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Das Interview ging einigermaßen reibungslos vorüber, aber inzwischen hatten bei mir schwere Kopfschmerzen eingesetzt, und als ich im Luftkissenboot saß, das uns zu Tal brachte, verlor ich wieder die Besinnung.

Ich erwachte in einem Krankenzimmer, wo ich zwei Tage ohne Bewusstsein verbracht hatte. Man hatte mich operiert, ein Bluterguss im Gehirn, so hieß es, als ich mich nach der Wunde erkundigte: An meinem rasierten Schädel war eine Stelle mit Pflaster verklebt. Ich hatte keine Schmerzen mehr und fühlte mich schon einige Tage später kräftig und unternehmungslustig. Was mich dagegen störte, waren die ersten Anzeichen von Gedächtnisverlust, die sich nicht leugnen ließen, wenn ich versuchte, mich an das zu erinnern, was geschehen war. Merkwürdigerweise bezog sich das nicht nur auf die Vorgänge vor dem Unfall, sondern es betraf meine gesamte Vergangenheit. Einige wichtige Daten fielen mir sofort wieder ein, aber wenn ich Einzelheiten wachrufen wollte, dann blieb alles trüb und unbestimmt. Der Arzt erklärte, dass das die normale Folge einer Schädel-Hirn-Verletzung sei, wie ich sie erlitten hatte, und dass das im Laufe der Zeit wieder verschwinden würde.

Diese Fragen gingen mir immer wieder durch den Kopf, und so geschah es auch auf dem Flug ins Zentrum des Ewigen Eises. Der Pilot und sein Kopilot – ich weiß nicht, warum sie mir unsympathisch waren, vielleicht lag es an dieser plump vertraulichen Art, in der sie mich schon vor dem Antritt dieser Reise behandelt hatten. Ich konnte mir absolut nicht vorstellen, mit ihnen Freundschaft geschlossen zu haben.

Doch dann entwickelte sich die Situation in einer Weise, die solche Fragen unwichtig erscheinen ließen. Der Flug wurde nämlich unruhig, einer der beiden Motoren schien von Zeit zu Zeit auszusetzen, und ich fragte mich, warum man eine so altmodische Düsenmaschine für mich ausgesucht hatte.

Ich beobachtete den Mann am Steuerknüppel, der sichtlich beunruhigt an seinen Instrumenten hantierte.

Ich zog den Kopiloten am Ärmel und fragte: »Was ist los?«

Er antwortete, ohne die Augen von den Anzeigen zu lösen. »Der eine Motor setzt zeitweise aus, und nun beginnt auch der zweite zu stottern.«

»Wie ist so was möglich?«, fragte ich, aber es sah nicht so aus, als hätte er darauf eine Antwort.

Nun mischte sich sein Kollege ein. »Es kann sein, dass wir aussteigen müssen. An eine Notlandung ist hier nicht zu denken. Halt dich bereit.«

Da ich ohnehin darauf vorbereitet war, die Maschine mit einem Fallschirm zu verlassen, brauchte ich keine großen Vorbereitungen. Der Rucksack war gepackt, der Schirm einsatzbereit, und meine Montur zog ich mir nun eilig über. Noch den Helm auf den Kopf, fertig.

Ich warf einen Blick zum Fenster, wo graue Massen wogten, nur hin und wieder von einem hellen Schein unterbrochen. In diesem Moment hatte ich plötzlich den Eindruck zu schweben, und erst als ein Schwindelgefühl einsetzte, merkte ich, dass die Maschine absackte.

Dann ein Ruck, einer der Motoren hatte sich gefangen und hielt das Flugzeug in einer besorgniserregenden Schieflage.

»Nichts wie raus«, rief der Pilot. Er hob den Arm und gab mir ein Zeichen. »Zuerst du. Mach schnell.«

Der Kopilot entriegelte die Tür und zog sie auf, ein eisiger Luftschwall fegte ins Innere der Maschine. Ich stemmte mich mit aller Kraft dagegen. Ich wollte irgendetwas fragen, aber es herrschte ein ohrenbetäubender Lärm, der jedes Wort übertönte. So hob ich kurz die Hand und ließ mich dann mit dem Rücken voran in ein grundloses graues Meer fallen.

Donnerstag, 27. März

Als Robin am nächsten Morgen das Institut betrat, musste er sich gegen ein gewisses Unbehagen wehren: Seine Herzschlagfrequenz erhöhte sich merklich, als er die Sperre durchschritt. Aber niemand hielt ihn auf. Er empfand die Erleichterung wie ein belebendes Stimulans.

Doch schon beim ersten Blick auf seinen Arbeitstisch war es mit der guten Stimmung vorbei. Dort lag ein Brief, ein Umschlag, zugeklebt, gestempelt, mit einem roten Aufkleber versehen. Es musste sich um etwas Ernstes handeln, denn solcher papierenen Hilfsmittel der Kommunikation unter Umgehung des Netzes bediente man sich nur noch, wenn es um wichtige Angelegenheiten ging.

