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Robin folgte der Einladung und bahnte sich einen Weg zwischen den Werkzeugen am Boden. An der Hinterwand ein Idyll, das man hier nicht erwartet hätte: ein halb aufgezogener Vorhang aus rotem Samt, ein bunt gepolsterter Lehnstuhl, eine Schreibtischlampe mit grünem Glasschirm, ein Computer-Bildschirm hinter Bücherstapeln versteckt.

»Ich bin Dr. Occoroni«, sagte der Inhaber dieses Platzes, ein schlanker Mann mit blassem Teint und hoher Stirn, vielleicht fünfzig, vielleicht auch schon sechzig. Er wies Robin eine Sitzgelegenheit zu, einen wackligen Hocker mit Aluminiumbeinen und einer schwarzen Plastikkappe als Sitzfläche.

»Haben Sie den Laufzettel dabei?«, fragte er. Er sprach mit leicht näselnder Stimme und einem Akzent, der Robin an einen populären Opernsänger erinnerte.

Robin schob sich vorsichtig auf den Hocker und reichte Dr. Occoroni die Vorladung. Dieser verglich die Angaben mit einigen Daten, die ersieh auf dem Bildschirm ausgeben ließ.

»In Ordnung«, bestätigte er. Von unten herauf musterte er Robin und bemerkte, dass dieser bemüht unauffällig im Raum umherblickte. »Sie wundern sich über unsere Ausstattung. Nun, alles Psychologie. Was glauben Sie, wie das die Stimmung unserer Besucher hebt, die hier aussagen sollen. Bald werden Sie es selbst bestätigen können.«

»Ich habe nichts verbrochen«, erklärte Robin nachdrücklich. »Ich weiß gar nicht, was ich hier soll. Und ich protestiere gegen eine solche Behandlung.«

»Es handelt sich um eine der Untersuchungen, die vor Befragungen vorgeschrieben sind. Eine Vorschrift des Gesundheitsdienstes – wir müssen uns gegen Vorwürfe der Folter absichern. Damit nicht nachher einer kommt und uns für Gebrechen verantwortlich macht, die er schon vorher hatte. Ist Ihnen das jetzt klar?«

»Bei mir ist alles in Ordnung«, sagte Robin. »Davon werden Sie sich gleich überzeugen. Sie verschwenden Ihre Zeit.«

»Na, kommen Sie schon«, mahnte der Arzt. »Ich bereite Sie lediglich auf die Befragung vor. Das ist vorgeschrieben. Konstitution, Konzentrationsvermögen, Ausdauer …«

»Da brauchen Sie nur in meinen Sportprotokollen nachzusehen –«

»… Belastbarkeit, Überempfindlichkeiten, psychische Stabilität, Gedächtnisblockaden … Es ist doch nur zu Ihrem Besten.«

»Und weshalb werde ich befragt?«

»Das ist nötig, weil sich bei Ihnen Verdachtsmomente ergeben haben.«

»Es muss ein Irrtum sein, ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen.«

Dr. Occoroni musterte ihn von der Seite her. »Nun, dann möchte ich doch wissen, warum Sie gestern falsche Angaben gemacht haben.«

Robin musste sich erst besinnen, dann fiel ihm ein, dass er am Vortag tatsächlich ohne besonderen Grund sein Muttermal und den Haarwirbel verschwiegen hatte. Das konnte doch nicht die Ursache für eine strenge Befragung sein!

»Das ist doch Unsinn …«, rief Robin, aber Occoroni ließ sich nicht unterbrechen.

»Warum haben Sie dann Ihre besonderen Kennzeichen verschwiegen?«

Als Robin noch nach einer Antwort suchte, schob ihm Dr. Occoroni einige Papiere zu. »Beginnen wir mit einem einfachen Test. Schreiben Sie bitte unter diese Bilder, was Ihnen spontan dazu einfällt.«

»Und wenn ich das ablehne?«

Jetzt schien Occoroni die Geduld zu verlieren. Er legte die Hand auf einen roten Alarmknopf und sagte: »Wenn ich darauf drücke, dann ist zehn Sekunden später ein Trupp Sicherheitsleute da …«

Robin schüttelte den Kopf, aber er sagte nichts mehr. Warum sollte er es auf eine Auseinandersetzung ankommen lassen? Er sah sich den Bilderbogen an … Er wusste, was da zu tun war, und notierte »Nachtfalter«, »Fledermaus«, »Orchidee«, »Bärenfell« usw.

»Fertig?« Dr. Occoroni nahm das Bündel Papiere und ließ es in einen Papierkorb fallen.

