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Robin blieb hinter einem der Stühle stehen. Während er wartete, ließ er sich alle möglichen Ereignisse der letzten Tage durch den Kopf gehen – auf der Suche nach einem Hinweis für den Grund dieser Überprüfung –, aber es fiel ihm nichts ein. Es dauerte ziemlich lange, bis er ein Geräusch an der Tür hörte. Sie öffnete sich, und ein kleiner, rundlicher Mann mit einer DigiBox unterm Arm kam herein. Er trat auf Robin zu und schüttelte ihm die Hand. »Setzen Sie sich doch!«

Dieser unerwartet freundliche Empfang verunsicherte Robin mehr, als wenn ihn jemand angeschrien hätte, doch er folgte der Aufforderung.

»Entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten«, bat der Mann. Er hatte ein weiches, rundes Gesicht. »Hoffentlich hat man Sie höflich behandelt. Diese unteren Chargen sind manchmal ein wenig rau.«

»Nein, nein«, antwortete Robin, »es ist alles in Ordnung. Doch warum hat man mich festgenommen?«

»Ich bin Intendant Gorosch, Sicherheitsdienst«, erklärte der Mann und ließ sich in den freien Stuhl sinken. »Sie sind doch nicht festgenommen! Nur eine Routineüberprüfung.«

Robin glaubte ihm nicht – der Name »Gorosch« war im Haus bekannt: der Leiter des Sicherheitsdienstes, über dessen harte Art des Eingreifens einige Geschichten in Umlauf waren. Er hatte sich Gorosch etwas anders vorgestellt.

»Und warum gerade bei mir?«, fragte Robin.

»Das wird nicht von uns bestimmt: eine Stichprobe, Auswahl nach dem Zufallsprinzip. Und dennoch – es bewährt sich. Was glauben Sie, wie oft wir dabei auf interessante Dinge stoßen.« Der Security-Beamte lächelte freundlich und ein wenig stolz. Er klappte den Deckel seiner DigiBox auf und richtete den Blick auf den Bildschirm, den Robin von seinem Standort aus nicht sehen konnte.

»Ich zweifle nicht daran, dass bei Ihnen alles in Ordnung ist«, bemerkte Gorosch. »Trotzdem muss ich natürlich alle Punkte durchgehen, und ich wäre dankbar, wenn wir das reibungslos und schnell abwickeln könnten – umso rascher kommen Sie zu Ihrer wohlverdienten Freizeit.« Er hob seinen Induktionsstift und schien irgendetwas auf dem Screen zu markieren.

»Bitte, Ihren vollen Namen.«

Was blieb Robin anderes übrig, als das Spiel mitzuspielen. »Robin Sebastian Landt.«

»Alter?«

»Sechsunddreißig.«

»Ist Blond Ihre natürliche Haarfarbe?« Gorosch deutete auf Robins Kopf.

»Ja.«

»Und die Farbe der Iris?«

»Graublau, ungefärbt.«

Der Beamte hantierte mit dem Stift auf seinem Bildschirm. »Diese Werte stimmen überein …«, murmelte er. Dann blickte er wieder auf.

»Besondere Kennzeichen?«

»Keine«, antwortete Robin. Er hatte keine Lust, auf seinen Haarwirbel am Hinterkopf oder auf sein Muttermal am Rücken hinzuweisen.

Die Befragung konzentrierte sich jetzt auf persönliche Daten.

Robin gab an, dass er von anonymen Eltern abstammte, in einem staatlich zugelassenen Heim aufgezogen worden war und dann die übliche Standard-Ausbildung mitgemacht hatte. Er berichtete, dass er Single-Status hatte, nannte seine bisherigen temporären Bezugspersonen und erwähnte, dass ihm von einer illegalen Schwängerung nichts bekannt war. Dann richteten sich die Fragen auf seine Tätigkeit in der Behörde, wobei es vor allem um seine Einschätzung der neuen digitalisierten Methode der Rechtsprechung ging. Im Übrigen war er damit durchaus einverstanden: Die früher von Menschen gefällten Urteile waren willkürlich und oft genug falsch gewesen, so dass die Übergabe der Justiz an das weltumspannende AI-System Platon jedem rechtsbewussten Menschen wünschenswert erscheinen musste.

Robin vermutete, dass es bei der Überprüfung genau um diese Thematik ging; er hatte schon von solchen Gesinnungsanalysen gehört und wusste, dass er sich da keinen Fehler leisten durfte. Aber anscheinend war er gut durchgekommen. Als sich die Fragen auf seine Tätigkeit im Einzelnen bezogen, hatte er keine Bedenken mehr und konnte den weiteren Ablauf gelassen über sich ergehen lassen. Im Übrigen verhielt sich Gorosch bemerkenswert freundlich – von seiner sprichwörtlichen Härte war nichts zu bemerken.

