Выбрать главу

Vor wenigen Stunden hatte ihn hier sein Instinkt, eine Vorahnung, gewarnt, wie Mel sich erinnerte, daß die Geschehnisse einem katastrophalen Ende zustrebten. Nun ja, in gewisser Weise war das geschehen. Die Katastrophe war eingetreten, wenn sie auch glücklicherweise weder vollständig noch unmittelbar auf die Anlagen des Flughafens oder deren Mängel zurückzuführen war.

Aber der Flughafen hätte an der Katastrophe mitschuldig sein können, und der Flughafen seinerseits hätte die Vollendung der Katastrophe verursachen können, durch Unzulänglichkeiten, die Mel vorausgesehen und die zu beheben er sich vergeblich eingesetzt hatte.

Denn Lincoln International war veraltet.

Veraltet, trotz seiner guten Leitung, wie Mel wußte, und seinem glänzenden Glas und Chrom. Trotz seiner Flugverkehrsdichte. Trotz seiner Rekordzahl an Passagieren. Trotz seines Niagara an Luftfracht. Trotz seiner Erwartung, noch mehr von allem zu bekommen, und trotz seines prahlerischen Titels »Luftkreuz der Welt«.

Der Flughafen war veraltet, weil die Fortschritte in der Luft jede Voraussage übertroffen hatten, wie es so oft in den sieben Jahrzehnten in der Geschichte der Luftfahrt geschehen war. Wieder einmal hatten sich die Prognosen der Fachleute als falsch, die Visionen der Träumer als richtig erwiesen.

Und was hier galt, galt auch anderswo.

Auf dem gesamten Kontinent, in der ganzen Welt — überall war es das gleiche. Über das Wachstum des Luftverkehrs, seine Bedürfnisse, bevorstehende Entwicklungen in der Luft, durch die für Menschen und Güter die niedrigsten Transportkosten in der Geschichte der Menschheit entstehen würden, die Chance, die er den Völkern der Welt bot, sich in Frieden besser kennenzulernen und freien Handel zu treiben, wurde viel geredet. Aber im Verhältnis zur Größe des Problems war auf dem Boden wenig geschehen.

Nun, eine Stimme allein würde nicht alles ändern, aber jede Stimme, die sachverständig und mit Überzeugung sprach, war eine Hilfe. Während der letzten Stunden war Mel bewußt geworden — er war sich nicht sicher, warum oder wie —, daß er so wie heute abend weitersprechen würde, so, wie er es lange nicht mehr getan hatte.

Morgen — oder richtiger, später am heutigen Tage — würde er damit anfangen, daß er für Montag vormittag eine dringende Sondersitzung des Verwaltungsrates einberief. Auf der Sitzung würde er auf den sofortigen Beschluß drängen, eine neue Landebahn parallel zu Drei-Null zu bauen.

Die Erfahrung der heutigen Nacht hatte, wie nichts anderes, die Argumente für eine Steigerung der Kapazität an Landebahnen unterstützt, die Mel schon vor langer Zeit vorgebracht hatte. Doch diesmal war er entschlossen, dafür zu kämpfen, mit offenen, deutlichen Worten, vor Katastrophen zu warnen, die drohten, solange der allgemeinen Sicherheit nur Lippendienste erwiesen und lebenswichtige Bedürfnisse ignoriert oder zurückgestellt wurden. Er würde dafür sorgen, daß die Presse und die öffentliche Meinung auf seiner Seite marschierten, den Druck ausübten, den die Politiker in der Stadt, die die Ausgabe von Anleihen kontrollierten, verstanden.

Nach neuen Landebahnen mußte auf andere Projekte gedrängt werden, über die man bisher nur geredet und auf die man gehofft hatte. Dazu gehörten ein völlig neues Hauptgebäude und ein neuer Komplex von Taxibahnen, mit größerem Verständnis geplante Wege für den Fluß der Fußgänger und der Fracht, kleine Satellitenfelder für Senkrechtstarter und Flugzeuge mit kurzem Start- und Landeweg, mit denen bald zu rechnen war.

Lincoln International Airport gehörte entweder ins Düsenzeitalter oder nicht; wenn aber ja, dann mußte er mit der Entwicklung weit besser Schritt halten als bisher.

