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Ein Wagen näherte sich. Für eine oder zwei Sekunden wurde der BMW in blendendes weißes Licht getaucht, dann quietschten Bremsen, und er konnte hören, wie eine Autotür aufgerissen wurde.

»Was ist denn hier los?« erklang eine Stimme. Sie klang jung, energisch. Die einer Frau.

»Mist!« fluchte Cremer. »Schaff Sie uns vom Hals. Ich kümmere mich um Bremer.« Seine Stimme wurde leiser, schärfer. »Wenn du auch nur ein Wort sagst, breche ich dir den Arm, verstanden?« Bremer nickte. Ihm war noch immer so übel, daß er gar nicht antworten konnte - aber er glaubte Cremer aufs Wort Dem Kerl würde es Spaß machen, ihm wirklich weh zu tun. Das Geräusch der Wagentür erklang erneut, und schnelle, energische Schritte näherten sich.

»Was ist hier los?« erklang die weibliche Stimme von gerade. »Was tun Sie mit dem Mann da?«

Bremer hätte um ein Haar aufgeschrien, als er die Stimme erkannte. Er hob mit einem Ruck den Kopf, und seine schlimmsten Befürchtungen wurden wahr. Angelas zitronengelber Fiat Uno stand mit laufendem Motor und eingeschalteten Scheinwerfern fünf Meter entfernt auf der Straße, und sie selbst kam mit kleinen, schnellen Schritten näher. Auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck gerechter Empörung, und sie schwenkte kampflustig eine alberne kleine Handtasche.

Reinhold ging ihr lächelnd entgegen und machte mit beiden Händen eine beruhigende Geste. »Es ist alles in Ordnung«, sagte er. »Wirklich. Unserem Freund ist nur ein bißchen schlecht geworden, das ist alles.« Cremer versuchte die hintere Tür des BMW aufzureißen, hatte aber Probleme damit, weil Bremer sie mit seinem Körper blockierte.

»Schlecht?« fragte Angela. »Lassen Sie mich nach ihm sehen. Ich bin Medizinstudentin im letzten Semester.« Sie kam weiter auf den Wagen zu. Reinhold versuchte ihr den Weg zu vertreten, aber sie glitt mit einer so graziösen Bewegung an ihm vorbei, als wäre sie nur ein Trugbild aus Licht und Schatten. Der Langhaarige brummte ärgerlich, machte einen schnellen, energischen Schritt und ergriff sie am Arm.

»Es ist wirklich alles in Ordnung«, sagte er. Seine Stimme klang gar nicht mehr freundlich. »Wir brauchen keine Hilfe. Unser Freund hat zuviel getrunken, das ist alles!«

»Das sieht mir aber gar nicht danach aus«, antwortete Angela. »Hier stimmt doch etwas nicht! Wenn Sie mir nicht sofort sagen, was hier los ist, rufe ich die Polizei!« Es war Cremer mittlerweile gelungen, die Wagentür aufzubekommen, aber nicht, Bremer hineinzubugsieren. Bremer hatte noch immer Mühe, sich auf den Beinen zu halten.

Er wagte es nicht, sich Cremer wirklich zu widersetzen, rührte allerdings keinen Finger, um ihm zu helfen.

»Verdammt noch mal!« brüllte Cremer. »Schaff endlich die Kleine weg, und dann hilf mir!« Reinhold drehte für einen Moment den Kopf in ihre Richtung, und das war ein Fehler. Bremer konnte nicht sehen, was Angela tat, aber der Langhaarige war plötzlich ... einfach verschwunden. Bremer hörte ein überraschtes Keuchen, das in einen schweren Aufprall überging, und noch bevor das Geräusch verklang, raste Angela los und stürmte auf Cremer zu.

Cremer ließ seinen Arm los, drehte sich verwirrt herum und zögerte. Nicht lange, vielleicht nur eine halbe Sekunde, aber lange genug. Angela stürmte weiter heran, senkte die Schultern, als wolle sie ihm einfach wie ein Kind beim Torero-Spiel den Kopf in den Leib rammen, und warf sich im letzten Moment zur Seite. Ihr Knie kam hoch und traf mit solcher Wucht in Cremers Magen, daß es sich anhörte wie ein Hammerschlag. Cremer japste, krümmte sich und schlug die Hände vor den Leib, und Angela war mit einer unglaublich schnellen, kraftvollen Bewegung wieder in der Höhe und hinter ihm, riß ihn herum und schmetterte ihn mit solcher Kraft gegen die Beifahrertür, daß das Glas zersplitterte. Cremer verdrehte mit einem wimmernden Laut die Augen und brach zusammen wie eine Marionette, deren Fäden man durchgeschnitten hatte. Die ganze Aktion hatte weniger als zwei Sekunden gedauert.

