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Florences zerknitterte Gesichtszüge verzogen sich unerwartet zu einem Lächeln, und sie verließ hocherfreut das Zimmer.

«Liebes», sagte Miss Marple, «ich schlage vor, dass wir uns beim Tee nicht weiter über Mord unterhalten. Das ist doch ein arg unerfreuliches Thema.»

II

Nach dem Tee erhob sich Lucy.

«Ich muss zurück», sagte sie. «Wie ich Ihnen bereits sagte, lebt gegenwärtig niemand in Rutherford Hall, der als Mörder in Betracht käme. Es gibt nur einen alten Mann, eine Frau mittleren Alters und den tauben alten Gärtner.»

«Ich habe auch nicht gesagt, dass er dort wohnen muss», sagte Miss Marple. «Ich bin bloß sicher, dass er sich in Rutherford Hall sehr gut auskennt. Aber dem können wir nachgehen, wenn Sie die Leiche gefunden haben.»

«Sie scheinen ganz selbstverständlich davon auszugehen, dass ich sie finde», sagte Lucy. «Ich bin weit weniger optimistisch.»

«Ich bin überzeugt, dass Sie Erfolg haben werden, meine liebe Lucy. Sie sind so ein tüchtiger Mensch.»

«Das mag wohl sein, aber mit der Leichensuche habe ich keine Erfahrung.»

«Ich bin sicher, dass man dafür nur etwas gesunden Menschenverstand braucht», sagte Miss Marple aufmunternd.

Lucy sah sie an und lachte. Miss Marple lächelte zurück.

Am nächsten Nachmittag machte sich Lucy systematisch ans Werk.

Sie durchstöberte Nebengebäude, stocherte in den Wildrosen, die an den alten Schweineställen emporrankten, und spähte gerade in den Kesselraum unter dem Gewächshaus, als sich hinter ihr jemand räusperte. Sie fuhr herum und fand sich Hillman gegenüber, dem alten Gärtner, der sie missbilligend ansah.

«Passen Sie bloß auf, dass Sie nicht hinfallen und sich was brechen, Miss», warnte er sie. «Der Treppe da ist nicht zu trauen, und wo Sie da eben auf dem Heuboden waren, ist der Boden auch nicht sicher.»

Lucy war bemüht, sich ihre Verlegenheit nicht anmerken zu lassen.

«Sie müssen mich für sehr neugierig halten», sagte sie munter, «dabei habe ich mich nur gefragt, ob man hieraus nicht mehr machen könnte – Pilze für den Markt anbauen oder Ähnliches. Man hat das alles so schrecklich verkommen lassen.»

«Das liegt am alten Herrn. Rückt keinen Penny raus. Ich bräuchte hier mindestens zwei Gärtner und einen Gehilfen, um alles instand zu halten, aber davon will er nichts hören. Hab schon ewig gebraucht, bis er endlich einen elektrischen Rasenmäher angeschafft hat. Er wollte allen Ernstes, dass ich den ganzen Rasen vor dem Haus von Hand mähe.»

«Aber würden sich Reparaturen nicht auszahlen?»

«Hier zahlt sich nichts mehr aus – das Anwesen ist viel zu verfallen. Und ihn schert das auch nicht. Er weiß genau, was hier passieren wird, wenn er mal nicht mehr ist – die jungen Herren werden in Windeseile verkaufen. Warten bloß darauf, dass er ins Gras beißt. Die kriegen nach seinem Tod ein hübsches Sümmchen, hab ich mir sagen lassen.»

«Dann ist er also ein reicher Mann?», fragte Lucy.

«Crackenthorpes Fancies, die Pralinen müssen Sie doch kennen. Der alte Herr hat das aufgebaut, Mr. Crackenthorpes Vater. Ganz gewiefter Bursche, nach allem, was man hört. Hat ein Vermögen gemacht und den Landsitz gebaut. Zäh wie Leder, heißt es, und kolossal nachtragend. Aber er war wenigstens noch freigebig. Keine Spur von Geizkragen. Soll von seinen beiden Söhnen enttäuscht gewesen sein. Hat ihnen eine anständige Erziehung gegeben und sie zu Gentlemen gemacht – Oxford und so. Aber beide waren zu sehr Gentlemen, um in den Familienbetrieb einzusteigen. Der jüngere hat eine Schauspielerin geheiratet, und dann setzt er sich betrunken ans Steuer und kratzt bei einem Verkehrsunfall ab. Für den älteren, unseren hier, hatte der Vater sowieso nie viel übrig. Der war viel im Ausland, hat haufenweise heidnische Statuen gekauft und nach Hause geschickt. Als junger Mann war er noch nicht so knickerig – das ist er erst mit den Jahren geworden. Nein, die sind nie besonders miteinander ausgekommen, er und sein Vater, jedenfalls habe ich das gehört.»

