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»Gut gedacht«, meinte Carmody lahm, »jedenfalls -«

»- denn ich brauche den Duft von Freiheit und Abenteuer«, beendete Steen (sein Privileg, denn er hatte den Spot auch angefangen).

»Sicher«, versicherte Carmody und schüttete schnell sein Bier hinunter, damit er dem Barkeeper wieder zurufen konnte: »He, Sam, mach's noch einmal, Sam! Ballantine Bier!« Aber er wußte, daß er nicht mitkam. Was im Himmel war heute nur mit ihm los? Für diesen Moment jetzt, für genau diese Stelle, gab es einen ganz bestimmten Dialog. Aber er konnte sich nicht an seine Zeile erinnern . . .

Steen, ruhig und mit der Sicherheit der beißenden Frische eines Eisblauen Geheimnis in den haarigen Achselhöhlen, kam zuerst darauf. »Mit unseren Frauen aus dem Haus«, grinste er, »sind wir selber für die Wäsche da.«

Das hatte gesessen! Carmody fühlte sich regelrecht aus dem Rennen geschlagen und brachte nur noch ein kleinlautes »Ja, ja, da fehlt die Frau im Haus« heraus. Dann lachte er hohl. »Kennst du noch diesen alten Spruch >Meins ist aber weißer als deins<?«

Beide Männer lachten sehr männlich und tauschten einen kameradschaftlichen Männerblick aus. Steen sah auf sein Hemd, warf einen Blick auf Carmodys Hemd, sah noch einmal auf sein eigenes Hemd, hob die Augenbrauen, öffnete den Mund, stellte beeindruckend Unglauben und Verwunderung dar.

»He!« sagte Steen. »Mein Hemd ist weißer als deins.«

»Tatsächlich«, antwortete Carmody, ohne sich die Mühe zu machen, nachzuschauen. »Wie seltsam. Wir waschen beide mit der gleichen Waschmaschine, und beide Maschinen sind nicht älter als die Garantiezeit. Und wir benutzen beide das gleiche Waschmittel . . . tun wir das?«

»Ich nehme Clorox«, antwortete Steen leichthin.

»Clorox«, sagte Carmody nachdenklich. »Ja, das muß es sein. Jetzt sehe ich klar. Mein Waschmittel hat versagt!»

Er schauspielerte gelindes Entsetzen, während Steen triumphierend feixte. Carmody überlegte, ob er noch ein Bier bestellen sollte, aber schon die letzten beiden hatten ihm nicht besonders geschmeckt. Er entschied, daß Steen einfach zu schnell für ihn war.

Carmody zahlte seine Biere mit seiner American Express Kreditkarte und machte sich auf den Weg zu seinem Büro. Seine Kollegen grüßte er mit der angebrachten kollegialen Kamerade-rie. Verschiedene Leute warfen ihm eine Zeile zu, aber er ließ sich auf kein Spiel ein. Heute wollte er sein eigenes Spiel spielen. Carmody wußte, daß seine Lage, was das Lebensziel anging, mehr als verzweifelt war. Er hatte die Obergrenze erreicht, von hier aus ging es nur noch zu den Beautiful People, und er kam dort nicht hin. Seine Frau übte den ganzen Tag mit ihm Konsumsprüche, aber das war nicht genug - nicht für die wirklichen hohen Konsumentenränge. Nächtelang lag er wach, bis seine Frau ihm ein Alkaseltzer gab. Schon dreimal hatten sie danach zusammen den Dankbrief an den Alkaseltzer-Service geschrieben. Es reichte nicht, wenn man Geld hatte, soziales Ansehen war nicht genug, ausdauernder Konsum war nicht genug. Wenn man die Dinge haben wollte, für die es wirklich wert war zu leben, einen Porsche 991S etwa, den Leute fahren, die wissen, daß sie etwas Besonderes sind, oder die Ampex für Leute, die sich mit nichts anderem begnügen als dem Besten . . . wenn man das haben wollte, dann mußte man beweisen, daß man dazu gehörte. Man mußte beweisen, daß man zu den Beautiful People gehörte, für die diese Waren bestimmt waren. Man mußte alles riskieren, wenn man alles haben wollte.

»Bei Ford«, sagte Carmody sich und schlug sich mit der Faust auf die Handfläche. »Ich habe mir gesagt, daß ich es tun werde, und ich werde es tun!« Und kühn näherte er sich der Tür von seinem Boß Mr. Übermann, und kühn stieß er diese Tür auf.

Das Zimmer war leer, Mr. Übermann war noch nicht im Büro.

