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»Aber ich bin keine Schlange, sage ich dir!« rief Alice, »ich bin ein - ich bin ein -«

»Nun, was bist du denn ?« fragte die Taube. »Ich merke wohl, daß du dir etwas ausdenken willst!«

»Ich - ich bin ein kleines Mädchen,« sagte Alice etwas unsicher, da sie an die vielfachen Verwandlungen dachte, die sie den Tag über schon durchgemacht hatte.

»Eine schöne Ausrede, wahrhaftig!« sagte die Taube im Tone tiefster Verachtung. »Ich habe mein Lebtag genug kleine Mädchen gesehen, aber nie eine mit solch einem Hals! Nein, nein! du bist eine Schlange! das kannst du nicht abläugnen. Du wirst am Ende noch behaupten, daß du nie ein Ei gegessen hast.«

»Ich habe Eier gegessen, freilich,« sagte Alice, die ein sehr wahrheitsliebendes Kind war; »aber kleine Mädchen essen Eier eben so gut wie Schlangen.«

»Das glaube ich nicht,« sagte die Taube; »wenn sie es aber thun, nun dann sind sie eine Art Schlangen, so viel weiß ich.«

Das war etwas so Neues für Alice, daß sie ein Paar Minuten ganz still schwieg; die Taube benutzte die Gelegenheit und fuhr fort: »Du suchst Eier, das weiß ich nur zu gut, und was kümmert es mich, ob du ein kleines Mädchen oder eine Schlange bist?«

»Aber mich kümmert es sehr,« sagte Alice schnell; »übrigens suche ich zufällig nicht Eier, und wenn ich es thäte, so würde ich deine nicht brauchen können; ich esse sie nicht gern roh.«

»Dann mach', daß du fortkommst!« sagte die Taube verdrießlich, indem sie sich in ihrem Nest wieder zurecht setzte. Alice duckte sich unter die Bäume so gut sie konnte; denn ihr Hals verwickelte sich fortwährend in die Zweige, und mehrere Male mußte sie anhalten und ihn losmachen. Nach einer Weile fiel es ihr wieder ein, daß sie noch die Stückchen Pilz in den Händen hatte, und sie machte sich sorgfältig daran, knabberte bald an dem einen, bald an dem andern, und wurde abwechselnd größer und kleiner, bis es ihr zuletzt gelang, ihre gewöhnliche Größe zu bekommen.

Es war so lange her, daß sie auch nur ungefähr ihre richtige Größe gehabt hatte, daß es ihr erst ganz komisch vorkam; aber nach einigen Minuten hatte sie sich daran gewöhnt und sprach mit sich selbst wie gewöhnlich. »Schön, nun ist mein Plan ausgeführt! Wie verwirrt man von dem vielen Wechseln wird! Ich weiß nie, wie ich den nächsten Augenblick sein werde! Doch jetzt habe ich meine richtige Größe: nun kommt es darauf an, in den schönen Garten zu gelangen - wie kann ich das anstellen? das möchte ich wissen!« Wie sie dies sagte, kam sie in eine Lichtung mit einem Häuschen in der Mitte, ungefähr vier Fuß hoch. »Wer auch darin wohnen mag, es geht nicht an, daß ich so groß wie ich jetzt bin hineingehe: sie würden vor Angst nicht wissen wohin!« Also knabberte sie wieder an dem Stückchen in der rechten Hand, und wagte sich nicht an das Häuschen heran, bis sie sich auf neun Zoll herunter gebracht hatte.

Sechstes Kapitel.

Ferkel und Pfeffer

Noch ein bis zwei Augenblicke stand sie und sah das Häuschen an, ohne recht zu wissen was sie nun thun solle, als plötzlich ein Lackei in Livree vom Walde her gelaufen kam - (sie hielt ihn für einen Lackeien, weil er Livree trug, sonst, nach seinem Gesichte zu urtheilen, würde sie ihn für einen Fisch angesehen haben) -und mit den Knöcheln laut an die Thür klopfte. Sie wurde von einem andern Lackeien in Livree geöffnet, der ein rundes Gesicht und große Augen wie ein Frosch hatte, und beide Lackeien hatten, wie Alice bemerkte, gepuderte Lockenperücken über den ganzen Kopf. Sie war sehr neugierig, was nun geschehen würde, und schlich sich etwas näher, um zuzuhören.

