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Ich fragte: »Und am nächsten Tag kehrte Ihr Mann aus Paris zurück?«

»Wie er es vorgehabt hatte, ja, Monsieur Royan. Mit der ersten Maschine. Ich fuhr im Taxi nach Nizza und holte ihn am Flughafen ab. Er war bester Lau­ ne, er hatte doch ein großes Geschäft abgeschlos­ sen. Er umarmte und küßte mich immer wieder, als wir nach Cannes zurückfuhren.«

»Und Sie?«

»Ich? Ach so ... Ich sagte Ihnen ja schon: Ich emp­ fand nicht die Spur von Schuld ... Niemals! Auch an jenem Tag nicht. Ich betrug mich ganz natürlich, ich hatte für Erskine dieselben Gefühle wie immer ... Nein, nicht die Spur von Gewissensbissen. Erwar­ ten Sie keine Tragödie, Monsieur Royan! Dieser Dienstag war der achtzehnte April, also wirklich un­ ser fünfundzwanzigster Hochzeitstag. Wir hatten beschlossen, ihn allein zu verbringen. Als wir ins CARLTON kamen, stand im Salon unseres Apparte­ ments eine Vase mit fünfundzwanzig roten Rosen. Erskine hatte von Paris aus den Portier angerufen und gebeten, sie während meiner Abwesenheit zu besorgen. Er küßte meine Hände und meine Lip­ pen, und er sagte, er danke mir für fünfundzwanzig Jahre Glück - und neben den Rosen stand meine Handtasche, und in ihr lag dieses Bild von dem Mandelbäumchen. Und ich küßte Erskine auch und sagte, er sei immer ein guter Mann gewesen, der beste, den ich mir wünschen könne.«

Sie mieteten einen Wagen mit Chauffeur und fuhren am Nachmittag die Küste entlang, über die Basse Corniche nach Monte Carlo. Es war Erskines Einfall gewesen, dort eine Nacht im HOTEL DE PARIS zu verbringen. Sie nahmen zwei Koffer mit Abendgar­ derobe mit. Als sie sich abends umzogen, um im Salle Empire zu essen, ging Mrs. Collins ins Bade­ zimmer. Sie kontrollierte noch einmal die Frisur. Das braune Haar fiel in großen, weichen Wellen über ihre Schultern. Sie trug ein grünes Seidenkleid, körperbetont wie die meisten ihrer Abendroben. Die Frisur war in Ordnung.

Im Salon stand, schon im Smoking, ihr Mann. Vor ihm auf dem Tisch lag ein großes, mausgraues Etui. »Mein Geschenk für die beste Frau, die es gibt«, sagte er fröhlich.

Sie öffnete das Etui und holte tief Atem. Sie sah einen großen Brillantring in Smaragdschnittform, ein Paar Brillantohrringe, ein Brillantarmband und ein breites Brillantcollier mit vielen Steinen. Ein Millio­ nenvermögen lag vor ihr.

»Oh, Erskine, Erskine ... Du bist verrückt ge­ worden!« Sie griff nach den einzelnen Teilen des Sets, und die Steine funkelten im Licht. »Total ver­ rückt geworden bist du!«

Er lachte sein kehliges Lachen.

»Gefällt es dir, darling?« Er begann, ihr die Teile anzulegen. Er streifte ihr den Ring über den Finger. »Ich habe deinen Rubinring geklaut, bevor ich ab­ flog. Du hast es gar nicht bemerkt, gestehe! Ich mußte Monsieur Alassian doch deine Fingergröße zeigen können ...«

»Monsieur wem?«

»Reuben Alassian! Gott, bist du durcheinander. Dem Juwelier aus Nizza, erinnere dich, dem freund­ lichen alten Herrn.«

»Das ... das hast du alles bei Alassian gekauft?« »Sage ich doch. Zuerst war ich unentschieden, was ich wählen solle. Da haben wir dann diesen Maler gefragt ...«

»Pierre Mondragon?« Ihr Atem stockte. »Ja, deinen Freund, mit dem du dich so gut ver­ stehst.«

»Wann habt ihr ihn gefragt?«

»Na, vor meinem Abflug. Erinnere dich, ich habe gesagt, ich muß in Nizza noch einen Kriegska­ meraden treffen. Du bist im Hotel geblieben. Im La­ den von Alassian haben wir eine kleine Konferenz abgehalten, er, ich und eben Mondragon. Alassian hatte ihn angerufen und gebeten, nach Nizza zu kommen. Mondragon war es, der sagte, zu dir wür­ de dieses Brillanten-Set am besten passen. Und er hat recht, bei Gott, er hat recht. Wozu so ein Maler doch gut ist!«

Sie lief zurück ins Badezimmer, um sich noch ein­ mal im Spiegel zu sehen. Sie sagte erstickt: »Aber Brillanten im Smaragdschnitt sind doch so teuer ... Mondragon hat da gewiß das Teuerste ausgesucht, was Alassian im Geschäft hatte.«

Er stand hinter ihr und lachte wieder rauh. »Das ist gut möglich, darling. Aber was soll's? Wenn doch wirklich alles am besten zu dir paßt, die Ohrringe, das Collier, das Bracelet ...« Er neigte sich vor und küßte ihre nackte Schulter. »Happy anniversary«, sagte er. »Happy anniversary, dar­ ling!«