»Was soll das?«, fragte Robin. »Ich dachte, Sie wollten meine Assoziationen überprüfen.«

»Es ist längst bekannt, dass der alte Rorschach keine brauchbaren Ergebnisse liefert, jedenfalls nicht im Sinn seines Erfinders. Und trotzdem habe ich ein erstes Ergebnis.«

»Welches?«

»Sie haben mich zu betrügen versucht. Sie kennen den Test ganz genau, denn Sie haben die Standardantworten gegeben. Sie haben so getan, als wäre er Ihnen unbekannt.«

Dr. Occoroni hatte Recht, Robin fühlte sich übertölpelt und wusste nicht, was er dazu sagen sollte.

»Stehen Sie auf«, befahl der Arzt und begann mit einigen einfachen Untersuchungen. Robin musste mit den Augen dem Licht einer Taschenlampe folgen, er musste sich mehrmals um sich selbst drehen, er musste mit geschlossenen Augen den Mittelfinger auf seine Nase führen und noch einiges mehr. Dann kam eine medizinische Assistentin herein, die Robin Blut abnahm. Sie füllte ein wenig davon in ein Röhrchen, das sie in einen auf dem Nebentisch stehenden Apparat steckte. Auf dem Display erschienen Worte und Zahlen, und schließlich schälte sich ein bedruckter Papierstreifen von einer Rolle. Dr. Occoroni nahm ihn an sich, warf einen flüchtigen Blick darauf und steckte ihn in seine Brusttasche.

»Da gäbe es noch einen Test, der Sie vor gewissen Schäden schützen kann, aber Sie müssen sich freiwillig dazu bereit erklären. Es geht um Ihre Empfindlichkeit gegenüber Schmerzen. Sie müssen versuchen, die Zunahme des Schmerzes möglichst lange auszuhalten. Es geht um die Grenzbelastung. Aber – ich weise Sie speziell darauf hin – Sie können jederzeit abbrechen.«

Robin überlegte kurz, dann fragte er: »Und wenn ich nicht dazu bereit bin?«

»Dann machen wir es trotzdem«, antwortete Dr. Occoroni.

Robin musste sich in einen Metallstuhl mit breiten Lehnen setzen und wurde angeschnallt. Dann holte die Assistentin von seitlich hinten zwei Bügel heran, die in stumpfe Enden ausliefen. Sie setzte sie unterhalb der Ohren an, in die ans Kinn anschließenden Mulden.

»Wir beginnen«, kündigte sie an.

Robin merkte, wie der Druck zunahm, was ihm nicht weiter wehtat, und erst als sich die angewandte Kraft verstärkte, setzte von einem ganz bestimmten Moment an die Schmerzempfindung ein und nahm überraschend schnell zu. Noch war es erträglich, aber wo begann die Grenze zum Unerträglichen? Noch hielt er es aus, allerdings nur mit großer Willensanstrengung, doch der Schmerz stieg weiter an, aber wenn Robin alle seine mentalen Kräfte darauf konzentrierte, vermochte er auch diesen Grad noch zu ertragen.

Es wurde langsam schlimmer. Ich kann mich immer noch beherrschen, sagte er sich, aber dann meldeten sich Bedenken: Warum solltest du dich so sehr darum bemühen, etwas völlig Unsinniges zu tun? Der Test diente doch sicher dazu, die Erträglichkeitsgrenze festzustellen, und da war es sicher klug, ein wenig früher aufzugeben als unbedingt nötig.

Und so gab Robin plötzlich nach, er ächzte, stöhnte und wimmerte. Und er musste sich dabei nicht einmal allzu sehr verstellen.

Der Test wurde sofort abgebrochen. Die Assistentin lockerte die Halterung der Druckbügel und kippte sie beiseite. Sie half Robin aus dem Stuhl und führte ihn zu Dr. Occoroni. Dieser sah ihn eine Weile mit einem schwer interpretierbaren Gesichtsausdruck an. Mitleid? Enttäuschung? Verachtung? Spott?

»Selbst jetzt haben Sie versucht, mich hereinzulegen. Sie hätten es noch eine Weile ausgehalten und haben Theater gespielt. Kommen Sie, ich bin fertig mit Ihnen.«

Er ging voran, Robin folgte ihm benommen. Er rieb sich die schmerzenden Stellen am Hals. Jetzt erst tat es richtig weh.

Sie benutzten eine zwischen zwei Schränken eingekeilte Tür. Der Raum, in den ihn der Arzt führte, schien einer anderen Welt anzugehören. Er war hell, sauber, blitzblank, die Geräte aus Metall und Kunststoff, einige waren wohl medizinischer Art, andere erinnerten eher an ein Fitness-Center.