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Trotzdem, überlegte er, wenn in Meadowood tatsächlich eine öffentliche Versammlung stattfand, war es ärgerlich, den Leuten noch Wasser auf die Mühle zu gießen. Es war so gut wie sicher, daß Presse und Lokalpolitiker anwesend waren, und die vielen Flüge unmittelbar über ihre Köpfe hinweg, so notwendig sie auch sein mochten, würden ihnen reichlich Stoff zum Schreiben und Reden geben. Deshalb, je eher die blockierte Startbahn — Drei-Null — wieder betriebsfähig war, um so besser war es für alle Betroffenen.

»Ich werde selbst auf das Flugfeld hinausgehen«, sagte Mel, »und nachsehen, was vorgeht. Ich gebe Ihnen Nachricht, wie es da draußen steht.«

»Danke.«

Mel wechselte das Thema und fragte: »Hat mein Bruder heute abend Dienst?«

»Ja. Keith hat Radarwache — Anflüge von Westen.«

Anflüge von Westen, das war eine der schwierigen, anspruchsvollen Aufgaben im Kontrollturm, zu der die Überwachung aller eintreffenden Maschinen im westlichen Quadranten gehörte. Mel zögerte erst, aber er kannte den Dienstleiter im Kontrollturm schon lange, darum fragte er: »Ist mit Keith alles in Ordnung? Zeigt er keine Erschöpfung?«

Erst nach einer kurzen Pause kam die Antwort. »Doch, das tut er, mehr als üblich.«

Beiden Männern war Mels jüngerer Bruder in letzter Zeit eine Quelle der Sorge gewesen.

»Offen gesagt«, fuhr der Dienstleiter im Kontrollturm fort, »ich wünschte, ich könnte ihm einen leichteren Dienst geben, aber es geht nicht. Wir sind unterbesetzt, und jeder ist hart eingespannt. Das gilt auch für mich«, fügte er noch hinzu.

»Das weiß ich, und ich bin Ihnen dankbar, daß Sie sich so um Keith kümmern.«

»Na ja, in unserem Beruf haben die meisten hin und wieder mal eine Periode der Erschöpfung.« Mel spürte, daß der Dienstleiter seine Worte sorgfältig wählte. »Manchmal zeigt es sich in der geistigen Verfassung, manchmal in der nervlichen. Aber was es auch ist, wir versuchen uns gegenseitig zu helfen, wenn es dazu kommt.«

»Danke.« Das Gespräch hatte Mels Sorge nicht gemildert. »Vielleicht schaue ich Später mal herein.«

»Jederzeit, Sir.« Der Dienstleiter auf dem Kontrollturm hängte ein.

Das »Sir« war reine Höflichkeit. Mel hatte keine Autorität über die Flugsicherung, die ausschließlich der Bundesbehörde für Luftfahrt in Washington unterstand. Aber die Beziehungen zwischen den Dienstleitern der Flugsicherung und der Flughafendirektion waren gut, und Mel ließ es sich angelegen sein, daß sie es blieben.

Ein Flughafen, jeder Flughafen weist eine schwer durchschaubare Komplexität sich überschneidender Autoritäten auf. Keine Einzelperson hat höchste Anweisungsbefugnis, dennoch ist kein einziger Abschnitt völlig unabhängig. Als Generaldirektor des Flughafens kam Mel einer alles umfassenden Leitung am nächsten, aber es gab Bereiche, von denen er wußte, daß es klüger war, sich nicht einzumischen. Einer davon war die Flugsicherung, ein anderer die Leitung internationaler Fluggesellschaften. Er konnte in Angelegenheiten eingreifen, die das Wohl des Flughafens als Ganzes, oder der Menschen, die sich seiner bedienten, betrafen. Er konnte widerspruchslos einer Fluggesellschaft befehlen, ein Schild zu entfernen, das irreführend war oder den Normen des Flughafens nicht entsprach, doch was hinter ihrer Tür vorging, war innerhalb vernünftiger Grenzen ausschließlich die Angelegenheit der Beauftragten der Fluggesellschaft.

Aus diesem Grund mußte der Direktor eines Flughafens nicht nur ein Taktiker, sondern auch ein vielseitiger und gewandter Verwaltungsfachmann sein.

