„Es gibt keine Planeten mit höheren Lebensformen in ihrer Nähe“, sagte Junius Antus plötzlich, der die Karte des unbekannten Sternenhimmels unaufhörlich beobachtete.
„Doch“, entgegnete Dar Weter. „Es handelt sich um ein flaches Sternensystem, eine der neuesten Formationen der Galaxis. Wie wir wissen, wechseln sich die flachen und sphärischen Systeme einander nicht selten ab. Dieses System liegt in Richtung des Eridanus und gehört zum Ring, dort existieren denkende Wesen…“
„WWR 4955+MO 3529… und so weiter“, warf Mwen Maas ein.
„Aber weshalb wissen sie nichts davon?“
„Das System hat sich vor zweihundertfünfundsiebzig Jahren dem Großen Ring angeschlossen, und diese Botschaft wurde vor dieser Zeit gesendet“, antwortete Dar Weter.
Die rothäutige junge Frau der fernen Welt streifte den blauen Ballon von ihrem Finger und wandte sich mit ausgebreiteten Armen den Zuschauern zu, als wolle sie eine vor ihr stehende unsichtbare Person umarmen. Sie warf Kopf und Schultern leicht zurück, wie es auch eine Frau der Erde in einem Ausbruch von Leidenschaft getan hätte. Die Lippen ihres leicht geöffneten Mundes bewegten sich, während sie unhörbare Worte wiederholte. Wie erstarrt stand sie da und sandte ihr heißes Flehen um Freundschaft mit Menschen anderer Welten in die eisige Finsternis des interstellaren Raums hinaus.
Und wiederum zog ihre blendende Schönheit die Beobachter der Erde in ihren Bann. In ihr lag nichts von der gemeißelten Strenge irdischer rothäutiger Menschen. Das rundliche Gesicht mit der kleinen Nase, den weit auseinanderstehenden blauen Augen und dem kleinen Mund erinnerte eher an die nördlichen Völkerschaften der Erde. Ihr dichtes gewelltes schwarzes Haar war nicht steif oder hart. Jede Linie ihres Gesichts und Körpers verriet beschwingte Zuversicht, die von einem unbewussten Gefühl großer Stärke herzurühren schien.
„Ist es wirklich möglich, dass sie nichts vom Großen Ring wissen?“, fragte Weda Kong fast stöhnend, während sie sich vor der wunderschönen Schwester aus dem Kosmos verneigte.
„Inzwischen wissen sie bestimmt von ihm“, entgegnete Dar Weter, „Denn das, was wir sehen, liegt dreihundert Jahre zurück.“
„Achtundachtzig Parsec“, brummte Mwen Maas mit seiner tiefen Stimme. „Achtundachtzig. Alle, die wir gesehen haben, sind längst tot.“
Und gleichsam als Bekräftigung seiner Worte erlosch das Bild der wunderbaren Welt und verschwand auch das grüne Licht, das die Verbindung angezeigt hatte. Die Sendung über den Großen Ring war zu Ende.
Einen Augenblick lang waren alle wie benommen. Als Erster kam Dar Weter zu sich. Verdrossen biss er sich auf die Lippen und drehte hastig den Hebel mit dem Granatauge herum. Die Säule der gerichteten Energie erlosch mit einem dumpfen, ehernen Ton, der die Ingenieure der Kraftwerke aufforderte, den mächtigen Energiestrom nun wieder in die altgewohnten Kanäle zu leiten. Erst nachdem er alle nötigen Operationen ausgeführt hatte, wandte sich der Leiter der Außenstationen wieder seinen Gefährten zu.
Mit hochgezogenen Brauen ging Junius Antus Seite für Seite seiner Notizen durch.
„Der Teil der Aufzeichnungen mit der Sternkarte an der Decke muss sofort an das Institut des Südhimmels geschickt werden!“, sagte er zu Dar Weters jungem Assistenten.
Dieser blickte Junius Antus überrascht an, als sei er gerade aus einem ungewöhnlichen Traum erwacht.
Der strenge Wissenschaftler musste sich das Lachen verbeißen. Im Grunde glich das, was sie eben gesehen hatten, einem Wunschtraum von einer wunderbaren Welt! Einem Wunschtraum, der vor drei Jahrhunderten gesendet worden war und den jetzt Milliarden von Menschen auf der Erde und in den Mond-, Mars- und Venusstationen zum Greifen nahe sehen würden.
