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«Ich werde Sie melden», sagte die Frau, ging und schloss die Tür hinter sich, nachdem sie Lucy mit unverhohlenem Missfallen gemustert hatte.

Nach einigen Minuten ging die Tür wieder auf. Lucy fand Emma Crackenthorpe vom ersten Augenblick an sympathisch.

Diese war eine Frau mittleren Alters ohne auffällige Merkmale, weder schön noch hässlich, zweckmäßig gekleidet in Tweedrock und Pullover, die schwarzen Haare aus der Stirn gekämmt, mit ruhigen kastanienbraunen Augen und angenehmer Stimme.

«Miss Eyelesbarrow?», fragte sie und hielt ihr die Hand hin.

Dann verzog sie zweifelnd das Gesicht.

«Ich frage mich, ob diese Stelle wirklich das Richtige für Sie ist», sagte sie. «Wissen Sie, ich brauche keine Wirtschafterin, die den Haushalt beaufsichtigt. Ich brauche ein Mädchen für alles.»

Lucy sagte, das bräuchten die meisten Leute.

Emma Crackenthorpe sagte entschuldigend:

«Viele Menschen glauben, mit ein wenig Staubwischen sei alles getan – aber das bisschen Staubwischen kann ich selber erledigen.»

«Ich verstehe», sagte Lucy. «Sie brauchen jemanden, der kocht, abwäscht, putzt und einheizt. Das geht in Ordnung. Das mache ich alles. Ich bin nicht arbeitsscheu.»

«Das Haus ist sehr groß, fürchte ich, und unpraktisch. Wir bewohnen natürlich nur einen Teil davon – mein Vater und ich. Er ist nahezu invalide. Wir führen ein ruhiges Leben, und es gibt einen Aga-Herd. Ich habe mehrere Brüder, aber sie kommen nur selten her. Wir haben zwei Zugehfrauen, eine Mrs. Kidder am Vormittag und Mrs. Hart, die an drei Tagen die Woche kommt, das Silber putzt und anderen Kleinkram erledigt. Sie haben ein eigenes Auto?»

«Ja. Es kann im Freien stehen, falls Sie keine Unterstellmöglichkeiten haben. Das ist es gewohnt.»

«Oh, alte Ställe gibt es in Hülle und Fülle. Das dürfte kein Problem sein.» Sie runzelte die Stirn und sagte dann: «Eyelesbarrow – ein ziemlich seltener Name. Freunde haben mir mal von einer Lucy Eyelesbarrow erzählt – die Kennedys?»

«Das stimmt. Ich habe in North Devon bei ihnen gearbeitet, als Mrs. Kennedy das Kind erwartete.»

Emma Crackenthorpe lächelte.

«Ich weiß noch, sie haben gesagt, sie hätten es noch nie so gut gehabt wie in der Zeit, als Sie sich um alles gekümmert haben. Aber ich dachte, Sie seien schrecklich teuer. Das Gehalt, das ich Ihnen nannte –»

«Das genügt mir», sagte Lucy. «Schauen Sie, mir liegt besonders daran, in der Nähe von Brackhampton zu arbeiten. Ich habe eine alte Tante mit angegriffener Gesundheit und möchte in ihrer Nähe sein. Deswegen ist das Gehalt für mich zweitrangig. Das Nichtstun kann ich mir andererseits nicht leisten. Wäre es möglich, an den meisten Tagen eine gewisse Zeit freizuhaben?»

«Aber natürlich. Jeden Nachmittag bis sechs, wenn Sie möchten.»

«Das wäre herrlich.»

Miss Crackenthorpe zögerte kurz, dann sagte sie: «Mein Vater ist alt und manchmal etwas – schwierig. Er legt großen Wert auf Sparsamkeit, und manchmal rutschen ihm Bemerkungen heraus, die verletzend klingen. Es wäre mir –»

Lucy fiel ihr ins Wort:

«Ich bin die verschiedensten alten Menschen gewohnt», sagte sie. «Bisher bin ich immer mit ihnen klargekommen.»

Emma Crackenthorpe wirkte erleichtert.

«Probleme mit dem Vater!», befand Lucy. «Bestimmt ein alter Wüterich.»

Sie bekam ein großes dunkles Zimmer zugewiesen, das ein kleiner Radiator nur unzureichend wärmte, und wurde im Haus herumgeführt, einem ungemütlichen Herrenhaus. Als sie an einer Tür in der Halle vorbeikamen, brüllte eine Stimme:

«Bist du das, Emma? Hast du das neue Mädchen dabei? Bring sie her. Ich will sie mir ansehen.»

