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vermittelt diese Sicht der Dinge sofort an von Ribbentrop, der sich damit noch am gleichen Tag bei Hitler meldet. Es ist schon ein kleines Wunder, daß sich von Ribbentrop, der sonst nicht gerade mäßigend auf Hitler Einfluß nimmt, hier zum Fürsprecher seines polnischen Kollegen macht. Doch auch dieser kleine Hoffnungs-funke für den Frieden verglimmt ganz schnell angesichts der Auswirkungen, die W gerade diese in Polen angefachte Stimmung gegenüber Deutschland hat. Nach von Ribbentrops kurzem Vortrag entgegnet Hitler:

„Wie ich Herrn Henderson schon gesagt habe, glaube ich gern, daß Beck und Lipski voller guter Absichten sind. Aber sie sind nicht mehr Herr der Lage. Sie sind Gefangene einer öffentlichen Meinung, die durch Überstei-gerung ihrer eigenen Propaganda und die Prahlereien der Militärs zur Weißglut gebracht worden ist. Selbst wenn sie verhandeln wollten, wären sie nicht in der Lage dazu. Das ist der eigentliche Kern der Tragödie.

Sehen Sie!“ 313

Hitler reicht von Ribbentrop ein Telegramm, das auf seinem Schreibtisch liegt:

24. August, 13.15 Uhr, Verkehrsflugzeug „ Lufthansa D-ABHF “15 bis 20

Km Entfernung vor Küste Hela in 1500 m Flughöhe durch polnische Flak von etwa 40 km von Küste liegendem polnischen Schiff beschossen.

Sprengwolken von acht Schüssen von Maschine beobachtet.

25. August, 12.47 Uhr, Verkehrsflugzeug „Lufthansa D-AHIH“ 20 km Entfernung von Heisternest durch polnische Flak beschossen. Schüsse so na-he, daß Detonationen im Flugzeug laut gehört wurden. Unter Fluggästen Staatssekretär Stuckart. ...

25. August, 14.18 und 15.25 Uhr, Wasserflugzeug der Kriegsmarine Pillau auf Höhe von Brösen in weiter Entfernung von Küste beschossen, zweites Mal mit sechs Schuß. Schüsse entweder von Heia oder vom polnischen Schiff abgegeben.“

Hitler bemerkt zu den drei Meldungen:

Wenn wir die Warschauer Regierung auffordern, sie solle sich bei uns entschuldigen, wird sie uns wie gewöhnlich antworten, sie träfe keine Schuld. Das ist reine Anarchie. Was soll man da machen?“

Von Ribbentrops einziger überlieferter Versuch, Hitler zu bewegen, der polnischen Regierung mehr Zeit zu lassen, ist damit kein Erfolg beschieden.

Am gleichen Tag liegt in London der nächste Bericht aus Warschau vor. Botschafter Kennard teilt mit, wie er die Dinge sieht:

„Soweit ich das beurteilen kann, sind die deutschen Behauptungen über die massenhaften Mißhandlungen an Angehörigen der deutschen Minderheit in Polen grobe Übertreibungen, wenn nicht sogar Fälschungen. ...

Jedenfalls handelt es sich dabei schlicht und einfach um deutsche Provokationen im Zusammenhang mit einer Politik, die die zwei Nationen 313 Benoist-Méchin, Band 7, Seiten 433 ff

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gegeneinander aufgebracht hat. Ich nehme an, daß dies geschieht, um (a) Kriegsstimmung in Deutschland zu entfachen, (b) die öffentliche Meinung im Ausland zu beeindrucken und (c) entweder Niedergeschlagenheit oder offensichtliche Aggressionen in Polen zu provozieren. ...Es gibt keine Anzeichen, daß die zivilen Behörden die Kontrolle über Zustände in Polen verloren haben. ...“ 314

Montag, der 28. August

Vier Tage vor dem Kriegsausbruch.

Frühmorgens 1.30 Uhr: Göring kommt von Hitler zurück und hat mit der Dahlerus-Botschaft Erfolg gehabt. Hitler hat wider Görings anfängliche Befürchtungen Englands Standpunkt respektiert. Göring berichtet trotz der Schlafenszeit sofort Dahlems über Hitlers Kommentare zur aus London überbrachten Antwort.

