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Louise drehte an ihrem Ehering. »Ich weiß nicht. Sie wird ihn sein Leben lang pflegen müssen.« »Er kommt gut zurecht.« Juts boxte ihre Schwester an die Schulter. »Du machst dir doch Sorgen ums Geld. Er wird eines Tages den Drugstore übernehmen. Dann hat sie für den Rest ihres Lebens ausgesorgt.«

»Ich weiß nicht.«

»Sorgen sind dein Leben, weißt du das?«

»Du wirst eines Tages haufenweise Sorgen haben, wenn Nik­ky sich ernsthaft verliebt. Sie braucht bloß an einen miesen Kerl zu geraten. Ein Einziger genügt.«

»Vielleicht ist es umgekehrt genauso, und bei denen genügt auch eine Einzige, wer weiß.« Juts drehte den Wasserhahn auf und hielt ihre Zigarette darunter, um sie zu löschen. »Wer weiß, was aus Nicky wird? Sie tanzt nach ihrer eigenen Pfeife. Wenn ich daran denke, daß Blut dicker ist als Wasser, erinnere ich mich an Rillma als Kind. Sie war ganz anders als Nickel.«

»Sie klingt wie du. Sie packt die Dinge an wie du«, sagte Louise beschwichtigend.

»Ja?«

»Ich glaube, sie sind wie Schwämme. Sie saugen alles auf.«

»Manchmal fühle ich mich wie eine Köchin, ein Hausmäd­chen, eine Waschfrau, ein Chauffeur - sogar eine Kranken­schwester -, aber ich weiß nicht, ob ich mich wie eine Mutter fühle.«

»So fühlen sich Mütter eben - und erwarte bloß keinen Dank dafür.«

81

Trotz der Ermahnungen ihrer Schwester, man müsse wissen, wo man hingehört, verschwor sich Juts mit Nicky und baute mit ihr eine Seifenkiste. Chessy hörte sich ihre Argumente an und dachte, was soll's?

Sie machten das Garagentor zu und verbrachten die nächsten zweieinhalb Monate damit, das Gefährt zu bauen. Chessy feilte an der Aerodynamik der Kiste, die eine niedrige, spitze Schnau­ze und glatte, windschnittige Seiten bekam. Nicky übernahm die Aufgabe, zu schmirgeln und immer wieder zu schmirgeln, bis die Holzoberfläche glänzte wie Glas.

Juts und Chessy machten sich Gedanken um die Lenkung. Ei­ne schnelle Seifenkiste ist mitunter schwer zu halten. Juts hatte das Zeug zur Mechanikerin. Sie kroch unter den Wagen, prüfte die Zugstangen und den Sitz der Räder unter dem Fahrgestell. Sie zeichnete Entwürfe. Chester vertiefte sich mit ihr in die Zeichnungen, Nicky ebenso.

Beim Bau der Seifenkiste hielten die drei Smiths zusammen wie Pech und Schwefel. Am meisten genoß es Nicky, wenn sie alle in der Garage waren, auch Buster und Yoyo, und sangen. Juts die zweite Stimme, Chester Baß und Nicky die Melodie. Sie sorgte sich nicht wegen Rillma Ryan, wenn sie zusammen arbeiteten, und Juts war zu beschäftigt, um die Geduld mit ihr zu verlieren.

Nicky fand heraus, daß wenn sie mit Juts spielte - denn für sie war es ein Spiel -, Juts glücklich war. Sie hatten einmal in der Woche Reitunterricht, und danach begleitete Nicky Juts manchmal bei ihren Einkaufstouren. Sosehr sie das langweilte, sie heuchelte Interesse für die Kleider, auf die Juts sie aufmerk­sam machte.

Nun, da sie ein bißchen größer war, verbrachte sie die Sams­tage bei Chessy im Geschäft. Wie ihr Dad bastelte sie gern, aber sie hütete sich, in Juts' Gegenwart zu großen Enthusiasmus an den Tag zu legen, denn Juts war sogar auf Chessy eifersüchtig.

Mit ihren sieben Jahren hatte Nicky gelernt, sorgsam mit ihren Gefühlen umzugehen. Beseelt von grenzenlosem Tatendrang und Wagemut, spielte sie die meiste Zeit draußen, tat die meiste Zeit, was man ihr sagte, und beobachtete die Menschen viel mehr, als daß sie ihnen zuhörte. Sie hatte schon eine wichtige schmerzhafte Lektion fürs Leben gelernt, nämlich, daß die Menschen sie zwar gern haben mochten, sie sich aber um sich selbst kümmern mußte; sie konnte nicht erwarten, daß andere es taten. Mit Ausnahme von Chessy.

Juts war es egal, was in Nicky vorging. Für sie zählte nur das sichtbare Ergebnis. Das galt für alles und jeden, und in dieser Beständigkeit lag ein gewisser Trost.