Emma wurde rot und warf Lucy einen entschuldigenden Blick zu.

Die beiden Frauen traten in das Zimmer. Es hatte dicke dunkle Samttapisserien, schmale Fenster, die wenig Licht hereinließen, und stand voller massiver Mahagonimöbel aus viktorianischer Zeit.

Der alte Mr. Crackenthorpe lag ausgestreckt in einem Rollstuhl, an dem ein Gehstock mit Silberknauf lehnte.

Er war ein großer hagerer Mann mit Hängebacken, einem Kopf wie eine Bulldogge und einem kampflustig vorgereckten Kinn. Unter den dichten schwarzen, teilweise ergrauten Haaren funkelten misstrauische Äuglein.

«Dann lassen Sie sich mal ansehen, junge Dame.»

Lucy ging gelassen lächelnd zu ihm.

«Eine Sache schreiben Sie sich besser sofort hinter die Ohren. Bloß weil wir in einem großen Haus leben, heißt das noch lange nicht, dass wir reich sind. Wir sind nicht reich. Wir leben einfach – haben Sie verstanden? –, einfach und bescheiden! Hochtrabende Vorstellungen sind hier fehl am Platz. Kabeljau ist genauso gut wie Steinbutt, lassen Sie sich das gesagt sein. Verschwendung lasse ich mir nicht bieten. Ich wohne hier, weil mein Vater dieses Haus gebaut hat und weil es mir gefällt. Nach meinem Tod können sie es verkaufen, wenn sie wollen – und sie werden wollen. Kein Familiensinn. Dieses Haus wurde für die Ewigkeit gebaut – es ist solide, und wir haben unseren eigenen Grund und Boden. Dadurch haben wir Ruhe. Wenn man es als Bauland verkauft, würde es eine Menge einbringen, aber nicht, solange ich lebe. Mich wird man hier nur mit den Füßen voran raustragen.»

Er funkelte Lucy an.

«Eigener Herd ist Goldes wert», sagte Lucy.

«Wollen Sie mich zum Besten halten?»

«Ganz und gar nicht. Es muss sehr schön sein, wenn man einen echten Landsitz mitten in der Stadt hat.»

«Ganz meine Meinung. Von hier sieht man weit und breit kein Haus, stimmt’s? Felder mit Kühen – mitten in Brackhampton. Bei bestimmten Windrichtungen hört man den Verkehr – aber davon abgesehen leben wir noch mitten auf dem Lande.»

Zu seiner Tochter gewandt, fügte er ohne Pause oder Tonveränderung hinzu:

«Ruf diesen Narren von Arzt an. Sag ihm, seine letzte Arznei taugt nichts.»

Lucy und Emma gingen. Er rief ihnen nach:

«Und lass das Weibsstück, das immer so schnieft, hier nicht mehr Staub wischen. Die hat mir die ganzen Bücher verstellt.»

Lucy fragte:

«Ist Mr. Crackenthorpe schon lange invalide?»

Emma sagte ausweichend:

«Oh, schon seit Jahren… Das hier ist die Küche.»

Die Küche war riesig. In der Mitte stand kalt und verlassen ein monumentaler Herd, daneben ein nüchterner Aga.

Lucy fragte nach den Essenszeiten und inspizierte die Speisekammer. Dann sagte sie munter zu Emma Crackenthorpe:

«Ich weiß vorläufig alles, was ich wissen muss. Keine Sorge. Überlassen Sie alles mir.»

Emma Crackenthorpe seufzte erleichtert, als sie sich an diesem Abend zurückzog.

Die Kennedys hatten völlig Recht, sagte sie sich. Sie ist großartig.

Am nächsten Morgen stand Lucy um sechs Uhr auf. Sie brachte das Haus in Ordnung, putzte Gemüse, deckte den Tisch und bereitete und servierte das Frühstück. Zusammen mit Mrs. Kidder machte sie die Betten, und um elf Uhr setzten sich die beiden zu einer Kanne starken Tees und Gebäck in die Küche. Mrs. Kidder hatte es besänftigt, dass Lucy nicht auf dem hohen Ross saß, zudem liebte sie starken und süßen Tee und erging sich daher in Klatsch und Tratsch. Sie war eine spindeldürre Frau mit stechenden Augen und schmalen Lippen.

«Er ist ein richtiger alter Pfennigfuchser. Was die sich alles bieten lassen muss! Trotzdem glaube ich nicht, dass sie unter der Knute steht. Die lässt sich nicht die Butter vom Brot nehmen. Und wenn die Gentlemen herkommen, sorgt sie dafür, dass es was Anständiges zu beißen gibt.»