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Kira hat allerdings beschlossen, dies zu ignorieren. Stattdessen krault sie mich im Nacken und flüstert in mein Ohr: »Morgen werden schon die Rollen und Aufgaben verteilt, damit wir Montag richtig loslegen können. Bevor ich also morgen früh abschwirre, wecke ich dich und nehme dich mit. Frau Heinson, unsere Musiklehrerin, hat gesagt, sie will erst mal gucken und dann zusammen mit Herrn Fernandez, dem Dramaturgen, entscheiden, ob meine Idee wirklich etwas taugt. Also, wenn du dich gut anstellst, darfst du richtig mitmachen.«

Korrigiere – es sind nicht zwei, sondern drei schlechte Nachrichten: Musik. Mitmachen. Früh aufstehen. Uaaahhhgrrrrr! ICH! WILL!! NICHT!!!

Herr Fernandez ist ein kleiner Mann mit einer großen Hornbrille und einem sehr freundlichen Lächeln. Außerdem ist er von oben bis unten schwarz angezogen, was ich spontan sehr sympathisch finde – schließlich bin ich selbst von Kopf bis Fuß schwarz. Jetzt bückt er sich zu mir, bleibt vor mir knien und mustert mich genau.

»Du bist wirklich ein ganz hübscher Kerl. Mal sehen, was wir so mit dir anfangen können.«

Ich beginne zu schnurren. Ein bisschen Reklame für mich kann bestimmt nicht schaden. Während ich heute Morgen nämlich noch der unglücklichste Kater der Welt – na gut: der unglücklichste Kater der Hochallee war, finde ich die Theateridee mittlerweile doch gar nicht mehr so schlecht. Immerhin ist es eine gute Gelegenheit, meine Freunde Tom und Pauli mal wieder in freier Wildbahn zu sehen.

»Hey, Tiere sind hier aber nicht erlaubt!« Ein anderer Mann steckt den Kopf durch die Tür zur Aula, kommt dann ein paar Schritte auf uns zu und deutet mit dem Zeigefinger auf mich.

Frau Heinson blickt ihn erstaunt an. »Darf ich fragen, wer Sie sind?«

»Albert Schmidt vom Hausmeisterservice. Ich vertrete in den nächsten Wochen den Schulhausmeister. Herr Lüttge hat’s im Kreuz und ist krankgeschrieben.« Er schaut unfreundlich und zeigt wieder auf mich. »Wie gesagt, Tiere sind hier nicht erlaubt.«

Frau Heinson reicht ihm die Hand. »Heinson mein Name, ich bin die Musiklehrerin. Die Katze ist mit der Direktorin Frau Rosenblatt abgestimmt. Sie ist Teil der Inszenierung.«

Schmidt zuckt mit den Schultern. »Na gut. Hauptsache, das Viech pinkelt hier nirgendwohin. Dann schmeiß ich es raus.« Er dreht sich um und geht. Einen Moment lang liegt ein Geruch in der Luft, der mich an irgendetwas erinnert. Was für ein ungehobelter Kerl! Als ob ich, Winston Churchill, einfach in eine Ecke machen würde! Ohne mein Katzenklo! Also wirklich, Frechheit! Aber offenbar darf ich nun wirklich bleiben und das ist doch die Hauptsache.

Obwohl ich heute Morgen fast noch um diesen Ausflug herumgekommen wäre: Anna wollte mich erst nicht aus der Wohnung lassen. Sie fand, ich hätte für diese Woche schon genug Freigang gehabt. Was ich nicht ganz nachvollziehen kann: Immerhin weiß sie doch jetzt, dass ich mich nicht zum Spaß im Müll gewälzt habe. Der Tierarzt, zu dem sie Karamell noch geschleppt hat, hat sogar gesagt, dass Karamell in der warmen Mülltonne irgendwann am Hitzschlag eingegangen wäre und dass die Rettung keine Minute zu früh kam. Ich bin also ein Held, kein Stinktier!

Zum Glück konnte Kira ihre Mutter aber davon überzeugen, dass ich eine wichtige Requisite für die Theaterwoche sei, was auch immer das sein mag. Und deswegen sitze ich nun hier, auf der Bühne der Aula. Bretter, die die Welt bedeuten, hat Frau Heinson das Podest gerade genannt. Ich verstehe nicht ganz, was sie damit meint. Quatsch: Ich verstehe überhaupt nicht, was sie damit meint. Für mich sehen die Bretter, aus denen die Bühne besteht, nämlich nach völlig normalem Holz aus. Gewissermaßen bedeutungslos. Aber weil ich hier nur der Kater bin, lege ich mich einfach auf die Seite und höre zu, was Herr Fernandez den Kindern erklärt.

