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Gewöhnlich segelte sie ins Zimmer, denn als gehen konnte man diese Art der Bewegung nicht mehr bezeichnen; den Kopf bewegte sie dabei regelmäßig auf und nieder, wie ein Pfau. In der Mitte des Zimmers blieb sie stehen, streckte auf sonderbare Weise einen Fuß vor, faßte mit zwei Fingern den Saum des herabgelassenen Ärmels – (diese Stellung mochte wohl einst Orlow besonders gefallen haben) und blickte im Kreise umher, mit dem nachlässigen Stolze eines Siegers (das war ja bei solcher Schönheit dann selbstverständlich). Manchmal flüsterte sie dann noch: »Aber was soll's denn?« gerade als ob ein cavalier soupirant sie in zudringlicher Weise mit feinen Komplimenten verfolge – dann zuckte sie die Achseln und ging wieder, mit den Absätzen fest auftretend, aus dem Zimmer.

Gleich ihrem Gatten schnupfte auch sie spanischen Taback; sie nahm ihn mit einem goldenen Löffelchen aus einer ganz kleinen Dose und von Zeit zu Zeit, ganz besonders aber wenn ein Fremder zugegen war, hob sie eine Doppellorgnette – nicht etwa zu den Augen, sondern zur Nase, denn sie sah von Natur ganz ausgezeichnet; sie benutzte nur die Gelegenheit, um die kleine weiße Hand mit den zierlich erhobenen Fingerchen recht zu zeigen.

Wie oft hat mir Melania Pawlowna ihre Hochzeit beschrieben, die in der Kirche zur Himmelfahrt gefeiert worden war. Wie schön hatte die Kirche ausgesehen und ganz Moskau war zugegen! War das ein Gedränge! Vierspännige Equipagen, vergoldete Wagen, Läufer – der Läufer des Grafen Semadowsky gerieth sogar unter die Räder einer Karosse!

»Der Bischof selbst traute uns, und wie rührend war die Predigt, die er dabei gehalten! Alle weinten, und wohin ich auch blicken mochte, ich sah überall Thränen, nichts als Thränen. Und die Pferde des General-Gouverneurs waren tigerfarben, und welch eine Menge Blumen hat man bei der Gelegenheit sehen können. Alles war wie mit Blumen übersäet! Ein sehr, sehr reicher Fremder hat sich bei dieser Hochzeit erschossen, aus unerwiderter Liebe. Auch Graf Orlow wohnte der Feier bei. Er näherte sich meinem Mann, beglückwünschte ihn und nannte ihn den Glücklichsten von allen Sterblichen. Jawohl, den Glücklichsten von allen Sterblichen nannte er ihn, Du dummer Junge! Und als Antwort darauf machte mein neuer Gatte seine schönste Verbeugung und wedelte mit seinem Federhute auf dem Fußboden immer von links nach rechts, als wollte er sagen: ›Erlaucht, jetzt ist zwischen Ihnen und meiner Gattin eine Grenzlinie gezogen, die Sie niemals überschreiten dürfen.‹ Und Orlow, Alexis Gregoriewitsch Orlow begriff das auch sofort und lobte meinen Mann dafür. O, welch ein ausgezeichneter Mensch war dieser Graf! Einmal, es war schon nach meiner Verheirathung, waren Alexis und ich von ihm zu einem Balle eingeladen worden; er trug wunderbar schöne Brillantknöpfe. Ich konnte mich nicht enthalten meine Bewunderung darüber zu äußern und zu sagen: ›Welch herrliche Knöpfe haben Sie da, Herr Graf!‹ da ergriff er sofort ein Messer, das auf dem Tische lag, schnitt einen der Knöpfe ab, überreichte ihn mir und sagte: ›Ihre schöne Augen, mein Täubchen, sind hundertmal herrlicher, als die prächtigsten Brillanten. Treten Sie gefälligst einmal vor den Spiegel und vergleichen Sie!‹ Das that ich auch, und er stellte sich neben mich und sagte: ›Nun, wer hat Recht?‹ Und dabei konnte er seine Blicke gar nicht von mir abwenden. Mein Mann, Alexis Sergejewitsch, wurde dabei sehr verwirrt; ich bemerkte das aber und sagte zu ihm: ›Alexis, ich bitte Dich, beunruhige Dich nicht; Du solltest mich doch besser kennen.‹ Und er antwortete: ›Sei Du nur ruhig, Melania. Diese selben Brillanten trage ich jetzt im Medaillon um das Bild von Alexis Gregoriewitsch. Du wirst es wohl schon gesehen haben, mein Junge; ich trage es bei Festtagen am Georgsbande an der Schulter. Denn er war ein tapferer Held, ein echter und rechter St. Georgs-Ritter; er hat die türkische Flotte verbrannt.« In der Seeschlacht bei Tschesme wure die türkische Flotte durch die unter des Grafen Orlow Befehl stehende russische verbrannt.

Trotz dieser kleinen Schwächen war aber Melania Pawlowna ein ausgezeichnetes Geschöpf; sie war ungemein leicht zufrieden zu stellen. »Sie macht Niemandem das Leben schwer, wie dies wohl andre Frauen thun,« sagten die Kammermädchen von ihr.

Eine wahre Leidenschaft entwickelte Melania Pawlowna für alle süßen Speisen, und eine alte Frau, die ausschließlich zum Einmachen der Früchte angestellt war und die man deshalb die Zuckerfrüchtefrau nannte, brachte ihr wohl zehnmal im Laufe des Tages einen kleinen chinesischen Teller, auf dem bald in Zucker eingekochte Rosenblätter, bald Berberitz in Honig, bald auch Ananas-Sorbet sich befand.