Der Fisch-Lackei fing damit an, einen ungeheuren Brief, beinah so groß wie er selbst, unter dem Arme hervorzuziehen; diesen überreichte er dem anderen, in feierlichem Tone sprechend: »Für die Herzogin. Eine Einladung von der Königin, Croquet zu spielen.« Der Frosch-Lackei erwiederte in demselben feierlichen Tone, indem er nur die Aufeinanderfolge der Wörter etwas veränderte: »Von der Königin. Eine Einladung für die Herzogin, Croquet zu spielen.«

Dann verbeugten sich Beide tief, und ihre Locken verwickelten sich in einander.

Darüber lachte Alice so laut, daß sie in das Gebüsch zurücklaufen mußte, aus Furcht, sie möchten sie hören, und als sie wieder herausguckte, war der Fisch-Lackei fort, und der andere saß auf dem Boden bei der Thür und sah dumm in den Himmel hinauf.

Alice ging furchtsam auf die Thür zu und klopfte.

»Es ist durchaus unnütz, zu klopfen,« sagte der Lackei, »und das wegen zweier Gründe. Erstens weil ich an derselben Seite von der Thür bin wie du, zweitens, weil sie drinnen einen solchen Lärm machen, daß man dich unmöglich hören kann.« Und wirklich war ein ganz merkwürdiger Lärm drinnen, ein fortwährendes Heulen und Niesen, und von Zeit zu Zeit ein lautes Krachen, als ob eine Schüssel oder ein Kessel zerbrochen wäre.

»Bitte,« sagte Alice, »wie soll ich denn hineinkommen ?«

»Es wäre etwas Sinn und Verstand darin, anzuklopfen,« fuhr der Lackei fort, ohne auf sie zu hören, »wenn wir die Thür zwischen uns hätten. Zum Beispiel, wenn du drinnen wärest, könntest du klopfen, und ich könnte dich herauslassen, nicht wahr?« Er sah die ganze Zeit über, während er sprach, in den Himmel hinauf, was Alice entschieden sehr unhöflich fand. »Aber vielleicht kann er nicht dafür,« sagte sie bei sich; »seine Augen sind so hoch oben auf seiner Stirn. Aber jedenfalls könnte er mir antworten. -Wie soll ich denn hineinkommen ?« wiederholte sie laut.

»Ich werde hier sitzen,« sagte der Lackei, »bis morgen -«

In diesem Augenblicke ging die Thür auf, und ein großer Teller kam heraus geflogen, gerade auf den Kopf des Lackeien los; er strich aber über seine Nase hin und brach an einem der dahinterstehenden Bäume in Stücke.

»- oder übermorgen, vielleicht,« sprach der Lackei in demselben Tone fort, als ob nichts vorgefallen wäre.

»Wie soll ich denn hineinkommen?« fragte Alice wieder, lauter als vorher.

»Sollst du überhaupt hineinkommen?« sagte der Lackei. »Das ist die erste Frage, nicht wahr?«

Das war es allerdings; nur ließ sich Alice das nicht gern sagen. »Es ist wirklich schrecklich,« murmelte sie vor sich hin, »wie naseweis alle diese Geschöpfe sind. Es könnte Einen ganz verdreht machen!«

Der Lackei schien dies für eine gute Gelegenheit anzusehen, seine Bemerkung zu wiederholen, und zwar mit Variationen. »Ich werde hier sitzen,« sagte er, »ab und an, Tage und Tage lang.«

»Was soll ich aber thun?« frage Alice.

»Was dir gefällig ist,« sagte der Lackei, und fing an zu pfeifen.

»Es hilft zu nichts, mit ihm zu reden,« sagte Alice außer sich, »er ist vollkommen blödsinnig!« Sie klinkte die Thür auf und ging hinein.

Die Thür führte geradewegs in eine große Küche, welche von einem Ende bis zum andern voller Rauch war; in der Mitte saß auf einem dreibeinigen Schemel die Herzogin, mit einem Wickelkinde auf dem Schoße; die Köchin stand über das Feuer gebückt und rührte in einer großen Kasserole, die voll Suppe zu sein schien.

»In der Suppe ist gewiß zu viel Pfeffer!« sprach Alice für sich, so gut sie vor Niesen konnte.

Es war wenigstens zu viel in der Luft. Sogar die Herzogin nieste hin und wieder; was das Wickelkind anbelangt, so nieste und schrie es abwechselnd ohne die geringste Unterbrechung. Die beiden einzigen Wesen in der Küche, die nicht niesten, waren die Köchin und eine große Katze, die vor dem Herde saß und grinste, sodaß die Mundwinkel bis an die Ohren reichten.

»Wollen Sie mir gütigst sagen,« fragte Alice etwas furchtsam, denn sie wußte nicht recht, ob es sich für sie schicke zuerst zu sprechen, »warum Ihre Katze so grinst?«