Chessy zeichnete die Konturen der Nummer 22 auf beide Sei­ten des Gefährts, das jetzt glänzend königsblau gestrichen war. Zusammen malten sie die 22 golden aus.

Harry Mundis, der Leiter des Rennens, herrschte allein über sein großes Reich, daher war es nicht so schwierig, sich an ihm vorbeizuschummeln. Nicky meldete sich unter dem Namen Jackson Frost an, weil sie wußte, daß Jackson den 4. Juli am Strand verbringen würde.

Das Wetter, wolkenlos und mit ungewöhnlich geringer Luft­feuchtigkeit, verhieß einen denkwürdigen Unabhängigkeitstag. Auf dem Platz war ein Feuerwerk vorbereitet, beide Feuerweh­ren nahmen teil. Flaggen zierten die ganze Stadt, und alle Be­wohner hißten auf der Veranda oder auf dem Rasen eine Fahne.

Nicht wenige ließen auch ihre Flaggen von Maryland oder Pennsylvania flattern, was zur Farbenpracht beitrug.

Die Männer kramten ihre Kreissägen und Panamahüte hervor, während die Damen hin und her überlegten, ob sie bei der Hitze Nylonstrümpfe anziehen müßten. Die Mutigeren und Hübsche­ren entschieden sich für Shorts und Leinensandalen. Seit Louise behauptet hatte, Juts hätte Krampfadern, verzichtete Juts auf Shorts.

Die Häuser an der Rennstrecke füllten sich mit Menschen. Wannen mit Eis hielten Bier, Sodawasser, Limonade und für die Siegreichen Limonenlimo kalt. Kühltaschen mit Trockeneis enthielten Erdbeer-, Schokoladen- und Vanilleeis.

Louise, die Dame des Hauses, hatte eine Menge Gäste, die Wests gegenüber ebenso. Louise und Pearlie gingen hinüber, um zu plaudern, doch da Senior Epstein und Trudy mit den Wests feierten, blieb Juts, wo sie war. Wenn möglich, ging sie den Epsteins aus dem Weg.

Die älteren Damen - Cora, Ramelle und Fannie Jump, die langsam taub wurde - saßen auf Schaukelstühlen auf der Ve­randa. Extra Billy, Doak und die anderen jungen Männer tum­melten sich auf dem Rasen vor dem Haus und spielten mit ei­nem Tischtennisball Baseball, nachdem sie zuvor in der Parade mitmarschiert waren. Ihre Freundinnen und Ehefrauen spielten Hufeisenwerfen. Vaughn war im Hufeisenwerfen nicht zu über­treffen, er schlug sie alle vom Rollstuhl aus. Die meisten Kinder kreischten und jagten einander, unter dem immergleichen Vor­wand, eins hätte das andere geschubst oder eins hätte mehr Eis gekriegt als das andere. Die Mütter kümmerten sich nicht dar­um.

Pearlie heizte den großen Grill aus Ziegelsteinen an, den er und Chessy vor Jahren gebaut hatten. Ganz Runnymede war sich einig, daß er die besten Steaks in der Stadt brutzelte. Juts und Louise brachten gemeinsam Platten mit Speisen zu Cora, Ramelle und Fannie Jump und versorgten alle mit Getränken.

Ein regelrechtes Erdbeben hatte die Stadt erschüttert, als die Versicherungsgesellschaft O. B. Huffstetler als den von den Rifes angeheuerten Brandstifter identifizierte. Ramelle weigerte sich, ihn zu entlassen, solange er nicht eindeutig überführt war. Sie wußte nicht, was sie tun würde, wenn er sich tatsächlich als der Übeltäter herausstellen sollte.

Die Kapellen marschierten an diesem Morgen unter wolkenlo­sem Himmel. Die Veteranen teilten sich auf, je nachdem, in welchem Krieg sie gekämpft hatten. Jeder Politiker aus den beiden Bezirken war in einem Cabriolet gekommen, und die Schönheitsköniginnen winkten allen zu. Die Geschäftsleute warben mit Festwagen für ihre Waren, der Wagen des Installa­teurs stellte ein riesiges Klo dar, was zu allerlei Bemerkungen Anlaß gab.

Ein langes Transparent war straff über die Ziellinie des Sei­fenkistenrennens gespannt.

Juts sah auf die Uhr und schlich sich fort, was in dem Tumult leicht zu bewerkstelligen war. Nickel, die Schutzbrille im Ge­sicht, die Haare unter eine Baseballkappe der York White Roses gestopft, eilte mit ihr. Da sie bei den Kleinen mitfuhr, würde sie zeitig starten.

Bevor Juts sie bei ihrer Kiste zurückließ, flüsterte sie: »Kopf runter.«

»Okay.«

»Und mit niemandem sprechen, sonst verrät dich deine Stim­me. Viel Glück.«

»Danke.« Nicky war ganz flau im Magen.