„Sie hatten recht, Mwen Maas, als Sie vor der Sendung meinten, heute werde etwas Wichtiges geschehen“, sagte Dar Weter lächelnd. „Seit wir uns vor vierhundert Jahren dem Großen Ring angeschlossen haben, hat sich heute zum ersten Mal ein Planet aus den Tiefen des Universums gemeldet, dessen Bewohner nicht nur dem Intellekt, sondern auch dem Aussehen nach unsere Brüder sind. Ich bin voll Freude über diese Entdeckung! Ihre Arbeit hat gut begonnen. In früheren Zeiten hätten die Menschen dies für ein gutes Omen gehalten. Unsere Psychologen würden sagen — ein Zusammentreffen von Umständen, das Zuversicht und Auftrieb für die weitere Arbeit verspricht…“
Dar Weter besann sich plötzlich, als ihm klar wurde, dass die Reaktion seiner Nerven ihn ungewöhnlich redselig gemacht hatte. Überflüssiges Gerede galt in der Ära des Großen Rings als eine der schädlichsten Schwächen des Menschen, und der Leiter der Außenstationen verstummte, ohne seinen letzten Satz beendet zu haben.
„Ja, ja“, entgegnete Mwen Maas zerstreut.
Junius Antus hatte den Hauch von Weltentfremdung in der Stimme des neuen Leiters der Außenstation und seine langsamer gewordenen Bewegungen bemerkt und stutzte. Weda Kong fuhr Dar Weter leicht mit dem Finger über die Hand und deutete mit dem Kopf auf den Afrikaner.
Am Ende ist er gar zu leicht zu beeindrucken, ging es Dar Weter durch den Kopf, und er musterte seinen Nachfolger eingehend.
Aber Mwen Maas, der die aufkeimenden Zweifel seiner Gesprächspartner gespürt hatte, richtete sich auf und wurde wieder er selbst, ein aufmerksamer Kenner seines Fachs.
Eine Rolltreppe brachte die kleine Gruppe nach oben zu den großen Fenstern und dem Sternenhimmel, der nun wieder so weit entfernt war wie in all den dreißigtausend Jahren seit der Existenz des Menschen oder, besser gesagt, seiner Art, des sogenannten Homo sapiens — des vernunftbegabten Menschen.
Mwen Maas und Dar Weter hatten noch zu tun.
Weda Kong flüsterte Dar Weter zu, sie werde diese Nacht nie vergessen.
„Ich bin mir selbst so unbedeutend vorgekommen!“, sagte sie und lächelte trotz ihrer traurigen Worte.
Dar Weter wusste, was sie sagen wollte, und schüttelte den Kopf. „Ich bin überzeugt, Weda, hätte die rote Frau Sie gesehen, sie wäre stolz gewesen auf ihre Schwester. Nein, unsere Erde ist um nichts schlechter als jene Welt!“ Dar Weters Gesicht erstrahlte vor Liebe.
„Nun ja, in Ihren Augen vielleicht, mein treuer Freund“, sagte Weda lächelnd. „Aber fragen Sie nur, Mwen Maas…!“ Scherzend verdeckte sie ihre Augen mit einer Hand und verschwand hinter einem Mauervorsprung.
Als Mwen Maas endlich allein war, dämmerte es schon. Ein ins Graue spielendes Licht umfing die kühle, windstille Luft; Meer und Himmel waren von kristallener Durchsichtigkeit: silbrig das Meer, rosig der Himmel. Lange stand Mwen Maas auf dem Balkon des Observatoriums und betrachtete aufmerksam die ihm noch unbekannten Umrisse der Gebäude.
In einiger Entfernung erhob sich auf einem niedrigen Plateau ein gigantischer Aluminiumbogen, durchkreuzt von neun parallel verlaufenden Aluminiumstreifen, die wiederum von cremefarbigen und silbrig weißen Plexiglasfenstern durchbrochen waren — das war das Gebäude des Rates für Sternschifffahrt. Davor stand ein Denkmal zu Ehren jener Menschen, die als Erste in die Weiten des Kosmos vorgedrungen waren; ein steil bis in die Wolken und Wirbelwinde aufragender Berg, der von einem Sternenschiff alten Typs — einer fischförmigen Rakete — gekrönt war, die ihren spitzen Schnabel in noch unerreichte Höhen richtete. Etliche Menschen waren rund um das Postament dargestellt, die einander stützten und mit unglaublicher Anstrengung aufwärtskletterten. Spiralenförmig umwanden sie den Berg, der als Sockel diente — Piloten von Raketenschiffen, Physiker, Astronomen, Biologen, mutige Verfasser von utopischen Romanen… Die Morgendämmerung warf bereits rötliches Licht auf den Rumpf des altertümlichen Sternenschiffes und auf die filigranen Konturen der Gebäude, als Mwen Maas noch immer den Balkon mit großen Schritten durchmaß. Nie zuvor hatte er eine solche seelische Erschütterung erlebt. Erzogen nach den allgemeinen Regeln der Ära des Großen Rings, hatte er sich einer strengen körperlichen Abhärtung unterzogen und seine Herkulestaten erfolgreich abgeleistet — so nannte man in Anlehnung an die wunderschönen Sagen des antiken Hellas schwierige Aufgaben, die jeder junge Mensch am Ende seiner Schulzeit vollbringen musste. Bewältigte ein Jüngling diese Heldentaten, so wurde er zur höchsten Bildungsstufe zugelassen.