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»Und für das Roulette«, sagte ich.

»Ja, und für das Roulette«, sagte sie.

»Und für Sie, Mrs. Collins.«

Sie sah mich lange an und trank.

»Ja«, sagte sie endlich. »Und für mich natürlich. Aber das war nicht Leidenschaft. Das war Liebe und Vertrauen, absolutes Vertrauen.« Sie senkte den Kopf. Es war plötzlich still im Abteil, und ich konnte überlaut das jagende Geräusch der Achsen hören, den Sturm, den Regen. Mrs. Collins warf den Kopf zurück. »Ja, Erskine nahm die Einladung Mondra­ gons an. Der wollte am Montag um fünfzehn Uhr mit seinem Wagen vor dem CARLTON stehen und uns abholen und dann später auch wieder zurückbrin­ gen.« Sie zuckte die Schultern. »Am Samstag wur­ de mein Mann aus Paris angerufen. Vom Direktor der französischen Bank, mit der er seit vielen Jah­ ren zusammenarbeitete. Sie wissen schon, wie es weiterging, Monsieur Royan, nicht wahr?« »Dieser Direktor bat Ihren Mann, wegen einer wich­ tigen Transaktion am Montag unbedingt nach Paris zu kommen«, sagte ich.

»Genau das bat er meinen armen Erskine, ja. Es handelte sich um eine ganz große Sache. Erskine mußte einfach nach Paris, es ging nicht anders. Mein Mann wollte schon am Sonntag abend fliegen und Dienstag vormittag wieder bei mir sein. Ich war solche plötzlichen Reisen gewohnt. Am Nachmittag, während Erskine wie gewöhnlich nach dem Essen schlief, rief ich Mondragon an und sagte ihm, daß wir den Besuch bei ihm verschieben müßten und warum.«

»Und?«

»Er sagte: ›Verschieben? Das kommt überhaupt nicht in Frage! Daß Ihr Mann nach Paris muß, ist ein Geschenk des Himmels. So sind wir endlich al­ lein.‹ - ›Sie haben den Verstand verloren‹, sagte ich. ›Sie glauben doch nicht, daß ich ohne meinen Mann zu Ihnen komme‹. - ›Ja‹, sagte er darauf fröh­ lich, ›genau das glaube ich.‹ -›O nein!‹ rief ich. - ›Ja, ja, natürlich, o nein‹, sagte er. ›Seien Sie bitte um drei Uhr auf der Terrasse Ihres Hotels und erwarten Sie mich, damit Sie gleich einsteigen können, wenn ich komme. Es ist immer gräßlich schwierig, dort zu parken.‹ - ›Niemals‹, sagte ich und war plötzlich wütend, ›niemals werde ich um drei Uhr auf der Ter­ rasse auf Sie warten, Monsieur Mondragon.‹« Sie trank einen großen Schluck. Dann lächelte sie, und dann sagte sie, mir in die Augen blickend: »Ich wartete schon ab halb drei auf ihn.«

Sein Wagen war alt und verbeult. Mondragon trug weiße Schuhe, eine weiße Leinenhose und darüber ein blaues Hemd. Sie fuhren nach Saint-Paul-de-Vence, fast ohne miteinander zu reden. Es war sehr heiß an diesem Tag, und als sie ankamen, sah Mrs. Collins alles, wovon Mondragon ihr erzählt hatte: die alte Befestigungsmauer, die Kirche aus dem dreizehnten Jahrhundert mit ihrem später gebauten Glokkenturm, den Parkplatz mit dem großen Oliven­ baum, auf dem sich ein paar Männer beim boule, diesem Spiel mit Metallkugeln, auf der roten, festge­ tretenen Erde des Platzes vergnügten, und sie sah die uralten Häuser in der schmalen Straße. Das Pflaster bestand aus katzenkopfrunden Steinen. Mrs. Collins trug Schuhe mit hohen Absätzen. Sie konnte kaum gehen. »Ziehen Sie die Schuhe aus!« sagte Mondragon. Sie folgte ohne ein Wort. Barfuß ging sie neben dem großen Mann mit den hellen Augen die Straße hinauf. Als er dann endlich die Tür eines Hauses öffnete, blieb sie vor Staunen stehen. Sie hatte nicht erwartet, was sie sah: eine riesige, weißgetünchte Halle, gewiß zwei Stockwer­ ke hoch, in der Steinstatuen von Männern und Frauen standen. Manchen fehlte ein Arm oder ein Bein, einem Mann fehlte der Kopf. Hell fiel das Sonnenlicht durch Fenster, die sich hoch oben in den Wänden befanden.

