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Forrals Rückkehr entschädigte sie schließlich voll und ganz für seine Abwesenheit. Er hatte ihr ein kostbares Geschenk zu ihrem Geburtstag mitgebracht – ein echtes, eigenes Schwert für sie. Aurian spürte einen Frosch in ihrem Hals, als sie es auspackte und die lange, scharfe Klinge mit einem stählernen Zischen aus der schwarzsilbernen Scheide zog. Sie schlang ihre Arme um Forral. »Oh, ich danke dir«, stieß sie hervor. Das Schwert funkelte leuchtend blau in dem bleichen Licht der Wintersonne, das wie glitzerndes Feuer über seine rasierklingenscharfe Schneide fiel. Auf dem Griff prangte ein einzelner weißer Edelstein. Es war schmaler als Forrals großes Breitschwert, stark, elegant – und tödlich. Aurian hatte noch niemals etwas so Schönes gesehen.

Und es war, als müßte sie noch einmal ganz von vorne anfangen. Das Schwert war für eine erwachsene Aurian gemacht; die Dreizehnjährige konnte die schwere Klinge kaum heben, geschweige denn schwingen. Sie biß die Zähne zusammen und verdoppelte ihre Übungen zum Muskelaufbau. Am Ende einer jeden Lektion taten ihr der Rücken und die Arme weh. Sie machte die Erfahrung, daß ein Kampf mit einer richtigen Klinge eine vollkommen andere Technik erforderte als ein Scharmützel mit dem leichten, hölzernen Übungsschwert, das ihr bisher so gute Dienste geleistet hatte, und so war sie gezwungen, wieder ganz von vorn zu beginnen. Aurian war in der Vergangenheit ziemlich selbstsicher geworden, was ihr überragendes Können betraf, und sah sich bereits als große Schwertkämpferin. Jetzt mußte sie begreifen, daß sie sich geirrt hatte. Die Frage der Sicherheit wurde zu einem wesentlichen Faktor bei ihren Übungen. Nun, da sie und Forral tödliche Stahlklingen benutzten, war das Risiko groß, daß sie einander ernsthafte Verletzungen zufügen konnten, und Aurian mußte lernen, daß sie nicht länger improvisieren konnte, wie sie es früher getan hatte.

Es schien eine ganze Ewigkeit zu dauern, aber ganz allmählich, nachdem sie während des folgenden Frühlings und Sommers hart gearbeitet hatte, kam Aurian immer besser mit ihrem Schwert zurecht. Zumindest gehorchte ihr nun die Klinge so weit, daß ihre Hiebe dort auftrafen, wo sie auftreffen sollten. Das Schwert war wohl ausbalanciert und wunderbar fein gearbeitet, und es war eine Freude, mit ihm zu fechten. Forral lehrte sie, es sorgfältig zu pflegen, und sie sorgte dafür, daß sowohl die Klinge als auch die Scheide stets peinlichst sauber und gut geölt waren. Das Schwert glitzerte in der Sonne, wenn sie es schwang, und es sang, wenn sie die Luft damit zerteilte.

Deswegen gab Aurian ihm den Namen Coronach, was soviel bedeutete wie Totenlied. »Eine gute Klinge verdient einen guten Namen«, pflichtete Forral ihrer Wahl mit ernster Stimme bei.

Das Unglück ereignete sich kurz vor Jahresende, als der erste Schnee den Boden mit einem dünnen, weißen Film überhaucht hatte. Vielleicht war Forral ein wenig vorschnell gewesen und hatte ihr das Schwert zu früh gegeben; vielleicht hatte Aurian auch ein übertriebenes Selbstbewußtsein entwickelt. Was immer auch der Grund gewesen sein mochte, sie machte einen tödlichen Fehler. Sie und Forral kämpften an der gewohnten Stelle, als Aurian aus eigenem Antrieb beschloß, einen neuen Schritt auszuprobieren, den sie sich vor kurzem ausgedacht hatte. Sie wich vor ihm zurück, duckte sich und fuhr herum – in der Absicht, ihre Klinge dann plötzlich hochzureißen und die Deckung ihres Widersachers zu durchbrechen, um auf seine Kehle zu zielen. Aber der Versuch hatte furchtbare Folgen. Als Aurian herumfuhr, rutschte sie auf dem Schnee aus. Sie verlor das Gleichgewicht, und ihr Schlag ging weit daneben, so daß sie Forrals von oben geführtem, tödlichem Hieb schutzlos ausgeliefert war. Er schrie auf und versuchte, die schwere Klinge zur Seite, an Aurian vorbeizureißen, aber der Schwung der stählernen Masse war viel zu groß, als daß ihm das noch hätte gelingen können. Die breite Klinge drang mit übelkeitserregendem Knirschen zerschmetternder Knochen tief in Aurians linke Schulter.