Trotzdem vielleicht zu lange. Der zweite Mann hatte sich mittlerweile wieder hochgerappelt und kam heran, und der Vorteil der Überraschung, den Angela bisher gehabt hatte, zählte nun nicht mehr. Reinhold hatte gesehen, was Angela mit seinem Kameraden gemacht hatte, und würde sich von ihrem harmlosen Äußeren nicht mehr täuschen lassen.

Sie versuchte, nach ihm zu treten, aber Reinhold wich der Attacke aus und schlug ihr Bein so hart zur Seite, daß Angela taumelte und um ein Haar gestürzt wäre. Sofort setzte der Langhaarige ihr nach. Angela wich, noch immer um ihr Gleichgewicht kämpfend, zurück, duckte sich unter einem Schwinger hindurch, der so schnell kam, daß Bremer ihn nicht einmal wirklich sah, und bekam dafür Reinholds Knie ins Gesicht. Sie stürzte nach hinten, fing den Sturz mit dem ausgestreckten rechten Arm ab und stieß das linke Bein schräg nach oben in Reinholds Leib. Der Langhaarige grunzte, taumelte breitbeinig drei oder vier Schritte zurück und krümmte sich leicht, fiel aber nicht.

Bremer kam endlich auf die Idee, daß er ihr helfen könnte. Mühsam und mit zusammengebissenen Zähnen stemmte er sich aus dem Wagen, machte einen taumelnden Schritt und blieb wieder stehen, als er ein Stöhnen hörte.

Cremer kam wimmernd zu sich. Er blutete aus einer üblen Schnittwunde auf der Stirn, und sein Gesicht war bereits jetzt angeschwollen und schillerte in allen Farben. Spätestens in ein paar Stunden, dachte Bremer, würde sein Gesicht endgültig zu seinem Charakter passen. Der Agent blinzelte benommen zu ihm hoch. Bremer packte seinen Kopf und knallte ihn so hart mit der Stirn auf den Boden, daß er wieder still lag. Er hatte nicht die Spur von Skrupeln dabei.

Mittlerweile hatte sich Angela wieder aufgerichtet. Reinhold und sie umkreisten sich, Reinhold grätsch-beinig und starr, ganz geballte Kraft und höchste Konzentration. Angela schnell, fließend, mit fast grazilen, huschenden Bewegungen. Angelas Unterlippe war geschwollen und blutete, während der Langhaarige noch immer Schwierigkeiten beim Atmen zu haben schien. So unglaublich es Bremer auch vorkam, hatte er doch das Gefühl, zwei absolut gleichwertige Gegner zu beobachten.

Diesmal war es Reinhold, der angriff. Er sprang vor, täuschte einen Fußtritt gegen Angelas Knie an und schoß im letzten Moment eine rechte Gerade auf ihr Gesicht ab. Angela wich dem Hieb aus, packte sein Handgelenk und schleuderte den Langhaarigen in einem perfekten Judowurf über die Schulter. Reinhold krachte schwer zu Boden, trat aber noch im Fallen aus und erwischte Angelas Wade. Sie torkelte zurück, stürzte ebenfalls und kam im gleichen Moment wieder auf die Füße wie ihr Gegner. Aber irgend etwas stimmte mit ihrem linken Bein nicht. Sie knickte ein, wäre um ein Haar wieder gestürzt und fand nur mit einem raschen Schritt nach hinten ihr Gleichgewicht wieder. Ihre Mundwinkel zuckten vor Schmerz.

Reinhold näherte sich ihr langsam. Seine Bewegungen waren noch immer so kraftvoll und ehrfurchtgebietend wie zuvor, und doch glaubte Bremer ihnen anzumerken, daß er jetzt eine gehörige Portion Respekt vor seiner Gegnerin verspürte.

Als er das nächstemal angriff, versuchte er keine Täuschungsmanöver mehr, sondern setzte ganz auf seine Kraft und seine körperliche Überlegenheit. Er stürmte einfach los, nahm einen brutalen Kniestoß in die Genitalien hin und umschlang Angela mit den Armen. Sie schrie. Reinhold riß sie in die Höhe, wirbelte sie herum und drückte noch fester zu, und Angelas Schrei ging in ein atemloses Keuchen über und verstummte dann ganz. Reinhold verstärkte den Druck seiner Arme noch mehr. Die Muskeln und Sehnen an seinem Hals traten vor Anstrengung hervor, und Bremer glaubte Angelas Rippen und Rückgrat krachen zu hören. Reinhold würde sie töten, wenn sie nicht aufgab, das begriff er plötzlich. Dies war kein fairer Kampf mehr, bei dem es um Sieg oder Niederlage ging. Es ging um Leben und Tod. Er wußte, daß es vollkommen sinnlos war - ohne irgendeine Waffe gab es absolut nichts, was er gegen Reinhold unternehmen konnte. Trotzdem humpelte er los, so schnell es ging. Seine verletzten Nieren kreischten bei jedem Schritt vor Schmerz, und ihm wurde so übel, daß er nach drei Schritten stehenbleiben mußte.