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Aber dann kaufte die alte Sybil Jameson das Ouija-Brett, und Gertrude Grainger zwang eine unwillige Monica, ihre Fingerspitzen mit denen der anderen ›nur so zum Spaß‹ auf die Planchette zu legen. Am nächsten Tag ließ Gertrude einigen von uns mit geheimnistuerischer Stimme wissen, daß Monica ein ganz erstaunliches, freilich noch unterentwickeltes mediales Talent habe. Ihr selbst sei so etwas noch nicht begegnet. Von da an war das Mädchen süchtig auf Ouija. Arme Monica! Ich befürchtete, sie würde irgendwann aus ihrer selbstauferlegten Shakespeare-Disziplin ausbrechen, und es war schlimm genug, daß es dann wegen des Brettes geschah und nicht meinetwegen. Aus diesem Grunde dem fatalen Brett zu grollen, war eigentlich vollkommen überflüssig, denn Monica hätte auch mit Robert Dennis auf und davon gehen können, was unendlich viel schlimmer gewesen wäre, obwohl wir nie ganz sicher waren, was sein Geschlecht betraf. In dieser Hinsicht war ich auch Gertrudes nicht ganz sicher und erlitt Agonien unsäglicher Eifersucht, wenn sie meine Angebetete in ihren Bannkreis zog.

Allein die Vorstellung, wie sich Gertrudes verwegenes Knie unter dem Ouija-Brett gegen Monicas Knie preßte, machte mich rasend. Glücklicherweise agierten Sybils knochige Knie als Anstandsdamen dazwischen.

F.F. der natürlich auch eifersüchtig war, weil dieses neue Spielzeug Besitz von Gertrudes Geist ergriffen hatte und ihrer beider jährliche Intrigen empfindlich störte, deutete ziemlich giftig an, daß Monica eines jener habgierigen Mädchen sein müsse, die Anspruch auf alles erheben, was sie in die Finger kriegen, ob es nun ein Mann oder eine Planchette sei. Aber Props sagte mir, er würde alles darauf wetten, daß Gertrude und Sybil die ersten zufälligen Fingerbewegungen Monicas aufmerksam registriert hätten, um das unerfahrene Mädchen, geschickten Tänzern gleich, nach ihrem eigenen Willen zu führen, während Monica glauben sollte, sie sei es, die Gertrude und Sybil führe. Manchmal meinte ich, daß F.F. recht hatte, manchmal stimmte ich Props zu. Bisweilen dachte ich sogar, Monica besitze tatsächlich eine übernatürliche Gabe, obwohl ich gewöhnlich nicht an derartige Dinge glaube, und dieser Gedanke erschreckte mich zutiefst, denn eine solche Person wäre jederzeit imstande, einen lebenden Mann um eines Geistes willen zu verlassen. Sie war ein so sensitives, feinfühliges Mädchen, und doch so feurig! Aber immer, wenn sie die Planchette berührte, trat in ihre Augen solch ein leerer Blick, als wäre ihr Geist tief in ihre Fingerspitzen gefahren oder bis zu den Enden von Zeit und Raum entwichen. Einmal lasen die drei mein Charakterbild aus dem Brett heraus, das mich durch seine Genauigkeit bestürzte. Das gleiche geschah mit einigen anderen Leuten aus unserer Truppe. Natürlich könnten Schauspieler, ziemlich gute Charakteranalytiker sein, sagte Props, wenn sie nicht so verdammte Egozentriker wären.

Nach Charakteranalysen und Zukunftsvorhersagen zeigten unsere drei Hexenschwestern plötzlich Interesse für die Reinkarnation, und sogleich begannen sie, diesbezüglich das Brett zu befragen, um uns später zu erzählen, was für berühmte oder völlig unbedeutende Menschen wir in den vergangenen Leben gewesen seien. Ich war nicht überrascht, aus ihrem Munde zu hören, daß Gertrude Grainger die Königin Boadicea gewesen sei. In Sybil Jameson, vernahm ich, hätten wir eine Reinkarnation der Kassandra vor uns, während Monica in ihrem früheren Leben einmal die wahnsinnige Königin Johanna von Kastilien und später eine hysterische Patientin Janets an der Salpetriere gewesen sei – Dinge, die mich mehr irritierten und erschreckten, als sie es hätten tun dürfen. Props habe als ägyptischer Silberschmied unter Hatshepsud und später als Diener bei Samuel Pepys gelebt – er hörte sich dies entzückt kichernd an. Guthrie Boyd bekam den Imperator Claudius zugewiesen, während Robert Dennis sich mit Caligula zufrieden geben mußte. Aus irgendeinem unerfindlichen Grunde sei ich sowohl John Wilkes Booth als auch Lambert Simnel gewesen, was mich in höchstem Maße verunsicherte, denn ich sah in der Ermordung eines amerikanischen Präsidenten keine Romanze, sondern allenfalls eine Neurose. Die Tatsache, daß sich beide – Booth und Simnel – als Schauspieler versucht hatten, als Schmierenschauspieler überdies, bestürzte mich am meisten. Erst sehr viel später bekannte mir Monica, daß das Brett wahrscheinlich diese Entscheidungen getroffen habe, weil ich einen solch ›tragischen, gefährlichen, niedergeschlagenen Blick‹ gezeigt hätte – eine Enthüllung, die mich überraschte und die mir zugleich schmeichelte.