Gorosch kam nun zu den Fragen der Kooperation mit Kollegen und ging die Telefongespräche durch, die Robin an diesem Tag geführt hatte. In einigen Fällen ließ er mitgeschnittene Aufnahmen ablaufen und erkundigte sich nach den Hintergründen dieser und jener Aussagen. Endlich kam er zum letzten Gespräch – es war jenes mit dem Zimmernachbarn Angelos, was Robin wieder etwas beunruhigte, denn man konnte es als Privatgespräch auffassen, und er hatte nicht damit gerechnet, dass seine Unterhaltungen am Telefon aufgezeichnet wurden. Er berichtete von den missglückten Versuchen, Angelo zu erreichen, zog sich aber dann geschickt aus der Affäre, indem er angab, dass er diesen nach einem Anleitungs-Script aus ihrer gemeinsamen Unterrichtszeit hätte fragen wollen.

Gorosch blickte ihn über den Rand des Bildschirmrahmens hinweg an und lächelte sanft. »Und das war’s dann auch schon«, verkündete er. Wieder reichte er Robin die Hand und trat dann zur Tür, die sich selbsttätig öffnete. Ohne sich umzusehen, verließ Gorosch den Raum. Draußen standen die beiden uniformierten Beamten, denen er einen Speicherchip überreichte.

»Der Mann kann gehen«, sagte er und winkte Robin noch einmal zu. Einer der Beamten geleitete Robin hinaus, in den Raum hinter der Sperre. Robin verließ ungehindert das Gebäude.

Jetzt, am Abend, war es tatsächlich unangenehm kühl, und Robin zog den Mantel an. Er beschloss, den Weg zu seinem Apartment zu Fuß zurückzulegen, und machte sich mit eiligen Schritten auf den Weg.

Natürlich ging ihm das Gespräch mit Gorosch durch den Kopf. Er hatte solche Überprüfungen schon einige Male über sich ergehen lassen, aber diesmal war sein Gesprächspartner doch ein wenig weiter gegangen als sonst. Wenn sich Robin den Verlauf noch einmal durch den Kopf gehen ließ, dann konnte er den Eindruck gewinnen, dass die Fragen systematisch auf sein letztes Telefongespräch abzielten. Und dann fiel ihm eine unangenehme Möglichkeit ein: Hatte sich Angelo vielleicht etwas zuschulden kommen lassen? War er, Robin, dadurch in Verdacht geraten, dass er sich nach ihm erkundigt hatte?

Robin versuchte, diese störenden Gedanken zu vertreiben und an etwas anderes zu denken. Jetzt schenkte er der Umgebung wieder seine Aufmerksamkeit. Der Himmel über ihm war dunkelblau, nur am Westrand des Gebirgskamms erstreckte sich ein Saum aus strahlendem Orange. Es hatte seinen Grund, dass die Behörde diesen Ort im alpinen Raum für ihren Sitz gewählt hatte – er lag nicht weit von den großen europäischen Städten, war aber doch abgeschieden genug, um vor überraschenden Angriffen sicher zu sein. Mit solchen Möglichkeiten musste man rechnen, denn es gab mächtige Personengruppen, die an einer neutralen Rechtsprechung nicht interessiert waren. Die Speichereinheiten vom AI-Standard wie auch die digitalen Nano-Raster-Archive waren in tiefen Kellerschächten untergebracht, so dass sie auch durch einen schweren Bombenangriff nicht zu zerstören waren.

Robin war mit diesem Standort zufrieden. Die Landschaft mit ihren Bergschroffen und den vereisten Nordhängen war von einer wilden Schönheit. Im Winter gab es Gelegenheit zu waghalsigen Fahrten mit Düsenskis und Raketenschlitten, im Sommer konnte man mit Gleitschirmen zu Tal fahren. Bei alledem war die Sicherungstechnik so weit fortgeschritten, dass man sich kaum noch echten Gefahren aussetzte.

Robin beobachtete, wie sich das im Tal liegende Licht verdünnte. Ein silberner Nebel breitete sich aus, und fast schlagartig, wie es sonst nur in den Tropen der Fall war, brach die Dunkelheit herein, und die auf Ballonen über dem Stadtzentrum befestigten Lampen begannen zu leuchten. Allerdings weniger in den etwas abgelegenen Vierteln.

Robin war schon nahe an das einstöckige, in zwölf kleine Wohneinheiten parzellierte Haus herangekommen, in dem er sich eingemietet hatte. Mit der Fernsteuerung öffnete er das Gittertor und ging den Weg zwischen den Büschen entlang.