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Die beiden Müllmänner nicken. »Ja, das klingt nach einer guten Idee!«

Anna lächelt. »Und du, Winston? Bist du damit nun auch einverstanden?«

Ich schnurre zur Bestätigung.

Murat und Gerd reißen die Augen auf. »Wahnsinn! Hat der Sie etwa verstanden?«

Anna nickt. »Natürlich. Winston ist ein sehr, sehr schlauer Kater. Ich bin mir sicher, der versteht jedes Wort. Wahrscheinlich«, sie kichert, »kann er sogar lesen und schreiben.«

Wenn Anna wüsste, wie recht sie damit hat!

»So, dann nehmen Sie mal.« Vorsichtig legt Murat Karamell in Annas Arme. Karamell hebt nur einmal schwach den Kopf und wimmert kläglich. Heilige Ölsardine, hoffentlich ist ihm nicht wirklich etwas passiert. Die Müllmänner verabschieden sich, dann schließt Anna die Tür und geht mit Karamell auf dem Arm in Richtung Wohnzimmer.

»So, mein Lieber: Das Sofa ist sowieso dreckig, da kannst du dich ein bisschen ausruhen.« Sie legt ihn auf eines der Kissen, die gerade sehr einladend von der Sonne angeschienen werden. Eine hervorragende Idee! Viel besser als die Sache mit der Badewanne! Mit einem Satz liege ich neben Karamell. Herrlich!

»Halt, stopp! Du nicht, Winston! Wir haben schließlich noch eine Verabredung im Badezimmer. Komm schon.« WAAAS? Bei meinen Schnurrbarthaaren – was für eine himmelschreiende Ungerechtigkeit! DER darf auf MEINEM Sofa liegen und ich muss baden? Hätte ich das gewusst, hätte ich ihn nicht vorm Tierheim gerettet! Ich schnappe empört nach Luft und hoffe, dass Anna mir meine Entrüstung anmerkt.

Aber die schert sich überhaupt nicht darum. Stattdessen klaubt sie mich von dem kuscheligen, warmen Kissen und klemmt mich unter den Arm, Widerstand zwecklos! Ich verfluche die Tatsache, dass ich in meiner Britisch-Kurzhaar-Gestalt so klein und wehrlos bin. Jedenfalls verglichen mit einer äußerst entschlossenen Haushälterin.

»Hey, Kumpel!« Nanu? Ich drehe den Kopf – ist das Karamell? Tatsächlich, er liegt immer noch zusammengekrümmt auf dem Sofa, hat aber den Kopf gehoben. »Vielen Dank! Du hast mich gerettet. Erst vor der Müllabfuhr, dann vor dem Tierheim. Schätze mal, du bist ein echter Freund.« Dann lässt er den Kopf wieder sinken und schließt die Augen.

Ich weiß gar nicht recht warum, aber auf einmal breitet sich in meinem gesamten Bäuchlein ein ganz warmes Gefühl aus. Ich fühle mich gut. Richtig gut. Heute ist ein toller Tag. Ich glaube nämlich, ich habe einen neuen Freund! Heilige Ölsardine, was so ein Ausflug in eine Mülltonne doch alles bewirken kann. Soll mich Anna also ruhig baden. Ist mir wurscht. Nee, viel besser: Das ist es mir wert!

Ich betrete Bretter, die die Welt bedeuten.

»Hurra, die Englischarbeit ist geschafft!« Kira kommt nach Hause und wirft jubelnd ihre Schultasche in die Ecke. Dabei verfehlt sie mich nur ganz knapp – fauchend hechte ich zur Seite. Heilige Ölsardine! Da werde ich in meiner eigenen Wohnung mit Gegenständen beworfen, ist es denn zu fassen?

»Oh, sorry, Winston. War nicht so gemeint. Ich bin nur einfach sooo glücklich! Vor Englisch hatte ich richtig Bammel, aber es war gar nicht so wild. Und deswegen bin ich jetzt echt gut drauf.« Sie bückt sich, nimmt mich auf den Arm und trägt mich zum Sofa. »Ich meine, du weißt ja selbst, wie ätzend Schule sein kann.« Sie legt sich auf ein sonniges Fleckchen und mich netterweise gleich daneben. Okay, die Sache mit der Schultasche ist vergessen!

