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»Was wünschst du?« fragte Verus.

»Ich studierte die Heilkunde und will sie jetzt anwenden. Da ich mich dazu in der Stadt Taltesa niederlassen möchte, wünsche ich dem Vertreter der Staatsgewalt meine Ehrerbietung zu Füßen zu legen«, erwiderte Durgal in derselben monotonen Redeweise. »Man sagte mir, es seien gewisse Formalitäten zu erledigen. Ich möchte mit meiner Arbeit so rasch wie möglich beginnen. Die Zeit drängt nämlich, weil aus dem Süden eine Seuche naht. Taltesa wird einen Arzt brauchen.«

Eine Seuche? Bei Äskulaps Schlangenstab! Davon wußte ich nichts.

Zehn gegen eins: Dieser Mensch war ein Schwätzer und Kurpfuscher wie die meisten seinesgleichen, wie auch die beiden Ärzte Taltesas. Verständlicherweise lag gerade mir nichts daran, ihn zu widerlegen.

Manches sprach freilich für ihn. Zum ersten die mangelhafte Beherrschung des Lateinischen er mußte von weither kommen. Das setzte Geld und einiges Können voraus. Zum zweiten

dürfte ein Dummer besonders um Seuchen einen weiten Bogen schlagen. Vielleicht sollte ich mich mit ihm unterhalten, natürlich unverbindlich der Ortsschreiber mit dem Ortsheilkundigen.

Verus machte ein ernstes Gesicht. »Sicher weißt du, daß du zur Ausübung deines Berufs in Kriegszeiten eine Lizenz brauchst.« Ich sah dem Oberst bei dieser Lüge förmlich an, wie zufrieden er über die Zusatzsumme für seine Kasse war. Gönner hin und her einen Atemzug lang hätte es mich gefreut, wenn Durgal auf die Rechtslage verwiesen hätte: Es gab keinen Kriegszustand in Taltesa, weil Rom überhaupt keinen Krieg führte. Jedenfalls nicht gegen die Galicier. Das war eine simple Ordnungsaktion unter dem Befehl eines Proprätors.

Doch vom römischen Gesetz wußte der Fremde offenbar wenig. »Das ist mir bekannt, großmächtiger Oberst«, leierte er und zog einen Lederbeutel aus dem rötlichbraunen Gewand. »Ich möchte die Summe so rasch wie möglich bezahlen, damit alles seine Ordnung hat.«

»Wohl gesprochen. Rufus wird es erledigen.«

Bei Jupiter! Was sollte ich schreiben, da das Gesetz solch eine Lizenz gar nicht kannte? Die Kopie im Archiv konnte man ja verschwinden lassen, aber das Original durfte keinen Beweis liefern, daß Tribun und Ortsschreiber etwa Bestechungsgelder annahmen und das kurz vor einer Inspektion! Verus blitzte mich an. Daraufhin verfaßte ich einen möglichst unverfänglichen Text in zweifacher Ausfertigung.

Durgal überflog den Inhalt und nickte. Anstandslos zählte er mehrere Goldmünzen auf den Tisch. Ich pfiff durch die Zähne. So prägefrische Aurei hatte ich selten in die Hand bekommen. Ihr Gold schien heller zu leuchten als das gängige Münzmetall.

Ich gab ihm etliches Silbergeld zurück, doch er schob es mir wieder zu. Wir sahen uns an.

Ich erschrak. Der Mann, der mir soeben ein fürstliches Geschenk überreicht hatte, blickte befremdlich kalt. Eine Erinnerung quoll in mir hoch: Schon einmal hatte ich solch einen Blick gesehen damals, als Brutus das Todesurteil über Cäsar fällte und die Meinungen der Mitverschworenen abfragte.

Ein Arzt? Ein Henker blickte so, ein Mörder.

3

Unter dem Vorwand, mein Amt gründlich auszuüben, durchstreifte ich die Umgebung von Durgals Domizil. Mochten seine Worte noch so einleuchtend klingen er verbarg etwas. Ich fühlte es.

Gehörte er zu Octavianus Augustus’ Schnüfflern? Zwar erfuhr das abgelegene Taltesa wenig von den Hintergründen der verworrenen Geschehnisse im Zweiten Triumvirat; aber ich wußte, daß nicht alle Cäsarmörder gefunden und gerichtet worden waren. Möglicherweise brachte der Diktator tatsächlich die Energie auf, jedes Dorf abzuhorchen.