»Ihr wart ja bestimmt alle schon mal im Theater. Also habt ihr auch einen Teil der Menschen, die man für ein Theaterstück braucht, schon gesehen. Wen nämlich?« Er schaut in die Runde der Kinder, die sich brav vor der Bühne aufgestellt haben. Ein Mädchen hebt die Hand.

»Die Schauspieler?«

Fernandez nickt und lächelt. »Genau. Das war einfach, oder? Es gehören aber noch mehr Menschen dazu, wenn ein Theaterstück auf die Bühne kommt. Kennt ihr noch welche?«

Wieder heben ein paar Kinder die Hand. Diesmal nickt Fernandez der doofen Leonie zu.

»Ganz entscheidend ist auch der Regisseur«, erklärt sie mit wichtiger Miene.

»Richtig!«, lobt der Dramaturg sie. »Weiß denn hier jeder, was ein Regisseur ist?«, erkundigt er sich dann. Ich weiß es nicht, kann es aber natürlich nicht sagen. Das ist allerdings auch gar nicht nötig, denn bevor jemand von den anderen reagieren kann, plappert Leonie schon drauflos: »Der Regisseur ist der Chef im Theater. Die Schauspieler müssen machen, was er sagt! Er ist also eigentlich die wichtigste Person bei einem Theaterstück. Ein total interessanter Job. Ich könnte mir gut vorstellen, das später mal zu machen.«

Aha. War ja klar, dass Leonie sich mit Jobs auskennt, bei denen man andere Leute herumkommandieren kann. Das passt wie die Faust aufs Auge!

Frau Heinson mischt sich ein. »Ganz so ist es nicht, Leonie. Ein Theaterstück zu produzieren, ist immer Teamarbeit. Der Regisseur ist zwar tatsächlich der Spielleiter, der mit den Schauspielern das Stück erarbeitet – aber ohne sein Team kommt er auch nicht weit. Neben den Schauspielern gibt es da noch den Techniker, der sich um das Licht oder die Musik kümmert, die Kostümbildnerin, den Bühnenbildner, die Souffleuse und, und, und … Den Dramaturgen habt ihr mit Herrn Fernandez ja schon kennengelernt – noch ein wichtiger Beruf am Theater.«

»Tja, und weil so viele Leute bei einem Theaterstück mitmachen, kann auch jeder von euch bei diesem Projekt einen Job übernehmen. Dann ist es auch wirklich euer eigenes Stück«, erklärt der Dramaturg.

Sofort schießt Leonies Arm wieder nach oben. »Ich will Regisseurin sein!«

»Du möchtest, Leonie«, korrigiert Frau Heinson sie sanft.

»Okay, ich möchte Regisseurin werden«, schiebt Leonie schnell hinterher.

Frau Heinson blickt in die Runde ihrer Schülerinnen und Schüler. »Gibt es noch andere Interessenten?«

Schweigen. Kein Wunder. Die meisten hier haben vor der fiesen Leonie ein bisschen Angst. Das weiß ich von meinem kurzen Gastspiel als Schüler der 7c nur zu gut. »Okay, Leonie. Dann hast du den Job.«

»Dann kommen wir mal zu den einzelnen Rollen«, fährt der Dramaturg fort. »Da wäre natürlich als Erstes der Gestiefelte Kater. Wer von euch denkt, dass er sich gut in eine Katze hineinversetzen kann? Und dabei noch gut singt? Schließlich hat der Kater so einige Solo-Stücke zu bewältigen. Viel Text hat er auch. Also, wer traut sich das zu?«

Kira und Emilia melden sich gleichzeitig. Bei Kira wundert mich das überhaupt nicht – schließlich ist sie für die Rolle perfekt geeignet. Sie kann sich nicht nur in eine Katze hineinversetzen, sie war schon mal eine! Von Emilia bin ich allerdings überrascht. Sich in jemanden hineinversetzen, bedeutet doch wohl auch, ab und zu mal über andere nachzudenken. Ich glaube nicht, dass Emilia das schon mal gemacht hat. Sie ist genau so eine Ziege wie Leonie und der Rest ihrer Clique. Ich kann ein Lied davon singen! Wenn ich nur daran denke, was für eine linke Nummer diese Mädchen mit mir abgezogen haben, als ich noch Kira war … Ein T-Shirt sollte ich klauen, als angebliche Mutprobe. In Wirklichkeit wollten sie aber nur, dass ich richtig Ärger bekomme, und haben deshalb sogar den Kaufhausdetektiv auf mich aufmerksam gemacht. MAUNZ, bei meinen Schnurrhaaren – wer solche Schweinereien begeht, kann einfach kein edles Geschöpf wie eine Katze darstellen!