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Aurian wurde das alles schon bald langweilig. Sie begann, ihm in der besten Absicht zu helfen, aber nach einer Weile stahl sie sich unausweichlich davon, angeblich, um ihre Tiere zu besuchen. Aber im Laufe der Zeit bemerkte der Schwertkämpfer, daß das Kind immer häufiger verschwand, und er begann, sich darüber zu wundern. Als er sie fragte, womit sie ihre Tage zubrachte, waren ihre Antworten vage und ausweichend. Da sie im Grunde ein ehrliches Kind war, war sie eine schrecklich schlechte Lügnerin. Es blieb nicht aus, daß Forral an den Tag denken mußte, an dem sie einander zum ersten Mal begegnet waren und er sie dabei erwischt hatte, wie sie auf der kleinen Lichtung mit Feuerbällen spielte.

Der Verdacht, daß sie es wieder tun könnte, erfüllte ihn mit tiefer Sorge. Er wußte bereits, daß sie Eilins Erdmagie geerbt hatte. Sie konnte mit den Tieren sprechen und beherrschte das Kunststück, junge Pflanzen wachsen zu lassen. Das war kein Problem. Eilin konnte ihre Bemühungen überwachen, und in der Erdmagie gab es kaum etwas, womit sie sich hätte verletzen können. Aber Geraints Gebiet war die Feuermagie gewesen, und die schwierige Beherrschung der gewaltigen Energien, die dazu nötig waren, machte die Feuermagie zur gefährlichsten der Maguschdisziplinen. Der Schwertkämpfer war besorgt.

Hatte das Kind auch Geraints Fähigkeiten geerbt? War sie eine jener seltenen Magusch, denen alle Formen der Magie zur Verfügung standen? Wenn ja, dann wäre sie ohne eine ordentliche Ausbildung in ernster Gefahr – sie und alle, mit denen sie in Kontakt kam.

Forral dachte daran, Eilin bei ihrer Rückkehr seinen Verdacht anzuvertrauen, aber irgend etwas ließ ihn zögern. Eilin war besessen von ihrer Trauer um Geraint, und sie würde niemals mit einem Kind leben können, das dessen potentiell zerstörerische Kräfte geerbt hatte. Es wäre tragisch, wenn sie Aurian ablehnte, gerade nachdem sich ihre Beziehung zum Besseren gewendet hatte. Außerdem hatte er keinerlei Beweise. Solange das so war, hatte es keinen Sinn, die Dinge unnötig zu komplizieren. Er würde sich erst einmal selbst darum kümmern.

Als Aurian das nächste Mal davonschlüpfte, folgte Forral ihr. Er fürchtete, daß die Vögel ihn verraten würden, aber sie waren zu sehr damit beschäftigt, ihre gefräßige Brut zu füttern, um an etwas anderes zu denken. Sobald sie den Turm hinter sich gelassen hatte, rief Aurian ihr Pony, und Forral lief fluchend zurück, um sein eigenes Pferd zu holen. Das Tier, das nun meist müßig auf der Weide stand, war fett und verspielt geworden; es kostete ihn keine geringe Mühe, das widerspenstige Tier zu bändigen. Als er dann Aurians Spur wiedergefunden hatte, wurde dem Schwertkämpfer klar, daß sie offensichtlich zu dem Wald jenseits des Kraters wollte, aber nicht auf dem direkten Weg durch den Krater hindurch, sondern im Halbkreis an dessen Rang entlang. Forral runzelte die Stirn. Es war eindeutig, daß sie irgend etwas vor ihm verbarg. Schließlich führte ihre Spur ihn zu eben jener Lichtung, an der sie sich zuerst begegnet waren. Forral spähte durch das dichte Unterholz und hielt die Luft an.

Aurian mußte sich aufs äußerste konzentrieren. Noch nie hatte sie mit mehr als sechs Feuerbällen auf einmal jongliert, und es fiel ihr schwer, sie alle gleichzeitig in der Luft und unter Kontrolle zu halten, ohne sich dabei zu verbrennen. Ihr Gesicht war schweißnaß, und sie wurde schnell müde. Einer der glühenden, bunten Flammenbälle brach plötzlich aus. Er flog direkt auf einen Baum zu, und sie brachte ihn nur mit einer gewaltigen Willensanstrengung, bei der sie sich beinahe ihr Haar versengt hätte, wieder unter Kontrolle. Das war jetzt genug für heute. Mit großer Vorsicht brachte sie die unruhigen Flammen noch in der Luft zum Verlöschen und setzte sich auf einen am Boden liegenden Baumstamm. Sie war erschöpft, aber auch sehr zufrieden mit sich.

