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Als Juts wieder an der Ziellinie war, tuschelte sie mit Chessy, der sich kurz vom Grill entfernt hatte. Louise scheuchte alle auf den Bürgersteig oder die Veranda, je nachdem, was ihnen lieber war.

»Wo ist Nicky?«

»Irgendwo in der Nähe.«

Louise bohrte weiter. »Sie hat noch nie ein Rennen verpaßt. Wo ist sie?«

»Wahrscheinlich auf der anderen Straßenseite. Da drüben ist Popeye. Siehst du ihn? Oje.« Sie zeigte auf den Reporter.

Louise ließ den Blick über die Menge auf der anderen Stra­ßenseite schweifen, dann bannte sie Juts mit ihrem Todesstrahl. »Sag bloß, du läßt sie.«

»Ach, du spinnst doch.«

»Ich kenne dich. Du bist doch ein offenes Buch für mich!« Louise sprang auf und ab, so aufgebracht war sie.

»Reg dich ab, Wheezie, es ist bloß ein Seifenkistenrennen, Herrgott noch mal. Sie kandidiert nicht für die Präsidentschaft.«

Der Ansager verkündete: »Und im dritten Lauf Jackson Frost, Nummer zweiundzwanzig, und Roger Davis, Nummer einund­sechzig - und los!«

Als Nicky nach einem großartigen fliegenden Start den Hügel hinunterdonnerte, wußte Louise genau, wer in Wagen zweiund­zwanzig saß.

»Das ist eine Schande«, wetterte Louise. »Halt sie auf.«

»Ich halte gar nichts auf.«

»Das ist nicht fair gegenüber Roger Davis. Der Lauf wird nicht anerkannt.«

»Verdammt noch mal, Nicky nicht teilnehmen zu lassen, ist nicht fair gegenüber Nicky.« »Das ist ein anderes Paar Schuhe.«

»Von wegen.« Juts reckte den Hals, um die Kisten zu sehen. Nicky war in Führung. »Weiter so, zweiundzwanzig!«

Ringsum wurde gebrüllt.

»Das geht so nicht.« Louise stürmte zur Ziellinie. Sie hob die Arme.

Juts sprintete ihr nach und stieß sie aus dem Weg. Chessy stürmte über die Ziellinie, um Louise festzuhalten. So landeten sie auf der Straßenseite der Wests, und Trudy warf Chester einen innigen Blick zu. Für alle Fälle schubste Juts ihre Kontra­hentin.

Senior Epstein rief entrüstet: »Juts, lassen Sie doch die Ver­gangenheit ruhen.«

»Schlampe!«

»Alte Schlampe.« Trudy holte aus und knallte ihr eine.

Juts ballte die Faust und rammte sie Trudy in die Kinnbacken, daß sie rückwärts taumelte.

In dem vibrierenden Gefährt spannte Nicky alle Muskeln an. So schnell war sie noch nie im Leben gefahren. Sie spähte hoch und sah ihre Mutter und ihren Vater, Louise, Trudy und Senior in einer Rauferei, die von Minute zu Minute mehr Menschen einbezog. Sie ging vor Roger über die Ziellinie, schwenkte aber nach rechts, weil die Schlägerei sich bis auf die Straße ergoß. Das ratternde Gefährt hüpfte über den Bordstein, rollte auf zwei Rädern weiter, und Extra Billy und die anderen sprangen aus dem Weg. Gottlob besaß Maizie die Geistesgegenwart, Vaughn aus der Gefahrenzone zu schieben. Die Leute stieben auseinan­der wie Flipperkugeln. Die Smiths hatten eine verdammt gute Seifenkiste gebaut. Das Ding rollte immer noch und krachte schließlich in Louises hölzernen Fahnenmast.

Während Chester und Senior ihre Ehefrauen trennten, wand Louise sich los. Sie lief über die Straße, ihre Sandalen schlapp­ten bei jedem Schritt. Sie schob sich durch die Menge und zerr­te die benommene Nicky aus ihrer Siegerkiste.

»Wenn deine Mutter dir nicht beibringt, dich wie eine Dame aufzuführen, werde ich es eben tun!« Sie ließ ihre Hand auf Nickys Hinterteil klatschen.

»Mom!« Maizie packte ihre Hand.

»Das ist Nicky. Ich sage dir, das ist nicht Jackson Frost, es ist Nicky.«

Louise griff nach Nickys Schutzbrille. Sie riß den Kopf weg, und die Brille flutschte ihr wieder aufs Gesicht.

»Es ist Nicky.« Maizie klappte vor Staunen der Kinnladen herunter.

Nicky setzte ihre Brille ab. »Ich hab gewonnen!«

Billy, Vaughn, Doak und ihre Freunde lachten, und Billy hob Nicky auf seine Schultern.