Auf Forrals verzweifelte Hilfeschreie hin kam Eilin die Turmtreppe heruntergestürmt. Am Fuß der Treppe blieb sie mit aschfahlem Gesicht stehen. Forral, dem die Tränen übers Gesicht strömten, trug Aurians leblosen Körper, den er in seinen blutdurchtränkten Umhang gehüllt hatte. Eine Blutspur führte durch die offene Tür hinter ihm; auf den Steinplatten des Küchenbodens bildete sich bereits eine Lache. Er spürte, wie Aurians Blut ihm warm und klebrig durch die Kleider sickerte. »Oh, ihr Götter«, schluchzte er, und sein Gesicht verzerrte sich vor Angst. »Eilin, ich habe sie getötet!«

Eilin zitterte am ganzen Körper, als sie ihm Aurian abnahm und sanft auf den Küchentisch legte. Er hörte ihr Keuchen, als sie die schreckliche Verletzung erblickte. Die Magusch tastete an Aurians Kehle nach einem Pulsschlag. »Den Göttern sei Dank, sie lebt noch«, murmelte sie. Erst da wagte es auch Forral, einen Blick auf das Mädchen zu werfen. Sein Schwert hatte tief in Aurians Schulter geschnitten, ihr Schlüsselbein zerschmettert und ihr um ein Haar den ganzen Arm abgetrennt. Ihr Gesicht war grau von dem Schock und dem Blutverlust.

Forral sackte in sich zusammen. Während er benommen zu seinem Stuhl hinübertaumelte, schien der Raum vor seinen Augen zu verschwimmen. Zu oft hatte er mitangesehen, wie gute Freunde verstümmelt und getötet worden waren, und er hatte seinen Feinden in der Schlacht weit schlimmere Wunden zugefügt, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, aber dies war ein Mädchen, ein Mädchen, das er mehr liebte als das Leben selbst. Es war mehr, als er ertragen konnte. »Es tut mir leid. Es war meine Schuld. Ich …«

»Still!« fuhr Eilin ihn an. Sie legte ihre Hände auf die Wunde, und ihre Augen verengten sich, als sie sich darauf konzentrierte, all ihre Energien zu bündeln. »Ich wünschte nur, ich hätte mich mehr mit dem Heilen beschäftigt«, murmelte sie hilflos. Aber während Forral mit angehaltenem Atem zusah, verkleinerte sich der Blutfluß zu einem Rinnsal und erstarb schließlich ganz. Eilin richtete sich auf und drehte sich mit funkelnden Augen zu ihm um. Forral fiel auf die Knie.

»Eilin, es war ein Unfall …«

»Das ist jetzt gleich! Reite nach Nexis, Forral. Hol die Heilerin aus der Akademie! Beeil dich! Es ist immer noch möglich, daß wir sie verlieren!«

Erleichtert, etwas Sinnvolles tun zu können, machte Forral sich schnellstens auf den Weg; der Anblick von Aurians bleichem, verzerrtem Gesicht stand während des ganzen Ritts vor seinem inneren Auge. Sein Pferd stürmte in einem wuchtigen Galopp davon, voller Angst vor diesem wildäugigen Wahnsinnigen, der ihm den Sattel so roh über den Rücken geworfen hatte. Er hatte ihm eins über die Nase gedroschen und den Sattelgurt unbarmherzig angezogen. Dann war er auf seinen Rücken gesprungen und hatte ihn vorwärts getrieben, daß der Schnee nur so stob, weil er das unwegsame Gelände des Kraters unbedingt noch vor dem Ende der Abenddämmerung hinter sich lassen wollte. Der Ritt nach Nexis dauerte normalerweise fünf Tage. Forral hatte die Absicht, es in nur zwei Tagen zu schaffen.

3

Der Sohn des Bäckers

»Hü!« Anvar schnalzte mit den Zügeln und drängte das alte Pferd den zerfurchten, ausgefahrenen Weg entlang, der sich von der Mühle am Fluß den Hügel hinaufschlängelte. Lazy warf den Kopf zurück und protestierte wiehernd dagegen, die schwere Wagenladung Mehl den steilen Hügel hinaufziehen zu müssen. »Mach dir nichts draus«, sagte Anvar zu dem Pferd. »Wenigstens ist dir jetzt warm. Und wenn wir nach Hause kommen, gebe ich dir ein gutes Frühstück.« Er hauchte in seine Hände und schlug sich auf die Oberschenkel, um die steife Kälte aus seinen Fingern zu vertreiben. Der eisige Morgenfrost war ihm in die Knochen gesickert, und das lodernde Feuer der Mühle schien bereits Millionen Meilen weit entfernt zu sein. Aber eine andere Art von Feuer wärmte Anvars Blut, als er an das Lächeln der hübschen Müllerstochter Sara dachte.