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Die beiden Männer lachen. Und ich verstehe nur noch Bahnhof. Wir sitzen im wahrsten Sinne des Wortes auf zwei Millionen Euro Lösegeld und die Typen unterhalten sich über die Frage, wie man einen Gebrauchtwagen am besten los wird? Unglaublich!

»Tja, ich tue, was ich kann«, sagt Schmidt.

»Nicht so bescheiden! Sie sind ein wahrer Meister der Autoreinigung!«, lobt ihn der andere Mann. »Der Wagen meiner Freundin kann es wirklich vertragen. Und das Lustigste ist, dass er genauso aussieht wie mein eigenes Auto: Auch ein blauer Golf. Können Sie den bitte gleich mitnehmen?«

»Klar, kein Problem, ich muss ja sowieso zurück zum Schrottplatz. Wo steht denn das Schätzchen?«, will Schmidt nun wissen.

»Gleich da drüben. Kommen Sie!«

Schätzchen? Meint er damit das Auto? Oder vielleicht doch Emilia?! Ich nehme all meinen Mut zusammen und setze mich so auf, dass ich richtig aus dem Fenster gucken kann. Die beiden Männer stehen jetzt vor einem anderen Auto, und als sich der Kerl neben Herrn Schmidt zu uns umdreht und noch mal zu unserem Wagen kommt, erkenne ich ihn sofort: Es ist Herr Salemke, der Klavierlehrer! Emilias Klavierlehrer!

Mit einem Mal wird mir alles klar: Wir verfolgen die ganze Zeit den Falschen! Herr Schmidt ist nicht der Entführer. Ja, er ahnt vermutlich gar nicht, dass er da in ein Verbrechen hineingeraten ist. Er hat Herrn Salemke anscheinend ganz ahnungslos den Wagen vorbeigebracht – und somit gleichzeitig das Lösegeld. Deswegen hat Frau Stetten die Tüte auch so umständlich unter dem Vordersitz versteckt: Damit Schmidt sie erst gar nicht sieht. Noch dazu lange bevor die Lösegeldübergabe eigentlich stattfinden sollte. Das waren mit Sicherheit neue Anweisungen von Salemke, von denen die Polizei nichts weiß. Und nun wird Schmidt ebenso ahnungslos das nächste blaue Auto mit auf den Schrottplatz nehmen – und die Polizei wird den falschen Wagen beobachten, während Salemke mit dem Lösegeld schon über alle Berge ist! Ja, so oder so ähnlich muss es sein! Heilige Ölsardine! Was für ein bösartiger, aber genialer Plan!

Auch Odette kommt unter der Decke hervor. »Winston, was ist denn? Kennst du den Mann tatsächlich?«

»Ja, es ist Emilias Klavierlehrer, Herr Salemke. Ich habe ihn in der Schule schon mal gesehen, weil er dort hilft, das Musical einzustudieren.«

»Echt? So ein Zufall! Dass gerade der Herrn Schmidt kennt.«

»Nein«, widerspreche ich, »ich glaube nicht, dass das ein Zufall ist. Ich glaube, in Wirklichkeit ist Salemke der Entführer. Und er hat Schmidt dazu gebracht, dass der ihm ganz ahnungslos das Lösegeld vorbeibringt.«

»Hm, das verstehe ich nicht. Wie kommst du darauf? Die Briefe rochen doch alle nach diesem Schmidt.«

»Tja, wie das kommt, weiß ich auch noch nicht so genau, aber auch dafür wird es eine logische Erklärung geben. Den Rest erzähle ich dir später in Ruhe, Odette. Jetzt müssen wir erst mal überlegen, wie wir aus der Nummer wieder rauskommen. Denn Schmidt wird gleich mit dem anderen Auto da drüben wieder zum Schrottplatz fahren und dann stecken wir hier allein mit einem Verbrecher in der Tiefgarage. Also, was sollten wir jetzt tun …?«

In diesem Moment wird die hintere Wagentür aufgerissen. Ich bin so verdattert, dass ich gar nicht mehr dazu komme, mich wieder unter der Wolldecke zu verstecken. Stattdessen finde ich mich auf einmal Auge in Auge mit Salemke wieder. Verdammtes Katzenklo – das ist nicht gut!

»Schmidt!«, ruft Salemke völlig überrascht. »Haben Sie zwei Katzen mitgebracht?«

»Zwei Katzen? Nee, wieso?« Er kommt zu uns herübergelaufen. »Ach nee! Das gibt’s doch gar nicht! Was wollt ihr beiden denn schon wieder hier?«

»Kennen Sie die zwei etwa?« Die Stimme von Salemke klingt so scharf, dass man mit ihr locker frisch gekochte Geflügelleber in kleine Würfel schneiden könnte.