Er überzeugte sich, dass sein Name und seine Dienstnummer korrekt auf der Hülle eingetragen waren, dann riss er sie mit Hilfe des Fingernagels ungeschickt auf. Eine Chipmarke fiel ihm entgegen, mit der er nichts anzufangen wusste, dagegen war der Text auf dem Papierbogen ebenso nichtssagend wie deutlich. Er hatte sich pünktlich um neun in der Abteilung für »Experimentelle Psychologie« zu melden. Der beigefügte Chip würde ihm den Zutritt in die gesperrten Geschosse im Kellerbereich ermöglichen, dazu waren eine Code-Nummer vermerkt sowie einige Anweisungen als Kleingedrucktes auf der Rückseite.

Robin blickte auf die Uhr – er hatte noch etwas Zeit, die er mit Grübeln verbrachte. Abteilung für »Experimentelle Psychologie« … er kannte nur eine ihrer Aufgaben: die wissenschaftlich unterstützte Wahrheitsfindung. Im Notfall hätte auch er das Recht, störrische Angeklagte oder vergessliche Zeugen dorthin zu schicken. Er selbst hatte noch nicht davon Gebrauch gemacht, aber er hatte gehört, dass die Kollegen, bei denen das öfter vorkam, mit den Resultaten äußerst zufrieden waren. Wenn ihnen ihre Schutzbefohlenen zurückgebracht wurden, bekamen sie das Protokoll einer automatischen Befragung mitgeliefert, in dem die Antworten auf alle von ihnen vorher eingetragenen Fragen eingetragen waren. Davon war – soweit es sich hatte prüfen lassen – ein Prozentsatz von über 98% richtig beantwortet. Nicht wenige dieser neuen Methoden des Brain Engineering waren hier im Institut entwickelt worden.

Nun, Robin war kein Angeklagter und kein Zeuge – was wollte man von ihm? Ging es schon wieder um Angelo, von dem er nun einmal nicht mehr wusste außer einigen weit zurückliegenden Nichtigkeiten?

Es war Zeit aufzubrechen, Robin wusste ja nicht, wie umständlich die Übertrittsformalitäten sein würden.

Wie angegeben, suchte er einen bestimmten der vielen Aufzüge auf. Die erste Irritation: Dort gab es keine Tasten für Ebenen unterhalb des Erdgeschosses. Inzwischen waren zwei ihm fremde Mitarbeiter eingetreten, und schon befand ersieh auf dem Weg ins 21. Stockwerk, wie auf dem Display abzulesen war.

Jetzt erinnerte sich Robin an den Code, dessen Gebrauch nicht weiter erklärt war, und als die beiden Mitfahrer die Kabine verlassen hatten, gab er die sechsstellige Zahl ein, indem er für das Erdgeschoss eine Null, für die erste Ebene eine Eins usw. verwendete. Und tatsächlich setzte sich der Lift in Bewegung, es ging abwärts, am Erdgeschoss vorbei – und dann noch tiefer, wobei die Zahl der Ebenen offen blieb. Dann öffnete sich die Kabinentür, und Robin trat hinaus.

Wenn er hier saubere Gänge wie im oberen Bereich mit Silberstahl und anthrazitfarbenem Kunststoff erwartet hatte, dann erwies sich das als Irrtum. Decken und Wände bestanden aus roh verstrichenem Beton, der Boden aus von Rillen durchzogenem Hartgummi, als müssten hier oft Flüssigkeiten ablaufen, alles das machte einen schmutzigen Eindruck: Abfälle in den Raumecken, mit Farbe hingepinselte Hinweise auf den Wänden.

Neben einer Metalltür stand in kaum lesbarer Schrift: »Experimentelle Psychologie«. Robin suchte nach einer OPEN-Taste oder einer Klinke, doch es gab nichts dergleichen. Schließlich entdeckte er in Bodennähe einen schmalen Spalt. Er versuchte, den Chip einzustecken, was nach einigen vergeblichen Versuchen endlich gelang, worauf die Metalltür zur Seite glitt. Robin zögerte, denn der sich ihm eröffnende Anblick sah alles andere als einladend aus, doch dann riss er sich zusammen und trat ein.

Der Raum war trüb beleuchtet und erinnerte an eine Werkhalle. Ein großer Teil war mit Apparaten voll gestellt, deren Zweck sich schwer entschlüsseln ließ. Dazwischen waren enge Wege frei geblieben, und auf übereinander getürmten Kisten lag gelblicher Lichtschein. Und dort hockte jemand auf einem Stuhl und winkte Robin zu. »Kommen Sie! Kommen Sie!«