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Damit ließ er sich wieder am Tisch nieder und drehte eine Seekarte herum. Seine drei Schiffe hielten im Augenblick auf die Küste zu, genauer gesagt auf die Loire-Mündung, aber das war nicht weiter ungewöhnlich. Unzählige britische Schiffe vor ihm hatten das gleiche getan, entweder im Verband oder einzeln, um die französische Flotte in Atem zu halten und ihre wichtigen Ver-sorgungs- und Verbindungswege zu blockieren.

Die am Tage eingetroffene Kurierbrigg war inzwischen schon wieder unterwegs, Kurs Nord und heim nach England. Sie hatte Depeschen vom Befehlshaber des Süd-Geschwaders an Bord, Berichte und Informationen, die eines Tages für die Lagebeurteilung durch die Admiralität bedeutsam werden mochten.

Aber dem üblichen Marinebrauch entsprechend hatte der Kommandant der Brigg Anweisung gehabt, mit jedem ranghöheren Offizier Kontakt aufzunehmen, dessen Schiff er unterwegs begegnete. Und ein scharfäugiger Ausguckposten hatte dafür gesorgt, daß dieser Offizier Bolitho war.

Er sagte nun:»Inzwischen kennen Sie alle in groben Zügen unseren Einsatzbefehl und damit den wahren Grund für unsere Anwesenheit in diesem Sektor.»

Er musterte die gespannten Gesichter; alle waren so jung und ernst, dachten wohl jeder an die angeblich geheimen Friedensverhandlungen, deren erfolgreicher Ausgang für sie jede Aussicht auf baldige Beförderung zunichte machen konnte. Bolitho verstand das recht gut. Zwischen den beiden Kriegen war er selbst einer der wenigen Glückspilze gewesen, denen man ein Schiff überantwortet hatte, während die meisten Offiziere verarmt und von niemandem gebraucht an Land versauerten.

«Vor einer Woche stießen unsere Patrouillen im Süden auf ein spanisches Handelsschiff und wollten es aufbringen. Da es schon fast dunkel war, suchte der Spanier sein Heil in der Flucht. Aber er hatte mehrere Einschußlöcher im Rumpf, außerdem ging seine

Ladung über, deshalb begann er zu kentern. Unsere Entermannschaft kam gerade noch rechtzeitig, um die Schiffspapiere an sich zu nehmen und zu entdecken, daß die Ladung aus Bausteinen bestand. Mit etwas Nachhilfe gestand der spanische Kapitän schließlich, daß seine Ladung für diesen Sektor bestimmt war. «Bolithos Finger pochten auf eine Stelle der Seekarte.»Er liegt vierzig Seemeilen südlich von unserem jetzigen Standort: die Ile d'Yeu.»

Wie er erwartet hatte, war ihre Erregung allmählich der Enttäuschung gewichen, deshalb beschloß er, sie nicht länger auf die Folter zu spannen.

«Der spanische Kapitän berichtete, daß er schon mehrmals bei der Insel gewesen war und dort jedesmal eine Ladung Steine gelöscht hatte. «Bolitho nahm den Stechzirkel auf und ließ ihn über die Karte wandern.»Außerdem informierte er uns, daß der Ankerplatz voll kleiner Fahrzeuge liege, die alle neu und frisch ausgerüstet seien. Ihren Verwendungszweck konnte er uns nicht nennen — bis man ihm Zeichnungen vorlegte, welche französische Landungsboote zeigten, wie sie jetzt in den Kanalhäfen zusammengezogen werden. «Zufrieden registrierte Bolitho das plötzlich wiedererwachte Interesse der Tischrunde.»Sie waren absolut identisch. Während wir also Belle Ile und Lorient überwachen, kann der französische Admiral seine Flottillen von Landungs- und Mörserbooten jederzeit nach Norden in Marsch setzen, wenn er weiß, daß die Luft rein ist.»

Duncan öffnete den Mund, schloß ihn aber gleich wieder.

«Kapitän Duncan«, sagte Bolitho,»Sie haben eine Frage?»

«Die Bausteine, Sir. Ihr Zweck leuchtet mir nicht ein. Selbst für Schiffsneubauten braucht man nicht solche Mengen Ballast, und wenn, müßten sie doch leicht in der näheren Umgebung der Werften zu finden sein.»

«Vielleicht nehmen sie die Steine nur vorübergehend als Ballast auf, und zwar bis zur endgültigen Indienststellung in Lorient oder Brest. Dort könnten die Steinladungen dann gelöscht und zur Verstärkung der Festungswälle und Landbatterien verwendet werden. Das wäre zweckmäßig und würde sehr viel weniger Aufmerksamkeit erregen als ein Transport auf größeren Schiffen. Wie dem auch sei, meine Herren, wir haben die ganze Zeit das falsche Gebiet überwacht. Aber jetzt sind wir klüger, und ich beabsichtige, aufgrund dieser Informationen zu handeln.»

