; sein Sohn Dal’rend, genannt „Rend“, der sich jahrelang in den Tiefen der Schwarzfelsspitze verborgen hatte und Thralls Herrschaft nicht anerkennen wollte. Von all den Orcs des Schwarzfelsclans hatte Thrall nur von den wenigsten mit Respekt gesprochen. Eine Handvoll unter viel zu vielen. Dass diesem augenscheinlich kampferfahrenen Veteran die Ehre zuteil wurde, die Zeremonie zu eröffnen – sogar noch vor den Kor’kron –, verstärkte Baines Sorge über das, was da kommen mochte.

Der Veteran machte eine herrische Geste, und mehrere grünhäutige Orcs traten vor, in den Händen lange, verzierte Schimärenhörner. Mit präzisen Bewegungen hoben sie die Hörner an ihre Lippen, dann holten sie tief Luft und bliesen hinein. Ein lang gezogener, tiefer, hohler Laut dröhnte durch den Saal, und trotz der gegenwärtigen Situation spürte Baine, wie sein Geist diesem Aufruf zur Ordnung folgte. Als der Klang verhallt war, traten die Orcs in die Schatten zurück.

Der Schwarzfelsorc ergriff mit einer tiefen, rauen Stimme, die den gesamten Raum erfüllte, das Wort.

„Euer Anführer, der mächtige Garrosh Höllschrei, kommt näher! Zeigt ihm eure Ehrerbietung!“ Der Orc schlug sich mit der heilen Hand gegen die stämmige Brust und wandte sich dem Eingang zur Festung Grommash zu.

Garroshs brauner Körper war mit Tätowierungen bedeckt, und selbst auf seinem Unterkiefer waren schwarze Muster zu erkennen. Seine Brust war nackt, doch auf den Schultern trug er Mannoroths gewaltige Hauer, bedeckt mit Stacheln, und um seine Mitte lag ein Gürtel mit einem geschnitzten Totenschädel, welcher in seiner Form an den Kopf des großen Dämons erinnerte, der den Thron zierte. Als er Blutschrei, die legendäre Waffe seines Vaters, in die Höhe reckte, hallte der Saal kurz vor Jubelschreien und -rufen wider, und Garrosh stand genießerisch da und saugte es in sich auf. Dann senkte er die Axt wieder und öffnete den Mund.

„Ich heiße euch alle willkommen“, sagte er, während er die Arme in einer allumfassenden Geste ausbreitete. „Ihr seid wahre Diener der Horde. Euer Kriegshäuptling hat euch gerufen, und ihr seid gekommen.“

Wie abgerichtete Wölfe, dachte Baine. Er versuchte, ein Stirnrunzeln zu unterdrücken, schaffte es aber nicht. Thrall hatte niemals so zu seinen Untertanen gesprochen.

Garrosh fuhr indes fort: „Viel ist geschehen, seit ich zum Kriegshäuptling wurde. Wir haben uns Herausforderungen und Gefahren gegenübergesehen, Feinden, die unsere Welt und unsere Lebensweise bedrohten. Und doch haben wir obsiegt. Wir sind die Horde. Wir werden niemals zulassen, dass jemand unseren Willen bricht!“

Noch einmal hob er Blutschrei, und noch einmal brachen die versammelten Orcs daraufhin in ein lautes Geheul aus. Die anderen Mitglieder der Horde stimmten in den Jubel mit ein, selbst Baine, denn hier ging es darum, ihre Unterstützung für die mächtige Horde zu zeigen, der sie alle angehörten. Zumindest in diesem Punkt hatte Garrosh recht: Wer sich ein Mitglied der Horde nannte, der würde sich von nichts und niemandem entmutigen lassen – nicht von einer zerschmetterten Welt, nicht von einem wahnsinnig gewordenen Aspekt und auch von sonst nichts.

Nicht einmal von dem Mord an einem Vater.

Garroshs Lippen um seine Hauer verzogen sich zu einem zustimmenden Lächeln, als er zu seinem Thron hinüberging, dann hob er den Arm, um Stille einzufordern. „Ihr habt mich nicht enttäuscht“, erklärte er. „Ihr seid die besten Vertreter eurer Rassen – ihre Anführer, ihre Generäle. Und genau darum habe ich euch hierhergerufen.“

Er setzte sich und bedeutete den anderen mit einem Winken, dass sie ebenfalls Platz nehmen durften. „Es gibt eine Bedrohung, die diese Welt schon viel zu lange heimsucht, und jetzt ist die Zeit gekommen, sie ohne jede Gnade auszulöschen. All die Jahre, die wir bereits im Schatten dieser Gefahr stehen, haben wir sie ignoriert, in dem Irrglauben, dass es nur eine kleine Schande wäre, sie zu tolerieren, eine Schande, die der mächtigen Horde nicht zu schaden vermag. Doch damit ist jetzt Schluss. Ich habe es schon früher gesagt, und jetzt sage ich es wieder: Jede Schande ist eine große Schande! Jede Bedrohung ist eine große Bedrohung! Und wir werden sie nicht länger dulden!