«Ich halte nicht viel von Siegen durch Nachgiebigkeit, Bolitho.
Die Franzosen sind und bleiben unsere Feinde. In Zukunft werden Sie ausschließlich Befehle ausführen, sonst nichts. Wir verhandeln nicht, sondern handeln, und das mit Nachdruck. «Er kräuselte verächtlich die Lippen.»Brüderlichkeit interessiert uns hier nicht.»
Gleichmütig sprach Bolitho weiter:»Ich habe den Tod meines Ersten Offiziers zu melden, Sir. Es steht alles im Bericht.»
Pomfret sah gar nicht nach dem Kuvert hin, sondern erwiderte kalt:»Sie scheinen große Anziehungskraft für Tod und Verderben zu besitzen, Bolitho. Ihr Erster Offizier, vorher das spanische Flaggschiff mit Admiral Anduaga, und natürlich Ihr eigener Kommandant, Sir William Moresby.»
Bolitho wurde rot vor Empörung.»Das ist unfair, Sir! Gerade bei Sir William habe ich mich befehlsgemäß verhalten!»
Pomfret winkte scheinbar freundschaftlich ab.»Sachte, Bolitho! Sie müssen lernen, sich zu beherrschen.»
Bolitho entspannte sich etwas. Jetzt wußte er, was ihm bevorstand. Ihm fiel ein, was er zu Quarme gesagt hatte:»Die Menschen ändern sich nicht. «Gelassen erwiderte er:»Bei der Einnahme von Cozar waren unsere Verluste sehr gering, Sir.»
«So hörte ich. «Pomfret lehnte sich zurück.»Nun — in Zukunft wird manches anders werden, denn Sie stehen jetzt unter meinem Kommando. Und dafür können Sie nur sich selbst die Schuld geben, denn Sir William ist schließlich auf Ihrem Schiff ums Leben gekommen. Ich bin lediglich in seine Schuhe getreten, Bolitho, genau wie Sie in die Captain Turners. «Ein flüchtiges Lächeln.»So, das wäre also das. Ich war unterwegs nach Neu-Holland und der Botany Bay,[6] als mich in Gibraltar die neuen Befehle erreichten. Ich sollte Gouverneur werden und aus diesem widerlichen Haufen von Sträflingen und Idioten, die dort für uns eine neue Kolonie gründen, etwas halbwegs Vernünftiges machen. «Seine Wangen röteten sich vor unterdrückter Wut.»Nun möge Gott ihnen helfen!»
Langsam sagte Bolitho:»Hätte ich gewußt, daß Sie kommen, Sir, dann hätte ich auf Cozar gewartet. Aber das Trinkwasser…»
Pomfret nickte finster.»Ah ja, das Trinkwasser! Sie sind immer noch derselbe, scheint mir. Zu weich!«Er nickte nochmals.»Oh, ich habe nichts vergessen, Bolitho, nur keine Angst!»
«Besten Dank, Sir.»
Pomfret sprang beinahe auf.»Seien Sie nicht so impertinent!«Wie erschöpft von der Hitze, sank er wieder in den Stuhl und fuhr etwas ruhiger fort:»Die Menschen respektieren Schwäche nicht, das sollten Sie inzwischen gelernt haben.»
Bolitho standen plötzlich die unglücklichen Sträflinge in der Bo-tany Bay vor Augen. Hunderte waren wegen aller möglichen Vergehen dorthin deportiert worden. Da die amerikanischen Kolonien nicht mehr zur Verfügung standen, hatte sich England entschlossen, seine unerwünschten Verbrecher auf die andere Seite der Welt zu schicken; dort mochten jene wenigen, die Not und unbekannte Krankheiten überlebten, für ihr Vaterland, das sie verstoßen hatte, neue Gebiete erschließen. Ob sie jemals erfahren würden, dachte er, was sie für ein Glück gehabt hatten, daß ihnen wenigstens Pomfret erspart geblieben war?
Wie im Selbstgespräch redete Pomfret weiter:»Ich habe es satt, bei solchem Geschmeiß von Ehre und Loyalität zu hören. Die lügen, betrügen und saufen doch nur und kümmern sich einen Dreck um anständige Seeoffiziere wie Sie und mich.»
Bolitho wußte nicht genau: meinte er Sträflinge oder Matrosen — oder machte er da keinen Unterschied? Er entgegnete:»Auf alle Fälle sind es Männer, Sir, und ich verachte keinen, nur weil er nicht dieselben Überzeugungen hat wie ich.»
Pomfret musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen.»Dann sind Sie ein noch größerer Narr, als ich dachte. «Er beugte sich vor, um seinen Worten stärkeres Gewicht zu verleihen.»Sie befehligen keine Fregatte mehr, Bolitho. Unter meiner Aufsicht werden Sie lernen, Ihre Pflicht so zu tun, wie es sich für den Kommandanten eines Vierundsiebzigers gehört — verstanden?»
«Jawohl, Sir. «Bolitho blickte ihn unbewegt an.»Aber bisher war ich allein und handelte, wie ich es für richtig hielt. Wir haben die Männer der Fairfax wieder, und vielleicht auch bald die Schaluppe.»