„Mit Freude“, so Marschall Göring „begrüße Hitler Englands Wunsch, mit Deutschland zu einer friedlichen Abmachung zu gelangen. Der Reichskanzler würde größten Wert darauf legen, ein wirkliches Bündnis zwischen Großbritannien und Deutschland zustande zu bringen und nicht nur einen Vertrag. Hitler respektiere Englands Entschluß, seine Garantie für Polen aufrechtzuerhalten und ebenso die englische Forderung nach internationaler Garantie der polnischen Grenzen durch die fünf Großmächte. Er akzeptiere auch den englischen Vorschlag, die Fragen Korridor und Danzig endgültig durch direkte Verhandlungen zwischen Deutschland und Polen zu regeln. Hitler habe weiter den Vorschlag der englischen Regierung gebilligt, die Entscheidung über die Kolonien bis zur allgemeinen Demobilisierung und Normalisierung der Lage zu vertagen. Er habe auch seiner Überzeugung Ausdruck gegeben, daß die Engländer bei den damit zusammenhängenden Verhandlungen ihr Bestes tun würden, um eine befriedigende Lösung herbeizuführen.“ 315

Der Friede scheint gerettet. Immerhin gibt Hitler mit seiner Reaktion zwei Dinge zu erkennen. Zum einen will er, der Beck seit dem 5. Januar immer wieder zu Gesprächen über Danzig und die Transitwege eingeladen hat, noch einmal warten. Was noch bemerkenswerter ist, ist zweitens, sein Einverständnis zu einer Garantie der Grenzen Polens durch England, Frankreich, Italien und die Sowjetunion. Dies Einverständnis läßt darauf schließen, daß sein Interesse an der Eroberung des Nachbarlandes Polen relativ gering ist. Falls er trotzdem eine Annexion in den letzten Monaten in Erwägung gezogen haben sollte, ist er jetzt jedenfalls bereit, Polens Existenz auf Dauer zu achten, wenn er dafür die Freundschaft Großbritanniens gewinnen kann.

314 British War Bluebook, Document 55

315 Dahlems, Seiten 82 f

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Dahlems beeilt sich, die Reaktionen Hitlers und Görings so schnell wie möglich mit Hilfe der englischen Botschaft in Berlin nach London durchzugeben. Er hebt dabei hervor, daß Großbritannien nun Polen überzeugen muß, daß es sofort beginnt, mit Deutschland zu verhandeln. Dahlems übermittelt außerdem, daß es äußerst wichtig ist, daß die offizielle Antwort, die Henderson später überbringen soll, erwähnt, daß England sich verpflichtet, die polnische Regierung zu Verhandlungen mit Deutschland zu bewegen.316 Gegen Mittag begibt sich Dahlems noch einmal zu Feldmarschall Göring, der sich inzwischen in sein mobiles Hauptquartier westlich von Potsdam begeben hat. Der Schwede lernt dort die Luftwaffengenerale Milch, Jeschonnek, Udet, Bodenschatz und Staatssekretär Körner kennen, die offensichtlich uni sono die Auffassung vertreten, daß ein Krieg vermieden werden müsse.317

In London wird derweilen die offizielle Antwort der britischen Regierung auf Hitlers Sechs-Punkte-Angebot zu Ende formuliert. Um 14 Uhr geht ein Telegramm von Lord Halifax an den englischen Botschafter in Warschau Kennard mit dem Auftrag, sofort beim polnischen Außenminister nachzufragen, ob sich die polnische Regierung zu direkten Verhandlungen mit der deutschen bereit erklärt.318 Im Telegramm steckt ein Schachzug Londons, der unweigerlich zum Kriege führt. Minister Halifax betont in diesem Auftrag an Botschafter Kennard als erstes, daß man in London genau zwischen der Methode der empfohlenen Verhandlung und den Zielen der Verhandlung unterscheide. Man werde die Andeutung der Verhandlungsbereitschaft von polnischer Seite nicht als Zustimmung zu Hitlers Forderungen in irgendeiner Weise mißverstehen. Die Verhandlungen hätten nach den Grundsätzen der Wahrung der wesentlichen Interessen Polens und der Gespräche „auf gleicher Augenhöhe“ zu geschehen. Großbritannien stehe weiter hinter Polen.