Flughäfen sind ja gar keine wirtschaftlichen Belastungen oder teurer Luxus, dachte Mel. Fast alle tragen sich selbst, schaffen Wohlstand und Stellungen für zahllose Arbeitskräfte.

Doch nicht alle Schlachten um den Fortschritt auf der Erde wie in der Luft konnten gewonnen werden. Das gab es nirgendwo. Manche aber doch, und ein Teil dessen, was hier gesagt und getan wurde, konnte dank Mels Ansehen als Fachmann für Fragen der Flughafenverwaltung auf das ganze Land und sogar international als Vorbild wirken.

Wenn es dazu kam, um so besser! Der englische Dichter John Donne fiel Mel ein, der einmal geschrieben hatte: »Kein Mensch ist eine Insel, völlig auf sich selbst gestellt; jeder Mensch ist ein Stück des Kontinents, ein Teil des Ganzen.« Auch ein Flughafen war keine Insel, und solche, die sich selbst als international bezeich-neten, sollten sich einer Art des Denkens befleißigen, die diesen Namen rechtfertigte. Vielleicht konnte Mel in gemeinsamer Arbeit mit anderen aufzeigen helfen, wie.

Die Leute, die eine Zeitlang nichts mehr von Mel Bakersfeld gehört hatten, würden bald erfahren, daß er noch da war.

Und intensive Arbeit, die Wiederaufnahme seiner alten, den gesamten Bereich der Luftfahrt umfassenden Interessen mochte vielleicht auch bei seinen persönlichen Problemen hilfreich sein, indem sie ihn beschäftigten. Jedenfalls hoffte Mel darauf. Der Gedanke erinnerte ihn unvermittelt daran, daß er bald — vielleicht morgen schon — Cindy anrufen und mit ihr verabreden mußte, wann er seine Kleider und seinen privaten Besitz abholen würde. Das würde eine unerfreuliche Arbeit werden, und er hoffte, dabei nicht den Kindern, Roberta und Libby, zu begegnen. Zunächst, nahm Mel an, würde er in ein Hotel ziehen, bis er Zeit fand, nach einem Apartment für sich zu suchen.

Doch besser als je erkannte er, daß Cindys und seine Entscheidung, sich scheiden zu lassen, unvermeidlich gewesen war. Das hatten sie beide gewußt. Heute nacht hatten sie nur beschlossen, eine Fassade einzureißen, hinter der nichts mehr existierte. Weder für sie selbst noch für die Kinder konnte durch weiteres Hinauszögern irgend etwas gewonnen werden.

Trotzdem würde es seine Zeit dauern, bis er sich damit abgefunden hatte.

Und Tanya? Mel war sich nicht sicher, was die Zukunft ihnen gemeinsam zu bieten hatte, falls sie überhaupt etwas zu bieten hatte. Er meinte, es könne eine ganze Menge sein, aber die Zeit zu einer Bindung — falls es je dazu kommen sollte — war noch nicht da. Er wußte nur: Heute nacht, ehe dieser lange und schwierige Arbeitstag endete, sehnte er sich nach Gesellschaft, nach Wärme, nach Zärtlichkeit. Und von allen Freunden, die er hatte, besaß Tanya diese drei Eigenschaften im höchsten Maß.

Zu was diese Gaben zwischen ihm und Tanya sonst noch führen mochten, mußte die Zeit lehren.

Mel schaltete den Gang seines Wagens ein und lenkte ihn zur Verbindungsstraße, über die er zum Flughafengebäude kommen würde. Landebahn Drei-Null lag jetzt rechts von ihm.

Nachdem die Landebahn jetzt frei war, begannen auch andere Flugzeuge sie zu benutzen. Trotz der späten Stunde trafen sie in einem stetigen Strom ein. Eine Convair 880 der TWA fegte vorbei und landete. Hinter ihr, eine halbe Meile weit entfernt, waren die Landelichter des nächsten anfliegenden Flugzeugs zu sehen. Dahinter ein zweites, ein drittes schwenkte gerade ein.

Die Tatsache, daß er die Lichter der dritten Maschine erkennen konnte, brachte ihm zu Bewußtsein, daß die Wolkendecke sich gehoben hatte. Plötzlich fiel ihm auf, daß es nicht mehr schneite. An einigen Stellen im Süden tauchte klarer Himmel auf. Erleichtert erkannte er, daß der Schneesturm weitergezogen war.