»Na ja, was heißt kennen – die beiden haben gestern auf meinem Schrottplatz rumgeschnüffelt. Begleitet von einer sehr seltsamen älteren Dame. Russin, oder so. Ich hatte den Eindruck, dass die etwas bei mir suchen.« Er stutzt, dann lacht er. »Verrückt, oder? Was sollen denn zwei Miezekatzen bei mir suchen?«

Salemke lacht nicht, sondern starrt uns an. Ich fühle mich unter seinem Blick unwohl wie schon lange nicht mehr. Ich versuche, mich ganz klein zu machen und irgendwie anders als sonst auszusehen. Leider zwecklos!

»Dich habe ich doch schon mal irgendwo gesehen.« Er überlegt kurz. »Genau. In der Schule. Du bist doch der Kater vom Gestiefelten Kater – von dieser Kira oder wie sie heißt.« Er überlegt kurz. »Die ist doch auch Russin oder so was. Wohl kaum ein Zufall, Miezekatze, oder?«

Jetzt guckt auch Schmidt noch einmal genauer hin.

»Hm, jetzt, wo Sie das sagen: Könnte tatsächlich das Viech sein, das die Kinder am ersten Probentag mit angeschleppt haben. Ich fand die Idee ja gleich blöd, aber auf mich hören diese Künstler ja nicht.«

»Jaja. Diese Künstler.« Salemkes Stimme klingt so kalt, dass mir ein Schauer über den Rücken läuft. Dann dreht er sich wieder zu Schmidt. »Na ja. Lassen Sie die Katzen mal meine Sorge sein. Sie fahren jetzt schön mit dem Auto meiner Freundin zum Schrottplatz, ich kümmere mich um die beiden Ausreißer hier und sorge dafür, dass sie wohlbehalten wieder nach Hause kommen.«

Ich wäre bereit, eine Riesenportion Geflügelleber auf Folgendes zu verwetten: Erstens – Salemke hat gar keine Freundin.

Zweitens – er will uns nicht nach Hause bringen. Schon gar nicht wohlbehalten. Ganz im Gegenteil!

Rettung in letzter Minute!

Oder doch nicht?

Ich merke, wie Panik in mir aufsteigt. So in etwa muss sich Karamell gefühlt haben, als er im Müllcontainer steckte. Absolut hilflos und ausgeliefert. Von außen dringt dumpf Salemkes Stimme in unseren Karton.

»Ihr könnt aufhören, so ein Theater zu machen. Hier hört euch sowieso niemand. Die beiden Rentner aus dem Erdgeschoss sind auf Malle und die blöde Schneider vergisst immer, ihren Müll runterzubringen. Tja, und wenn in schätzungsweise zwei Stunden die Müllabfuhr kommt, dann seid ihr beiden schneller Geschichte, als ihr Whiskas sagen könnt.«

Whiskas? Wieso sollte ich in so einer brenzligen Situation Whiskas sagen wollen? Was ist das überhaupt? Auch egal, ich strample weiter nach Leibeskräften und versuche, dabei irgendwie die Wände des Pappkartons aufzudrücken, in den Salemke uns eben gesteckt hat.

»Ruhe!«, schreit Salemke wieder. »Ihr kleinen Biester! Ich kann immer noch nicht glauben, dass die Bullen zu blöd waren, mich zu finden, aber zwei Vierbeiner mich aufgespürt haben. Kapieren werde ich zwar nie, warum ihr euch in die Sache mit Emilia einmischen wolltet und was eigentlich euer Plan war. Aber dass ihr einen hattet, ist wohl offensichtlich. Dass ihr überall auftaucht, war garantiert kein Zufall. Na ja, ist jetzt auch egal. Ihr macht mir jedenfalls keinen Ärger mehr.«

Ich mühe mich tapfer weiter ab, um unserem Gefängnis zu entkommen, aber leider ist die Pappe so glatt, dass ich trotz meiner Krallen immer wieder abrutsche. Ich merke, wie sich in meinem Hals langsam ein Kloß bildet. Wahnsinnig heiß ist mir auch – und dann dieser unglaubliche Gestank: Es ist die Hölle!

»Zwecklos!«, schluchzt Odette. »Wir schaffen es einfach nicht. Gleich wird dieser schreckliche Mensch einfach gehen und uns unserem Schicksal überlassen und dann …« Ihre Stimme erstirbt. Ich höre auf herumzuzappeln und setze mich neben sie auf den Kartonboden.

»Ganz ruhig, Odette! Ja, schön ist es nicht – aber irgendwie werden wir schon herauskommen. Bestimmt!« Das ist zwar genau das Gegenteil von dem, was ich gerade für sehr wahrscheinlich halte, aber es scheint mir wichtig, jetzt Ruhe und Gelassenheit auszustrahlen. Schließlich bin ich Odettes Held!