Eine überbreite Treppe führte die Mauern entlang zu verschiedenen Absätzen, von denen aus sich Türen öffneten. Die Stufen der Treppe waren grau und ausgetreten. Viele Jahrhunderte alt mußte die­ ses Haus sein. Pierre Mondragon führte Mrs. Col­ lins darin herum. Er zeigte ihr Wohnräume, die vol­ ler antiker Möbel waren, und verschiedene Samm­ lungen. In einem Raum gab es Hunderte von kleineren und größeren Elefanten, aus allen denk­ baren Materialien gefertigt.

»Sie müssen den Rüssel nach oben tragen«, erklär­ te Mondragon, »sonst bringen sie kein Glück.« In einem anderen Raum befand sich eine Samm­ lung von Puppen aus der ganzen Welt, des wei­ teren zeigte er ihr bizarre Gebilde, aus wunder­ samen Wurzeln geschnitzt, einen ganzen Raum voll der herrlichsten Gläser in allen Farben und ein Zimmer, in dem auf Tischen unzählig viele große, bunte Glaskugeln lagen. Im Hauptwohnraum gab es einen Kamin und Hähne, Hähne aus allem mögli­ chen Material wie die Elefanten und in jeder Form und Größe. Sie standen auf der Erde - alle Räume hatten glatte, ausgetretene Steinböden -, sie hingen an den Wänden, hingen von der Decke herab an Schnüren; der Raum war voll von ihnen. »Auch Hähne bringen Glück«, sagte Mondragon. »Natürlich müssen sie die Schnäbel weit geöffnet haben. Wissen Sie, was die Hähne rufen?« Mrs. Collins fühlte sich plötzlich schwer benommen. Sie setzte sich in ein altes, tiefes und weiches Fau­ teuil.

»Was rufen die Hähne?« fragte sie.

»Wacht auf, Verdammte dieser Erde!« antwortete Mondragon. »Sie sind doch die Wecker der Schlä­ fer, nicht wahr? Und die meisten Menschen schla­ fen nicht nur nachts, sondern ihr Leben lang. Ja,

das rufen die Hähne. Was darf ich Ihnen zu trinken anbieten? Sie müssen doch verdursten. Entschuldi­ gen Sie!« Er zog an einem roten Samtriemen, der an der weißen Wand hing. Gleich darauf klopfte es, und eine unscheinbare Frau von unbestimmbarem Alter trat ein. Sie trug einen schwarzen Kittel und keine Schuhe. Ihre Füße waren schmutzig, ihr schwarzes Haar hing ins Gesicht. Sie sah häßlich aus, und dennoch dachte Mrs. Collins, daß diese Frau einmal sehr schön gewesen sein mußte. »Das ist Maria«, sagte Mondragon, »meine Haus­ hälterin.«

»Guten Tag, Maria«, sagte Mrs. Collins und lächelte sie an.

»Guten Tag, Madame«, sagte Maria, und ihr Ge­ sicht blieb ernst, fast tragisch in seiner Häßlichkeit. »Was wollen Sie trinken?« fragte Mondragon und blickte Mrs. Collins an. »Bei dieser Hitze würde ich nicht zu Whisky raten. Vielleicht Gin-Tonic?« »Ja, bitte«, sagte Mrs. Collins.

»Du hast gehört, Maria«, sagte Mondragon. »Ja, Monsieur.«

»Mir auch einen, bitte.«

»Zwei Gin-Tonic«, sagte Maria.

»Besser, du bringst die Flaschen und zwei Gläser und Eis«, sagte Mondragon.

»Wie Sie wünschen, Monsieur.« Maria ver­ schwand.

»Eine gute Frau«, sagte Mondragon. »Leider sehr dumm. Aber auch sehr ergeben.«

»Wie lange ist sie schon bei Ihnen?« fragte Mrs. Collins, die ihre große Beklommenheit nicht los wurde, und blickte auf ihre Füße. Sie hielt noch im­ mer die hochhackigen Schuhe in der Hand. Die Sohlen meiner Füße werden auch schmutzig sein, dachte sie.