Mel legte den Hörer in der Schneekontrolle auf die Gabel zurück. Auf einer anderen Leitung stritt sich Danny Farrow mit dem Aufsichthabenden der Parkplätze, einem geplagten Individuum, das seit mehreren Stunden zornige Beschwerden steckengebliebener Autobesitzer weitergegeben hatte. Die Leute fragten: »Wissen die Stellen, die für die Leitung des Flughafens verantwortlich sind, denn nicht, daß es schneit? Und wenn sie es wissen, warum macht sich dann nicht jemand auf die Socken und schafft das Zeug fort, damit man mit seinem Wagen, wann und wohin man will, fahren kann, wie es das demokratische Recht jedes Menschen ist?«

»Sagen Sie, wir hätten eine Diktatur ausgerufen.« Danny bestand darauf, daß die nicht bewachten Parkplätze warten müßten, bis die vordringlichen Probleme gelöst seien. Er würde Ausrüstung und Leute schicken, sobald er könne. Er wurde durch einen Anruf des Dienstleiters im Kontrollturm unterbrochen. Eine neue Wettervoraussage kündigte in einer Stunde einen Wechsel der Windrichtung an. Das bedeutete, daß andere Startbahnen benutzt werden mußten. Ob nicht ganz schnell Startbahn Eins-Sieben links vom Schnee geräumt werden könne? Er würde sein möglichstes tun. Er würde mit dem Leiter des Schneeräumkommandos Verbindung aufnehmen und den Kontrollturm zurückrufen.

Dies war der Druck, der jetzt schon seit drei Tagen und drei Nächten ungemindert anhielt, seit der Schneefall eingesetzt hatte. Die Tatsache, daß trotz dieses Drucks bisher alles funktioniert hatte, machte eine Notiz noch aufreizender, die Mel vor fünfzehn Minuten durch einen Boten erhalten hatte. Die Notiz lautete: m—

meine müßt warnen — Schneeausschuß (auf drängen vern demerst — warum kann ihr Schwager sie nicht leiden?) reicht kritischen bericht ein weil schneeräumung roll- und taxibahnen (sagt v. d.) miserabel, unfähig---

bericht beschuldigt flughafen (also sie) hauptanteil an Verzögerung der abflüge zu haben . . . behauptet auch steckende 707 gäbe es nicht wenn taxibahnen früher und besser geräumt . . . deshalb werden jetzt alle gesellschaften bestraft, etc etc, sie verstehen schon . . . und wo stecken sie — in einer? (schneedrift meine ich) . . . steigen sie aus und holen mich bald zum kaffee ab. herzlichst t

Das »t« bedeutete Tanya — Tanya Livingston, Agentin für Passagierbetreuung der Trans America und Mels besondere Freundin. Mel las die Notiz noch einmal, wie er es mit Mitteilungen Tanyas im allgemeinen tat, die beim zweiten Lesen verständlicher wurden. Tanya, zu deren Aufgaben es gehörte, aufgebrachte Passagiere zu besänftigen und ähnliche Public-Relations-Probleme zu lösen, hatte etwas gegen große Buchstaben. (»Mel, ist es nicht wahr? Wenn wir die Großbuchstaben abschafften, gäbe es erheblich weniger Ärger. Sieh dir doch nur die Zeitungen an!«) Sie hatte sogar einen Mechaniker der Trans America gezwungen, von den Typen ihrer Schreibmaschine alle Großbuchstaben abzumeißeln. Ein Vorgesetzter hatte sich darüber aufgeregt, wie Mel erfahren hatte, und auf die strengen Richtlinien der Fluggesellschaft gegen willkürliche Beschädigung von Firmeneigentum hingewiesen, aber Tanya war damit durchgekommen. Im allgemeinen gelang ihr das.

Der Vern Demerst in ihrer Notiz war Kapitän Vernon Demerest, gleichfalls bei der Trans America. Er war nicht nur einer der dienstältesten Flugkapitäne der Gesellschaft, er war auch ein militanter Vorkämpfer der Air Lines Pilots Association, des Berufsverbands der Piloten, und in diesem Jahr Mitglied des Schneeausschusses der Fluggesellschaften auf Lincoln International Airport. Der Ausschuß inspizierte während der Schneeperioden Startbahnen und Taxibahnen und erklärte sie für betriebsbereit oder bemängelte ihren Zustand. Dem Ausschuß gehörte immer ein aktiver Flugkapitän an.

Zufällig war Vernon Demerest auch Mels Schwager und mit dessen älterer Schwester Sarah verheiratet. Die Sippe Bakersfeld hatte durch Vorfahren und Eheschließungen Wurzeln und Zweiglinien in der Luftfahrt, wie andere Familien einmal mit der Seefahrt verbunden waren. Die Beziehungen zwischen Mel und seinem Schwager waren jedoch wenig herzlich, und Mel hielt Vernon Demerest für eingebildet und anmaßend. Andere waren der gleichen Ansicht, wie er wußte. Kürzlich war es zwischen Mel und Kapitän Demerest zu einem erregten Wortwechsel auf einer Sitzung des Verwaltungsrats des Flughafens gekommen, auf der Demerest die Interessen des Pilotenverbandes vertrat. Mel vermutete, daß der kritische Bericht über die Schneelage — der anscheinend auf die Initiative seines Schwagers zurückging — die Vergeltung dafür war.