Auch Francis Farley Scott war geschmeichelt, als er hörte, daß er einmal Heinrich VIII. gewesen sei. Er stellte sich alle Ehefrauen Heinrichs vor und trug nach dieser Abendvorstellung sein goldblondes Toupet, bis Gertrude, Sybil und Monica uns wissen ließen, daß der Prinzipal eine Reinkarnation von keinem geringeren als William Shakespeare höchstpersönlich sei. Das machte F.F. so eifersüchtig, daß er sich sofort am Requisitentisch niederließ, einen Federkiel ergriff und uns in einem gelungenen Impromptu vorspielte, wie Shakespeare seinen Hamlet-Monolog ›Sein oder Nichtsein‹ dichtete. Es war eine sehr wirkungsvolle Vorstellung, wenngleich von beträchtlich mehr Stirngefurche, Augengerolle und Stimmaufwand begleitet, als Willy S. ursprünglich wohl selbst aufgewendet haben mochte. Als F.F. aufhörte, applaudierte sogar der Prinzipal, der neben Props unbeobachtet im Schatten gestanden und die Szene beobachtet hatte.

Der Prinzipal wies die Idee, eine Reinkarnation von Shakespeare zu sein, spöttisch entrüstet von sich. Er sagte, daß Willy S. sollte er jemals eine Reinkarnation erleben, bei einem weltberühmten Dramatiker am besten aufgehoben sei, und geradezu ideal wäre es, wenn dieser heimlich in seiner Freizeit zugleich für seinen Nachruhm als der Welt größter Wissenschaftler und Philosoph sorgte, Hinweise auf seine Identität einzig und allein in Form mathematischer Gleichungen hinterlassend – in der Art etwa, wie man später hinter Shakespeare Bacon oder die Baconianer vermutete. Doch meine ich, daß Gilbert Usher, wenn man schon jemanden für eine Reinkarnation Shakespeares suchte, gewiß keine schlechte Wahl gewesen wäre. Denn der Prinzipal ist ebenso vornehm und selbstlos, wie Shakespeare selbst es gewesen sein mußte – ansonsten wäre wohl niemals diese lächerliche Bacon-Oxford-Marlowe-Elizabeth – ›Wer schrieb nun eigentlich Shakespeares Dramen?‹ – Kontroverse entstanden. Der Prinzipal denkt in milder Melancholie an Shakespeare, obwohl er umgänglicher und trotz seiner Jahre athletischer ist, als man sich Shakespeare gemeinhin vorstellt. Und er ist über die Maßen freigebig, besonders gegenüber alten Schauspielern, die bessere Tage gesehen haben.

Was letzteres betraf, so war ihm in dieser Spielzeit der Mißgriff passiert, Guthrie Boyd für einige der schwierigeren Rollen zu engagieren, einschließlich einiger Rollen, die gewöhnlich F.F. spielte: Brutus, Othello und daneben Duncan in Macbeth, Kent in King Lear und den Geist in Hamlet. Guthrie war ein lärmender, schwer trinkender Bär von einem Schauspieler, der sich in Australien als Shakespeare-Darsteller einen gewissen Ruf erworben und mit Erfolg einiges von seiner Reputation in den Westen herübergeschmuggelt hatte. Es fiel ihm nicht besonders schwer, sein Brüllen zu mäßigen, seine Gefühle waren immer einfach und aufrichtig, wenn auch etwas explosiv gewesen – und schließlich ging er sogar für einige Jahre nach Hollywood. Aber da man ihm meist nur stupide Filmrollen überließ, trank er immer mehr. Seine Frau ließ sich von ihm scheiden. Seine Kinder sagten sich von ihm los. Er heiratete ein Starlet, aber auch dieses trennte sich bald von ihm. Dann verschwand er für einige Zeit.

Nach einigen Jahren traf ihn zufällig unser Prinzipal. Guthrie tingelte damals gerade durch Kanada, nur noch ein Schatten seines früheren Selbst, aber es war noch immer genug Substanz in diesem Schatten verborgen – und Boyd trank nicht. Der Prinzipal beschloß also, ihm eine Chance bei sich zu geben, obwohl Harry Grossman, der Manager, strikt dagegen war. Während der Proben und der ersten Aufführungsmonate war es wunderbar zu beobachten, wie der alte Guthrie Boyd zu sich selbst fand, so als wäre Shakespeare eine belebende Medizin für ihn.