Pomfret trocknete sich das Gesicht mit einem seidenen Tuch.»Haben Sie auch die Offiziere der Fairfax!»
«Nein, Sir. Die Franzosen hatten sie bereits nach Norden transportiert, um sie eventuell auszutauschen.»
«Schade«, antwortete Pomfret mit einem abwesenden Nicken.»Ich hätte die Dummköpfe vors Kriegsgericht gestellt, weil sie sich das Schiff mit einem so blöden Trick wegnehmen ließen. Aber im Moment habe ich andere Sorgen. «Er blätterte in einigen Papieren.»Ich werde Lord Hood über die derzeitige Situation berichten, und inzwischen wollen wir auf dieser makabren Insel eine richtige Garnison aufbauen. «Herausfordernd blickte er in Bolithos ernstes Gesicht.»Sie sieht ja aus wie der nutzloseste Fleck der Erde!»
«Die Insel hat einen guten Hafen, Sir. Es gibt auch noch ein altes Dorf, wo früher die Sträflinge untergebracht waren. Aber das ist jetzt zerfallen. Die Festung haben Sie gesehen, und.»
Stirnrunzelnd unterbrach ihn Pomfret:»Sie können Ihre Seesoldaten wiederhaben. Die Armee übernimmt jetzt die Insel, unter meinem Kommando natürlich.»
Natürlich, dachte Bolitho wütend.»Und meine Segelorder, Sir?»
Pomfret gähnte.»Fanshawe gibt sie Ihnen umgehend, sonst hol' ihn der Teufel. Sie werden unverzüglich nach Gibraltar segeln und meine Anordnungen wörtlich genau ausführen!«Er ignorierte Bo-lithos überraschte Miene.»Ich befehligte einen Konvoi von Sträflingstransportern, als das hier losging. Sie werden ihn herbringen.»
«Aber was wird aus St. Clar, Sir?«Es war Bolitho, als würde die Kajüte drückend eng.
«St. Clar steht immer noch, wenn Sie zurückkommen, Bolitho. «Es klang wie eine Zurechtweisung.»Lord Hood hat mir hier das Oberkommando übertragen und mir damit freie Hand gegeben, um aus diesem ziemlich unbefriedigenden Anfang einen vollen Erfolg zu machen!»
Steif stand Bolitho auf.»In Gibraltar — sind das Versorgungsschiffe, Sir?»
«Zum Teil. Aber das alles steht in Ihrer Order. Seien Sie unbedingt in Gibraltar, bevor der ganze Konvoi abgesegelt ist. Sonst wäre ich gar nicht erfreut, kann ich Ihnen versichern!«Und als Bolitho sich zum Gehen anschickte, fügte Pomfret noch hinzu:»Ich habe mich um dieses Kommando nicht beworben, Bolitho. Aber nun, da ich es habe, werde ich es auch erfolgreich zu Ende führen, und wer mir dabei Schwierigkeiten macht, kriegt Ärger. So wahr mir Gott helfe!«Er hatte mit großer Entschiedenheit gesprochen, aber auf einmal schien er genug von diesem Gespräch zu haben.»Anschließend werde ich Ihren Bericht lesen und sehen, was er taugt. Ich nehme an, Sie wollen Ersatz für Ihren toten Leutnant?»
«Jawohl, Sir.»
«Schön, sprechen Sie mit dem Flottenkommandanten in Gibraltar. Dazu haben Sie meine Erlaubnis.»
Bolitho verschluckte seine Erwiderung. Erstaunlich, wie die Beförderung einen Menschen bis zur Überheblichkeit verändern konnte. Er sagte nur:»Dann werde ich sofort Anker lichten, Sir. «Noch in der Tür hörte er Pomfret ihm nachrufen:»Sie haben meine Befehle jederzeit wortgetreu auszuführen!»
Kapitän Dash erwartete Bolitho bei der Fallreepspforte, eine Menge Fragen im Gesicht.»Na, Bolitho, ist er der Mann, an den Sie sich erinnerten?»
Bolitho starrte zu den schlanken Masten der Hyperion hinüber.»Genau der. «Und mit einem Blick nach unten zu der wartenden Gig:»Ich glaube, wir haben eine interessante Zeit vor uns.»
Eine knappe Stunde nach der kurzen Besprechung bei Konteradmiral Pomfret hatte die Hyperion bereits Anker gelichtet, und ihr Bugspriet strebte wieder der fernen, lockenden Kimm zu. Die Besatzung mußte glauben, ein Fluch laste auf dem Schiff, es sei dazu verdammt, ewig zu segeln, bis die Planken verrotteten und die Männer ins Meer fielen. Daß auf einmal so viele Schiffe vor Cozar lagen und sogar Infanterie auf der Insel war, hatte großes Interesse erregt: die Matrosen der Hyperion waren sogar irgendwie stolz darauf gewesen, als hätten sie dadurch, daß sie allein nach St. Clar gesegelt waren und tollkühn dicht am Feind geankert hatten, diese ganze Operation in Gang gesetzt.