Nach dem Essen gingen sie ins Casino, und alle Männer drehten sich nach Mrs. Collins um, und darüber freute sich Mr. Collins. Sie durfte an diesem besonderen Abend sogar neben ihm sitzen, wäh­ rend er spielte, und er gewann eine große Summe. »Du bringst mir Glück.«

»Hast du das noch nicht gewußt?«

»Doch, natürlich ... Aber beim Spiel ... Du bist wirk­ lich eine ganz wunderbare Frau. Dein Freund, der Maler, dieser Monsieur Mondragon, hat es gleich erkannt.«

»Hat er das gesagt?«

»Ja.«

»Was hat er genau gesagt?«

»Daß du die wunderbarste Frau bist, die ihm jemals begegnet ist«, antwortete Erskine Collins. »Ich wür­ de gerne noch ein wenig Baccarat spielen. Darf ich?«

Er spielte lange, und er trank viel Whisky im Casino. Es war beinahe vier Uhr morgens, als sie über den großen Platz zum HOTEL DE PARIS zurückgingen. Einmal im Bett, schlief Mr. Collins sofort ein. Mrs. Collins lag noch lange mit weitgeöffneten Augen reglos neben ihm. Am Nachmittag dieses Tages kehrten sie ins CARLTON nach Cannes zurück. In der Folgezeit sahen sie häufig das eine oder an­ dere Paar, das der Generalkonsul zur Gala ins PALM BEACH eingeladen hatte an jenem Abend, an dem Mrs. Collins den Maler Mondragon kennenlernte. Sie nahmen einen Drink auf der Hotelterrasse mit diesen Leuten, sie aßen zu Abend mit ihnen, zwei­ mal war auch Mondragon dabei. Er betrug sich völ­ lig natürlich, ebenso wie Mrs. Collins. Selbstver­ ständlich landeten sie jedesmal, auch mit Mondra­ gon, zuletzt im Casino, denn Erskine spielte für sein Leben gern.

Mondragon und Mrs. Collins saßen wieder an der Bar. Sie tranken und streichelten einander heimlich. »Er fliegt jetzt nicht mehr weg, Pierre. Wann sehen wir uns? Wo? Und wie? Ich halte es kaum aus vor Sehnsucht.«

»Laß mich nur machen, Annabel Lee, laß mich nur mit ihm reden«, sagte Mondragon.

Als Erskine Collins endlich vom Roulette zu ihnen kam, um einen Drink zu nehmen, sagte der Maler: »Wir haben uns gerade über die Fondation Maeght unterhalten, Mister Collins. Ihre Frau will so gerne

all die berühmten Bilder sehen, die dort hängen. Sie will auch meine Bilder sehen und so vieles andere. Das Picasso-Museum in Antibes mit seinen Gemäl­ den, Keramiken und Zeichnungen ... Dann Vallau­ ris. Dort werden nach alten Überlieferungen provenzalische Töpferwaren hergestellt - seit etwa 1950 und unter dem Einfluß von Picasso, Pignon und Prinner ist Vallauris sicher zum berühmtesten Kunstkeramikzentrum der Welt geworden ... Oh, und das ehemalige Schloß der Mönche von Lerins! Die Kapelle aus dem sechzehnten Jahrhundert, die von Picasso ausgestattet wurde ...«

Mr. Collins seufzte.

»Hören Sie auf, Pierre - ich darf doch Pierre zu Ih­ nen sagen?«

»Aber gewiß, Erskine.«

Mr. Collins wurde ein wenig verlegen. »Ich bin ein Bauer. Ein Bauer, der nur mit Geld umgehen kann, den nur Geld interessiert, um ganz ehrlich zu sein. Seht mal, ich bin der Älteste von euch. Ich bin hier­ hergekommen, um meiner Frau die Côte d'Azur zu zeigen. Vom Wagen aus sozusagen, verstehen Sie, Pierre. Ich bin zu alt und zu faul, um viel herumzu­ laufen und mir Bilder und Plastiken anzusehen. Sei nicht böse, darling, bitte! Dein alter Erskine ist ein bißchen müde. Und Bilder und all das interessieren ihn wirklich nicht. Das Glück hat es gewollt, daß wir Monsieur Mondragon ...«

»Pierre.«

»... daß wir Pierre begegnet sind, entschuldigen Sie, Pierre. Ich mache euch einen Vorschlag, ja? Nach dem Essen schlafe ich, wenn es nur ir­ gendwie geht, immer eine Stunde. Dann bin ich am Abend frisch. Hier ist die Luft anders, hier werde ich sicher zwei Stunden nach dem Essen schlafen, viel­ leicht drei. Dann ist es schon spät am Nachmittag. Wenn es nach mir ginge - und nur wenn es dir recht ist, darling -, würde ich dann vor dem Essen ein wenig spielen ... und nach dem Essen auch ... War­ um tut ihr zwei euch nicht zusammen, und Pierre zeigt dir alle Sehenswürdigkeiten der Gegend, wäh­ rend ich schlafe und mein Spielchen mache? Und wir treffen uns gegen neun hier im Saal, da drüben gibt es auch ein Restaurant, wir könnten im Saal essen ... was meint ihr?«