Die alte Dame fürchtete das Alleinsein, wegen der schrecklichen Gedanken, die sich ihr dann nur zu bald einstellten, und so befand sie sich denn fast fortwährend in einem Kreise von Leuten, die bei ihr das Gnadenbrod aßen, und die sie unausgesetzt bat: »Aber so sprecht doch nur! Erzählt mir doch irgend etwas! Seid ihr denn bloß dazu gut, um dazusitzen und die Stühle zu wärmen?« Und dann fingen die Leute an zu plaudern und zu reden, daß es sich anhörte, als wenn Kanarienvögel zwitscherten.

Da sie ebenso fromm wie ihr Gatte war, hatte sie auch eine große Neigung zum Beten. Weil sie nun aber, wie sie selbst eingestand, nicht gelernt hatte die Gebete geläufig zu lesen, unterhielt sie eigens zu diesem Zwecke eine arme Frau, die Wittwe eines Diakonus, die, wie sie sagte, »gar so appetitlich zu beten verstand. Niemals blieb sie stecken.« Und das muß man sagen, diese Diakonswittwe konnte wirklich mit unvergleichlicher Fertigkeit beten; unaufhaltsam floß ihr der Strom der Worte von den Lippen, und sie machte nicht einmal eine Pause, um Athem zu holen. Melania Pawlowna saß dabei, hörte zu und erbaute sich daran.

Noch eine andere arme Wittwe war zu ihren Privatdiensten angestellt, und zwar mußte sie der Frau des Hauses in der Nacht Märchen erzählen. »Aber nur alte Märchen,« sagte Melania Pawlowna; »ich will nur solche hören, die ich schon von früher kenne, denn die neuen sind doch alle nur ausgedacht.«

So unbesonnen die alte Dame im Grunde war, so hatte sie doch auch wieder ihre Vorurtheile und Bedenken; die seltsamsten Launen und Ideen tauchten zuweilen in ihrem Kopfe auf. So konnte sie zum Beispiel den Zwerg Janus nicht leiden, denn sie hatte den Glauben, es könnte ihm eines schönen Tages einfallen, plötzlich laut zu rufen: Wißt ihr, wer ich bin? Ich bin ein Fürst aus der Steppe und ihr Alle müßt mir unterthan sein! Zuweilen fürchtete sie auch, der Zwerg könnte in einem Anfall von Trübsinn ihr das Haus über dem Kopf anzünden.

Melania Pawlowna war ebenso freigebig, wie ihr Gatte, aber sie gab niemals Geld; sie fürchtete, sich dabei die Händchen zu beschmutzen. Sie reichte den Bedürftigen Tücher, Ohrringe, Kleider und Bänder, oder sie schickte vom Tische ein Stück Mehlspeise, ein Stück Braten und ein Glas Wein. An Festtagen liebte sie es, die Bauerfrauen zu bewirthen; nach dem Essen bat sie die Leute zu tanzen, und sie selbst stellte sich dann hin und stampfte im Takt mit den Absätzen der Schuhe.

Alexis Sergejewitsch wußte sehr wohl, daß seine Frau geistig sehr beschränkt war, aber von Beginn seiner Ehe an that er, als glaube er seine Gattin habe eine sehr scharfe Zunge und ließe sich gern in moquanten und spöttischen Redensarten gehen. Sobald sie gar zu sehr schwatzte, drohte er ihr mit dem Finger und sagte: »O, dieses Züngelchen! Diese kleine Lästerzunge! Wieviel wird sie in jener Welt abzubüßen haben! Man wird sie dort mit einer glühenden Nadel durchstoßen.« Durch diese Worte fühlte sich Melania Pawlowna aber nicht im Geringsten gekränkt; es machte ihr im Gegentheil eine heimlische Freude, so etwas zu hören und sie schien dabei zu denken: Kann ich dafür, daß ich nun einmal von Hause aus so geistreich bin?

Sie betete ihren Mann an und während ihres ganzen Lebens blieb sie das Musterbild einer treuen Gattin, obwohl auch sie einen »Gegenstand« gehabt hatte. Es war dies ein junger Neffe von ihr gewesen, ein Husar, der, wie sie sich einbildete, ihretwegen in einem Duell gefallen war, glaubwürdigeren Nachrichten zufolge aber in einer Kneipe einen Schlag mit einem Knotenstock erhalten hatte und an den Folgen dieses Angriffes gestorben war. In einer geheimen Schublade ihres Arbeitstisches verbarg sie das in Aquarellmanier ausgeführte Portrait dieses »Gegenstandes«, und sie erröthete jedesmal bis zu den Ohren, so oft sie den Namen »Kapiton«, so hatte der Husar nämlich geheißen, aussprach. Telegin nahm dann eine ärgerliche Miene an, drohte wieder mit dem kleinen Finger und sagte: »Dem Pferd auf freier Wiese und der Frau im Hause darf man nicht trauen. O, wenn ich nur von diesem Kapiton hören muß, befällt mich ein Zorn –« Dann bebte Melania Pawlowna am ganzen Körper und rief: »Aber Alexis, das ist sündhaft von Dir! Hast Du denn gar kein Schamgefühl? Als Du noch jung warst, hast Du sicherlich auch mit manchen Damen scharmuzirt – ich bin davon überzeugt –«