Lucy mimte höfliches Interesse und verarbeitete diese Neuigkeiten. Der alte Mann lehnte sich an eine Mauer und machte sich an die Fortsetzung seines Familienepos. Für das Reden hatte er mehr übrig als für das Arbeiten.

«Ist vor dem Krieg gestorben, der alte Herr. War fürchterlich jähzornig. War nicht ratsam, sich mit ihm anzulegen, das ließ er sich nicht bieten.»

«Und nach dem Krieg ist dann der heutige Mr. Crackenthorpe hierher gezogen, ja?»

«Mit seiner Familie, ja. Die Kinder waren da ja schon fast groß.»

«Aber wie… oh, jetzt verstehe ich, Sie meinen den Ersten Weltkrieg.»

«Nein, den meine ich nicht. Er ist 1928 gestorben, so wahr ich hier stehe.»

Lucy sah ein, dass 1928 in der Tat «vor dem Krieg» war, auch wenn sie es nicht so ausgedrückt hätte.

Sie sagte: «Tja, ich nehme an, Sie wollen sich wieder an Ihre Arbeit machen. Ich sollte Sie nicht länger aufhalten.»

«Ach», sagte der alte Hillman lustlos, «so spät am Tag kann man nicht mehr viel machen. Das Licht ist zu schlecht.»

Auf dem Rückweg ins Haus blieb Lucy noch einmal stehen und untersuchte ein viel versprechendes Gebüsch aus jungen Birken und Azaleen.

In der Halle stieß sie auf Emma Crackenthorpe, die einen Brief las. Die Nachmittagspost war soeben eingetroffen.

«Mein Neffe kommt morgen her – mit einem Klassenkameraden. Alexanders Zimmer ist das über der Veranda. Das daneben können wir James Stoddart-West anbieten. Beide können das Badezimmer gegenüber benutzen.»

«Sehr wohl, Miss Crackenthorpe. Ich werde die Zimmer herrichten.»

«Sie kommen morgen Vormittag.» Sie zögerte. «Ich nehme an, sie bringen einen Bärenhunger mit.»

«Das möchte ich meinen», sagte Lucy. «Was halten Sie von Roastbeef? Und vielleicht Sirupkuchen?»

«Alexander ist ganz versessen auf Sirupkuchen.»

Die Jungen trafen pünktlich ein. Beide hatten gepflegte Haare, verdächtig engelhafte Gesichter und ausgezeichnete Manieren. Alexander Eastley hatte blonde Haare und blaue Augen, Stoddart-West war dunkel und trug eine Brille.

Beim Mittagessen erörterten sie gravitätisch Ereignisse aus der Welt des Sports und bezogen gelegentlich die neuesten Zukunftsromane ins Gespräch ein. Sie klangen wie alte Professoren bei einer Diskussion über prähistorische Faustkeile. Im Vergleich zu ihnen kam sich Lucy richtig jung vor.

Das Lendenfilet verschwand im Handumdrehen, und der Sirupkuchen wurde bis zum letzten Krümel aufgegessen.

Mr. Crackenthorpe grummelte: «Ihr beiden esst mir noch die Haare vom Kopf.»

Alexander warf ihm aus seinen blauen Augen einen tadelnden Blick zu.

«Wir können uns von Käse und Brot ernähren, wenn du dir Fleisch nicht leisten kannst, Großvater.»

«Leisten? Ich kann es mir leisten. Ich mag nur keine Verschwendung.»

«Wir haben nichts verschwendet, Sir», sagte Stoddart-West mit einem Blick auf seinen Teller, der diese Aussage deutlich bestätigte.

«Ihr Jungen esst doppelt so viel wie ich.»

«Wir sind in der Wachstumsphase», erklärte Alexander. «Unsere Körper brauchen sehr viele Proteine.»

Der alte Mann knurrte.

Als sich die beiden Jungen von der Tafel erhoben, hörte Lucy, wie Alexander seinem Freund entschuldigend zuraunte:

«Beachte meinen Großvater lieber gar nicht. Er macht eine Diät oder so, und deswegen reagiert er manchmal etwas seltsam. Und er ist fürchterlich geizig. Ich glaube, das muss eine Art Komplex sein.»