Am nördlichen Ortsrand Taltesas wo man bereits einen angenehmen Ausblick auf die Waldberge hatte, die die Grenze nach Gallien bilden stand eine alte Villa. Man tuschelte, vor vielen Jahren habe der legendäre Rebell Sertorius dort residiert. Die wechselvolle Geschichte des nördlichen Hispaniens hatte das Anwesen verkommen lassen. Ich wußte, daß Durgal dieses Haus um billiges Geld gekauft hatte und mit einem halben Dutzend Dienern darin wohnte. Selten traf man die Fremden auf der Straße; und wenn doch, so hinterließen sie den gleichen unzugänglichen Eindruck wie ihr Herr und Meister.

Eigentlich mußte Durgal betrübt sein. Soweit ich erfahren konnte, hatte er seit seiner Ankunft keinen einzigen Patienten gehabt. Die Wohlhabenden scheuten Experimente und verließen sich auf die beiden eingesessenen Heilkundigen; die Armen meinten, ein Arzt und Hausbesitzer könne nur hohe Honorarsätze haben. Es war eine Zeitfrage, daß sich das änderte; doch gerade solche Durststrecken hinderten die meisten meines Standes an Umzügen.

Mir widerstrebte es, die Nachbarn nach ihm auszuforschen. Gewiß hätte man dem Amtsschreiber Auskunft gegeben, aber ebenso gewiß würde man mich für einen Zuträger des neuerrichteten Kaiserlichen Geheimbüros gehalten haben. Über vertrauliche Dinge dürfte ich fortan nie wieder etwas erfahren. Auch bestand die Gefahr, daß man Durgal aus stiller Solidarität warnte; und weil mir sowohl sein Erscheinen als auch seine Person verdächtig erschienen, wünschte ich ihn nicht zum Gegner. Menschen in meiner Position mußten vermeidbare Feindschaften umgehen.

Ich war wenig erfreut, daß Durgal gerade aus dem Anwesen trat, als ich vorbeiging. Er überrumpelte mich mit seiner Einladung. Unmöglich, in solch einer Situation abzulehnen.

Mitten im Atrium stand eine Statue des Octavianus Augustus. Hier in der Provinz fragte zwar niemand nach Ähnlichkeit, sofern nur der Name daruntergemeißelt war. Ich indes kannte Cäsars Stiefsohn und war beeindruckt. In Rom gab es wenig bessere Arbeiten. Ihre Existenz bezeugte Herrschertreue. Mein Argwohn verstärkte sich.

»Es freut mich, daß du meine Einladung angenommen hast, Herr Sekretär Rufus. Darf ich dir etwas bringen lassen?«

Erneut der Kontrast zwischen den höflichen Worten und der wegwerfenden Art, in der er sie aussprach!

»Danke, ich möchte dich nicht lange aufhalten. Du hast dich bereits eingerichtet? Kommen die Patienten?«

»Noch nicht« Das klang, als wäre er darüber nicht betrübt. »Etwas anderes bekümmert mich weit mehr. Meinen Informationen zufolge gab es bereits Krankheitsfälle westlich von

Tarraco. Ich erwähne das für den Fall, daß du irgendwelche Vorbereitungen treffen willst«, ergänzte er in einem Ton, als rede er von Alltäglichkeiten.

»Die Post der Provinzialregierung enthielt keinen Hinweis«, warf ich behutsam ein. Solche Dinge pflegte man freilich nicht auszuposaunen. Woher stammte überhaupt sein Wissen? »Ist es die Pest?«

»Nein. Daheim nennen wir die Seuche den Heißen Tod. Der Name verrät alles. Anfangs ist es wie eine fiebrige Erkältung, da unterschätzt man die Krankheit. Dann aber folgen gefährliche Schwächeanfälle und häufig der Tod. Wahrscheinlich versagt das Herz.« Er fixierte mich.

Ich bemühte mich um Neugierde und Nichtverstehen. Das fiel mir leicht, denn der Name Heißer Tod war ungeläufig. Meinte Durgal jene Fiebergrippe, die Gerüchten zufolge im fernen Parthien grassierte? »Kennst du ein Gegenmittel?« fragte ich. Ich rechnete nicht ernstlich auf eine Antwort. Es ist das gute Recht eines Arztes, seine Geheimnisse zu hüten.

»Kein gutes«, versicherte er denn auch vage.

»Trotzdem reist du der Seuche nach?« fragte ich spitz.

»Ihr voraus!« korrigierte er. »Hauptsächlich, um zu lernen. Außerdem hatte ich die Krankheit bereits, und es scheint, daß man sie kein zweites Mal bekommt.«

Das war häufig der Fall, ich wußte es; und daß Durgal etwas von der Heilkunde verstand, stand wohl auch fest. Im stillen entschuldigte ich mich bei ihm für mein Mißtrauen. Eigentlich war es bedauerlich, daß wir nicht ungeniert Erfahrungen austauschen konnten; aber ich war nun einmal ein Gejagter. »Welche Maßnahmen müßte die Obrigkeit deines Erachtens ergreifen?«