Bevor ihre Ohren Zeit hatten, das Krachen im Unterholz wahrzunehmen, spürte Aurian, wie sie an den Schultern gepackt, in die Höhe gerissen und herumgewirbelt wurde, um direkt in Forrals zornsprühende Augen zu blicken. Sie schluckte, und ihr Gesicht brannte schuldbewußt. Sie hatte den großen Mann noch niemals so wütend gesehen.

»Was hast du da gemacht?« rief er. »Sag es!«

Aurian öffnete den Mund, aber kein Laut kam ihr über die Lippen. Er schüttelte sie so heftig, daß ihre Zähne aufeinanderschlugen. »Sag es!« brüllte er.

»Hm – mit Feuerbällen gespielt.« Aurian schaffte es kaum, die Worte herauszubekommen.

»Und was habe ich dir gesagt?«

»Daß – daß ich es nicht soll.«

»Und warum?«

»Weil es sehr gefährlich ist«, erwiderte Aurian mit leiser Stimme. Sie war so verängstigt, daß sie nicht einmal weinen konnte, und die Veränderung ihres stets geduldigen Freundes in einen zornigen Erwachsenen hatte ihr einen Schock versetzt.

»Nun, du wirst gleich herausfinden, wie gefährlich es ist!« Mit grimmigem Gesicht setzte Forral sich auf den Baumstamm, legte sie übers Knie und versohlte sie, bis sie laut aufheulte. Die Schläge waren schon schmerzlich genug, aber was Aurian noch mehr traf, war der Umstand, daß es ihr geliebter Forral war, der sie so hart bestrafte. Es schien mehrere Ewigkeiten zu dauern, bis er endlich damit aufhörte. »Das hast du verdient«, übertönte er mit schroffer Stimme ihr Schluchzen. »Du hast genau gewußt, daß du das nicht durftest, aber du hast es trotzdem getan. Ich dachte, ich könnte dir vertrauen, Aurian. Aber jetzt sehe ich, daß ich mich geirrt habe.« Unsanft setzte er sie auf den Boden. Die Kleine vergrub ihr Gesicht in dem weichen Kompostboden und schluchzte sich das Herz aus dem Leibe. Als sie wieder aufsah, war Forral verschwunden.

Aurian war zutiefst gedemütigt. Sie konnte einfach nicht glauben, daß Forral sie verprügelt hatte. Er hatte sie noch nie geschlagen. Er war doch ihr Freund! Langsam begann es ihr zu dämmern, daß sie wirklich etwas Böses getan haben mußte. Aber es machte doch solchen Spaß! »Ich werde nicht damit aufhören«, murmelte sie rebellisch vor sich hin. »Ich werd’s ihm schon zeigen!« Aber die Stimme ihres Gewissens schaltete sich ein. Forral tat niemals etwas ohne guten Grund, und am Ende stellte sich immer heraus, daß er recht hatte. Plötzlich kam ihr ein neuer Gedanke. Wenn sie ihn nun so wütend gemacht hatte, daß er fortging? Aurian stand mühsam auf und rief ihr Pony. Plötzlich hatte sie es verzweifelt eilig, nach Hause zu kommen. »Oh, bitte, wenn er nur noch da ist«, betete sie. »Ich werde es nie wieder tun, wenn er nur noch da ist.«

Sie konnte nicht reiten. Es tat zu weh. Also rutschte sie wieder von ihrem Pony herunter, wobei sie laute Flüche ausstieß. Dann fuhr sie sich selbst schuldbewußt mit der Hand über den Mund. Mit zusammengebissenen Zähnen machte sie sich auf den Weg, wobei sie sich immer wieder Tränen abwischen mußte, die ihr die Wange herunterliefen. Dunkelheit senkte sich über das Land. Sie wußte, daß ihr im Becken des Kraters nichts geschehen konnte, denn die wilden Geschöpfe dort waren ihre Freunde. Wie alle Magusch hatte sie eine hervorragende Nachtsicht, und wenn sie vorsichtig war, brauchte sie nicht zu befürchten, in eine der versteckten Bodenfalten hineinzufallen. Es bestand auch keine Gefahr, daß sie sich verlaufen würde. Sie mußte lediglich auf das flackernde Licht zugehen, das wie ein Signalfeuer oben auf dem Turm brannte. Aber außer dem einen Mal, als sie sich im Schnee verirrt hatte, war Aurian noch nie bei Nacht draußen in der unendlichen, leeren Dunkelheit des Ödlands gewesen. Sie fühlte sich plötzlich furchtbar niedergeschlagen und einsam, und Forral liebte sie überhaupt nicht mehr. Sie schluckte, um ein Schluchzen zu unterdrücken, und tat sich selbst schrecklich leid. Ihre Füße begannen zu schmerzen, und ihr Hinterteil brannte noch immer. Es war ein trauriges kleines Mädchen, das schließlich über die Brücke schlich, die zum Turm führte.