Der Ansager, von dem Tohuwabohu in Kenntnis gesetzt, brummte: »Es gibt eine Disqualifikation im dritten Lauf. Der Sieger ist Roger Davis.«

»Ich hab gewonnen!«, schrie Nicky, die jetzt auf Billys Schul­tern stand. »Ich hab gewonnen!«

Juts, die von Chester und Pearlie über die Straße geschleppt wurde, fluchte, was das Zeug hielt. Als sie Nicky erblickte, klatschte sie in die Hände. »Ich habe gewußt, daß du's schaffst.«

»Sie haben sie disqualifiziert.« Louise spie die Worte förmlich aus.

»Ist mir egal. Sie hat gewonnen, und alle haben es gesehen. Nur das zählt.«

»Du verdirbst das Kind. Sie kann nicht dauernd meinen, daß sie tun kann, was ihr gefällt.«

»Ach, Mrs. Trumbull.« Extra Billy nannte seine Schwieger­mutter immer Mrs. Trumbull. »Das müssen Sie ihr schon las­sen, sie hat Mumm.«

»Und verstößt gegen die Regeln!« Louise hatte Flecken im Gesicht.

»Na und?« Juts war euphorisch, weil Nicky gewonnen und sie die vermaledeite Trudy Epstein endlich einmal vermöbelt hatte.

»Sie hat sich lächerlich gemacht«, sagte Louise.

»Besser, als wenn es jemand anders tut«, erwiderte Juts.

»Das Kind hat im Leben genug zu kämpfen, ohne daß du sie dazu anstiftest. Du hast nicht mehr Grips, als Gott einer Gans gegeben hat.«

Da riß ein Drähtchen in Juts' Kopf. »Wenn ich mich recht ent­sinne, Louise, bist du die Letzte, die über Gänse sprechen soll­te.«

Angst durchfuhr Louise. Sie rief »Feind hört mit!«, doch Juts war nicht mehr zu bremsen. »He, alle mal herhören, erinnert ihr euch an den Fliegeralarm? Das waren Kanadagänse. Louise hat wegen Kanadagänsen die Sirene gekurbelt und mich zu Ge­heimhaltung verpflichtet. So, Schwester, wie war das jetzt mit den Regelverstößen? Da kannst du doch mithalten!«

Louise stand da wie eine gerupfte Gans.

Der Aufruhr, den diese Enthüllung auslöste, übertraf den Tu­mult an der Ziellinie. Nicht nur die Geschichte erschien imCla­rion, sondern auch ein Foto der raufenden Hunsenmeirs. Popeye hatte wieder zugeschlagen.

82

Ganz die Dramadiva, trug Louise nach der Enthüllung am 4. Juli zwei Wochen lang einen schwarzen Schleier. Alle wußten, wer sich darunter verbarg.

Caesura Frothingham, inzwischen steinalt, erklärte, der Schleier sei eine große Verbesserung. Noe Mojo vermutete, Louise sei in Trauer.

Juts, die zunächst dachte, sie würde von Vorhaltungen ver­schont bleiben, stellte fest, daß sie so köstlich munden mußten, daß die Leute ihr mit Freuden auch welche zuteil werden ließen.

Orrie Tadja Mojo drohte Juts mit dem Finger und sagte, sie habe ihre Schwester verraten. Worauf Juts sie anblaffte, von Louises bester Freundin erwartete sie nicht, fair behandelt zu werden.

Ev Most, von einer ihrer vielen Reisen zurück, verteidigte Juts, vertraute jedoch ihrem Mann an, daß Julias Freundin zu sein zuweilen sehr strapaziös sei.

Mutter Smith schrieb einen Brief an den Herausgeber der Trumpet, in dem sie sich über Funktionsträger beschwerte, die blinden Alarm schlugen. Sie führte den Bezirksbeauftragten von York auf der Pennsylvania-Seite an, doch ganz Runnymede wußte, daß Louise und Juts gemeint waren.

Das wurmte Cora, die Juts einen Brief an den Herausgeber des Clarion diktierte. Darin hieß es: »Josephine redet Scheiße.«

Walter Falkenroth rief Cora an und empfahl, den Brief umzu­formulieren. Ramelle, die einen kühleren Kopf bewahrte, half ihr, und der Brief erschien einen Tag nach Josephines Attacke.

Er lautete: »Louise Trumbull und Julia Ellen Smith haben ei­nen Fehler gemacht. Wir sind froh, daß es keine deutschen Flugzeuge waren.«

Am nächsten Tag erschien ein Brief von Juts, in dem sie schrieb: »Louise hat's vermasselt. Ich hab's vertuscht. Wenig­stens hatten wir ein bißchen Abwechslung.«

Daraufhin machte Louise ihrem Unmut gründlich Luft. Die Bewohner von Maryland schickten ihre Antworten stets an die Zeitung von Maryland, deren Auflage nach oben schnellte. Louises ausführliche Antwort mußte auf zwei Absätze gekürzt werden. Die letzte Zeile lautete: »Ich würde für mein Vaterland sterben.«