Neale und Duncan grinsten einander an, als wären sie Verbündete in einer Schlacht, die bereits geschlagen und gewonnen war.

Emes dagegen wandte ein:»Aber ohne Verstärkung wird das eine harte Nuß für uns, Sir. Ich kenne die Ile d'Yeu und das schmale Fahrwasser zwischen ihr und der Küste. Eine Reede, die leicht verteidigt, aber schwer angegriffen werden kann. «Sein Gesicht erstarrte wieder zur Maske, weil ihn die anderen so anfunkelten, als hätte er einen unerhörten Fauxpas begangen.

«Gut gesagt. «Bolitho legte beide Hände flach auf die Seekarte.»Deshalb starten wir auch ein Ablenkungsmanöver. Die Franzosen bekommen uns dort zu sehen, wo sie uns erwarten, und werden deshalb nicht mit einem Überfall in so engen Gewässern rechnen. «Er drehte sich zu Browne um, der schon seit einigen Minuten seine Aufmerksamkeit zu erregen versuchte.»Ja?»

«Sir, wenn wir warten, bis Verstärkung eintrifft — was ja auch Sir George Beauchamps ursprünglichem Plan entspräche — , dann hätten wir doch gewiß bessere Erfolgsaussichten? Andererseits, wenn die Kurierbrigg mit neuen Befehlen zurückkehrt, die unseren jetzigen Auftrag widerrufen, dann hätten wir verfrüht gehandelt und besser nichts getan.»

«Nichts tun, Mann?«explodierte Duncan.»Was reden Sie da?»

Aber Bolitho lächelte.»Ich verstehe, was Sie damit sagen wollen, Browne.»

Wie Herrick und Allday, so versuchte auch Browne nur, ihn zu schützen. Wenn sein Angriff mißlang, würde die Friedenspartei seinen Kopf fordern. Wenn er sich andererseits jetzt still verhielt, konnte niemand ihm daraus einen Vorwurf machen. Aber Beau-champs Vertrauen wäre damit bitter enttäuscht.

Deshalb sagte er ruhig:»Wenn es zum Friedensschluß kommt, dann soll das unter gleichen und fairen Bedingungen geschehen, nicht unter der Drohung einer Invasion. Und wenn der Krieg später wieder ausbricht, müssen wir schon heute sicherstellen, daß unsere Leute nicht von dem Augenblick an, da der Friedensvertrag zerrissen wird, auf verlorenem Posten kämpfen. Ich wüßte also nicht, was mir anderes übrigbliebe.»

Duncan und Neale nickten eifrig, aber Emes wischte sich nur mit ausdruckslosem Gesicht ein loses Fädchen vom Ärmel. In der Stille hörte Bolitho Smiths Feder über das Papier kratzen.

Er fügte hinzu:»Ich habe schon zu viele Schiffe verlorengehen sehen, zu viele Menschen sterben, als daß ich eine Chance ignorieren könnte, die für unsere Zukunft wichtig, ja entscheidend ist. Also schlage ich vor, meine Herren, daß Sie an Bord zurückkehren und Ihre Pflicht tun, genau wie ich hier.»

Als die drei Kommandanten die Kajüte verlassen hatten, sagte Bolitho zu Browne:»Dank für Ihre Sorge um mich, Oliver. Aber ich hatte von Anfang an keine andere Wahl. Auch ohne diese neuen Informationen hätte ich jetzt losschlagen müssen. Zumindest weiß ich nun, wo. Nur das Wie herauszufinden, dauert immer ein bißchen länger.»

Browne lächelte gerührt, weil Bolitho seinen Vornamen benutzt und ihm seine Überlegungen anvertraut hatte. Doch als der Admiral fortfuhr, war sein Ton wieder distanziert, als sei er in Gedanken bereits woanders.

«Aber etwas geht mir nicht aus dem Kopf.. «Er dachte an den verbitterten und reservierten Emes, an seinen wunschlos glücklichen Neffen Adam, an die junge Frau in Falmouth.»Wenn ich wüßte, was das ist, wäre mir schon sehr viel wohler.»

Falls es nicht schon zu spät ist, dachte er insgeheim.

IV Kampfgeist

Sieben Tage nach dem Treffen der Kommandanten wartete Bolitho immer noch ungeduldig auf neue Nachrichten. Ihm kam es so vor, als hätte die Welt jenseits von Styx ihn vergessen oder schon abgeschrieben.

Die beiden anderen Fregatten hatte er absichtlich nach Belle Ile geschickt, damit sie die Insel und ihre Zufahrten für alle sichtbar kontrollierten. So mußten die Franzosen glauben, die Blockade sei in vollem Umfang aufrechterhalten. Und während Styx im Süden auf einem Dreieckskurs mit jeweils zwanzig Meilen langen Seiten langsam hin und her kreuzte, hielt die kleine Brigg Verbindung zwischen den drei Schiffen.