Carmody trat ein. Er würde hier warten. Seine Zähne waren fest zusammengebissen, seine Lippen aufeinandergepreßt, und zwischen seinen Augen waren drei senkrechte Linien auf seiner Stirn erschienen. Übermann würde jeden Augenblick eintreffen. Und sobald er eintrat, würde Tom Carmody zu ihm sagen: »Mr. Übermann, Sie können mich rausschmeißen dafür, aber Sie haben Mundgeruch!« Er würde eine kurze Pause machen. »Mundgeruch!«

Wie einfach das doch in der Vorstellung gewesen war, und wie schwer es jetzt fiel, diesen Vorsatz auszuführen. Und trotzdem! Ein Mann mußte sich erheben, mußte für Sauberkeit kämpfen und für sein Fortkommen, seinen Aufstieg, seinen Konsum. In diesem Augenblick spürte Carmody genau, daß ihre Augen auf ihn gerichtet waren - die Augen jener halb legendären Gestalten, der Hersteller*. Wenn er für wert befunden wurde . . .

»Morgen, Carmody!« sagte Mr. Übermann, während er mit großen Schritten in sein Büro marschierte. Er war gutaussehend, mit stechenden Augen und grauen Schläfen, letzteres ein besonderes Privileg. Seine Hornbrille war volle drei Zentimeter breiter als die Carmody s.

»Mr. Übermann«, setzte Carmody mit bebender Stimme an, »Sie können mich dafür rausschmeißen -«

»Carmody«, sagte der Boß, und seine sonor-überlegene Stimme schnitt durch Carmodys heiseres Gestammel wie ein Personna-Schweizer Offiziersskalpell durch Markenbutter, »heute habe ich ein unglaubliches Mundwasser entdeckt. Es heißt Scope. Ich habe jetzt die Sicherheit eines sauberen Atems, nicht nur für Stunden, nein für den ganzen Tag.«

Carmody brachte ein ironisches Lächeln zustande. Was für ein fantastischer Zufall! Der Boß war auf das gleiche Mundwasser gestoßen, daß Carmody ihm gerade empfehlen wollte. Und es hatte gewirkt! Nicht länger roch Mr. Übermann aus dem Mund wie eine Mülltonne im Hochsommer. Nein, jetzt war sein Atem küßchen-süß (für Mädchen natürlich nur; Carmody selbst war für sowas nicht zu haben).

»Schonmal davon gehört?« fragte Übermann und verließ dann wieder das Büro, ohne die Antwort abzuwarten.

Carmody lächelte jetzt noch viel ironischer. Er hatte wieder versagt. Und doch, er spürte ganz deutlich eine innere Erleichterung über dieses Versagen. First-Class-Konsum war verlok-kend, die Große Welt, das Flair der wahren Freiheit. Es war das einzig Angemessene für den gewissen Mann, aber vielleicht war er doch nicht der gewisse Mann. Was, wenn er nun schon alles hatte? Wenn er oben angekommen war?

»Manchmal kommt am Ende doch das Richtige bei einer Sache heraus, wenn sie schief geht«, sagte Carmody zu sich selbst.

»Tut es das? Wovon redest du da eigentlich, zum Teufel?« erwiderte Carmody sich selbst.

»Oh, mein Gott«, sagte Carmody zu sich selbst.

»Ja, ja«, antwortete Carmody anderes Ich. »Da hast du dich wohl ein bißchen zu schnell akklimatisiert.«

Die beiden Carmodys sahen sich gegenseitig an, verglichen ihre Unterlagen und kamen zu einem Entschluß. Sie verschmolzen.

»Seethwright!« rief Carmody. »Holen Sie mich raus hier!«

Und Seethwright, diese treue Seele, tat wie ihr geheißen.

XXVI

Mit der üblichen Verläßlichkeit sandte Seethwright ihn auf die nächste Möglichkeitserde. Die Transition war etwas schneller als sofort. Sie war so schnell, daß die Zeit beinahe umgekehrt wurde und Carmody das seltsame Gefühl bekam, auf einen Reiz zu reagieren, bevor er überhaupt gereizt wurde. Das stellte natürlich einen Widerspruch in sich. selbst dar, einen sehr kleinen zwar nur, aber es war illegal. Seethwright löschte die Sache mit der üblichen Realitätslöschung, und keiner interessierte sich so dafür, daß er es angezeigt hätte. Der Effekt wurde aufgehoben, zurück blieb nur ein kleiner Riß im Raum-ZeitKontinuum, der aber Carmody nicht einmal auffiel. Im übrigen gibt es dort andauernd Risse.

Carmody befand sich in einer kleinen Stadt. Oberflächlich betrachtet, gab es keine Schwierigkeiten, diese Stadt zu identifizieren; diese Stadt war, oder gab überzeugend vor zu sein, Maplewood, New Jersey. Carmody hatte hier vom dritten bis zum achtzehnten Lebensjahr gelebt. Dies war seine Heimat, wenn es überhaupt so etwas für ihn gab.