»Aber nächste Woche fängt etwas richtig Cooles an, auf das ich mich schon riesig freue!« Sie senkt die Stimme geheimnisvoll, als würde sie darauf warten, dass ich errate, was das wohl sein könnte. Aber das wird natürlich nicht passieren, denn obwohl ich gezwungenermaßen einige Zeit in Kiras Körper und somit auch in ihrer Klasse verbracht habe, bin ich noch lange kein Experte in Sachen Schule. »Wir haben eine Projektwoche zum Thema Darstellendes Spiel! Eine ganze Woche – total super! Und es kommt sogar ein Dramaturg von einem richtigen Theater und hilft uns. Das ist krass, oder?«

Aha. Das sagt mir gar nichts. Darstellendes Spiel – was mag das sein? Werner spielt gern Schach, Anna Klavier und Werners Mutter, der das Klavier vorher gehörte, spielt gern Bridge. Mit keiner dieser Tätigkeiten haben sie sich allerdings bisher wochenlang aufgehalten, vielleicht meint Kira also etwas anderes. Immerhin macht ja auch ein Dramaturg mit, wer oder was auch immer das ist. Ich schaue Kira ratlos an, sie grinst.

»Du weißt nicht, wovon ich rede, richtig? Also, Darstellendes Spiel bedeutet Theater spielen! Und der Dramaturg ist ein Fachmann, der uns bei der Erarbeitung des Theaterstücks hilft. Hat uns unsere Lehrerin heute so erklärt.«

Mensch, Kira – als ob diese Erklärung die Sache für mich klarer machen würde! Für mich ist Theater lediglich eine Veranstaltung, bei der ich selbst noch nie dabei war und die ich nur daran bemerke, dass sich Werner abends in Schale schmeißt, weggeht und erst relativ spät wieder nach Hause kommt. Ich gähne demonstrativ, Kira rollt mit den Augen.

»Was ist denn bloß mit meinem schlauen Winston los? Du weißt immer noch nicht, was ich meine, oder? Also – Theater spielen heißt, dass Menschen eine Geschichte spielen. Die Menschen tun dann so, als ob sie jemand anderes wären, und spielen etwas vor, was in Wirklichkeit überhaupt nicht passiert, verstanden?«

Heißt das, Theater ist so was wie Fernsehen? Werner hat mir mal erklärt, dass die Dinge, die dort zum Beispiel in einer Sendung namens Tatort vonstattengehen, gar nicht wirklich passieren, sondern von Menschen, die man Schauspieler nennt, nur vorgetäuscht werden. Na gut, Werner hat es eigentlich nicht mir erklärt, sondern einem seiner kleinen Neffen, auf den er aufpassen sollte. Mit dem haben wir dann Fernsehen geguckt, dort wurde jemand erschossen, der Neffe fing an zu heulen und dann hat es Werner ihm erklärt, dass die alle nur so tun, als ob. So hat er es genannt. Damit der Kleine endlich aufhört zu weinen. Und ich habe zugehört und war erstaunt, auf was für Ideen Menschen so kommen. So tun, als ob – wozu soll das denn gut sein? Aber ich schweife ab. Kira wird also die gesamte nächste Woche so tun, als ob. Und darauf freut sie sich. Seltsam, seltsam … aber so sind sie halt, die Menschen. Als Kater weiß man nicht immer, woran man bei ihnen ist.

»Und weißt du, was das Tollste ist?«

Ich lege den Kopf schief, rücke ein bisschen von Kira ab und mustere sie gründlich von der Seite.

»Also genau genommen gibt es gleich zwei tolle Sachen. Erstens: Das Theaterstück ist ein Musical – es wird also gesungen. Und zweitens: Du darfst mitkommen! Wir führen nämlich Der Gestiefelte Kater auf und ich habe unsere Musiklehrerin und den Dramaturgen überzeugt, dass eine echte Katze auf der Bühne der Knaller wäre. Der Dramaturg fand es sogar experimentell

Experimentell? Soll mich das beruhigen? Ich finde zwar, das klingt eher gefährlich nach Tierversuch, aber Kira ist so begeistert, dass sie munter weiterplappert.

»Die Direktorin hat es auch schon abgesegnet – ausnahmsweise! Also darfst du zwischen den Kulissen herumlaufen, um der ganzen Sache die richtige Atmosphäre zu verpassen. Toll, oder?« Jetzt strahlen Kiras Augen richtig.

Für mich sind das allerdings zwei schlechte Nachrichten auf einmal. Was ist für empfindliche Katerohren nämlich schlimmer als redende Menschen? Richtig: singende Menschen. Der menschliche Musikgeschmack ist mir ein Graus. Meistens klingt das, was Menschen für Musik halten, für mich einfach nur zum Davonlaufen! Die Kombination aus »Musik« und »Du darfst mitkommen« klingt also nur schrecklich! Ich dachte immer, Katzen in der Schule seien verboten – immerhin hat Kira nach meinem ersten und letzten Ausflug in die Schule richtig Ärger bekommen. Seitdem war ich nur noch in Menschengestalt da – und ich habe es bisher wirklich nicht vermisst. Ich will da nicht wieder hin! Weil ich leider nicht jaulen kann wie ein Hund, beschränke ich mich auf möglichst jämmerliches Maunzen.