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Ich fand das übertrieben, schwieg aber.

Vielleicht erriet Durgal meine Gedanken, denn sein Blick verharrte kühl auf mir. »Herr Rufus, ich habe mir angewöhnt, den hohen Stand eines erfahrenen Arztes dadurch zu unterstreichen, daß ich mir wie ein feiner Herr die Hände häufig wasche. Ja, es ist wohl der Heiße Tod«, urteilte er dann. »Meines Wissens glaubt man hier oben in Nordhispanien, daß Fieberdämonen in den Körper des Kranken gefahren sind.«

Ich nickte. Dachte Durgal nicht so?

»Nun, jedes Land hat seinen Glauben. Bei mir daheim etwa... Ich werde den Leuten einen Kräuterextrakt geben, der die Dämonen hoffentlich verjagt, falls es nicht schon zu spät ist. Roba wird ihn nachher bringen.« Er wandte sich an Syriacus: »Bitte die Götter um Kraft, damit ihr wieder gesund werdet!«

Mir zugewandt, senkte er die Stimme: »Du schätzt diesen Mann? Er ist wohl tüchtig?«

»Gewiß, ich mag ihn und seine Frau... und seine Kinder« Wie hatte er das erraten? »Es wäre schlimm...«

»Ich bezweifle, daß er durchkommt. In ihm wühlen noch andere Krankheiten, und sie alle sind schlecht ernährt. Fürchte das Ärgste!« fügte er nach einer Pause hinzu. »Erlaube mir jetzt zu gehen. Ich muß den Extrakt bereiten.«

Nachdenklich blickte ich den beiden hinterher. Sie gingen durch die Gasse Herr und Sklave nebeneinander.

Welcher Arztschule entstammte Durgal? Der pergamenischen gewiß nicht. Dort hatte ich gelernt. Der von Athen ebensowenig. Einer ägyptischen? Möglich. Über sie wußte ich nur, daß sich die Schüler aus Memphis und Alexandria sehr mysteriös gaben. Paßte das nicht zu Durgal? Oder hatte er bei sich daheim, bei den Parthern gelernt? Oder gar im fernen Indien...

»Ich dachte, du wolltest Syriacus einen Absud geben!«

»Wenn sich zwei Diener Äskulaps am Krankenbett treffen, Cassia, muß einer weichen, oder der Tod tritt als dritter hinzu.

Ich glaube, das Sprichwort trifft zu. Außerdem versteht Durgal unsere Kunst. Ein kluger Mann, findest du nicht auch?«

Sie streifte das Haar aus der Stirn. »Das schon. Doch er ist kein guter Mensch. Ich spüre das. Irgendwie ist er lach nicht, Sabinus! überhaupt kein Mensch.«

Ich lachte nicht. Meine Gedanken hatten etwas Ähnliches gestreift. Durgal ein Zauberer oder gar ein Dämon? Zauberei war im Imperium per Senatsdekret verboten... In Pergamon wußte man zwar von heimlichen Besuchen Äskulaps unter den Menschen. Aber der Gott würde sich nie in solch eine abgelegene Gegend verirren, zumal ihm in Rom höchste Verehrung gewiß wäre. Ach, Unsinn! Wir machten uns überflüssige Gedanken.

»Morgen komme ich wieder, Syriacus! Sollte es dir dann nicht besser gehen...«

6

Der Tod kam mir zuvor und raffte die Familie hinweg. Der Tod war überall und unersättlich. Taltesas Straßen verödeten, weil sich die Menschen scheuten, anderen Menschen zu begegnen. Wie man bei der Pest die Ratte fürchtet, fürchtete man den Nachbarn. Wer bloß ein Stück Brot aus der falschen Kehle hustete, mußte erleben, daß alles fluchtartig aus seiner Umgebung verschwand.

Sobald bekannt wurde, daß ich Rat erteilte und Tränke mischte, rannten mir die Kranken buchstäblich das Haus ein. Sie kamen tags und nachts, baten, flehten und schrien. Zuletzt lebte ich nur mehr in einem Dämmerzustand. Ich hörte wohl, wie mir Cassia berichtete: Der ist erkrankt, dieser durchgekommen, jener verstorben; aber irgendwie hörte ich es auch nicht.

Meine Heilmittel wirkten leider mangelhaft, obgleich ich sie gewissenhaft nach den Anweisungen meiner Lehrmeister zubereitete. Viele Leute starben mir unter den Händen. In Stunden tiefer Verzweiflung sagte ich, daß jene, die keine Hilfe fanden, dieselben Chancen hatten wie die, denen ich Rat und fiebersenkende Elixiere gab. Cassia bestritt das; mir scheint, weil ich sonst aufgegeben hätte. Innerhalb weniger Tage waren wir beide erschöpft, hohläugig und zittrig geworden.

Daß Durgal ähnliche Resultate zu verzeichnen hatte, hob meine Stimmung um keinen Zoll. Er war kein besserer Arzt als ich. Auch seine Patienten starben scharenweise Leute darunter, um die es bitter schade war: Aulus Curio, ein pensionierter Centurio von den Pioniertruppen, erlag dem Heißen Tod binnen Stunden. Als gesuchter Architekt und Techniker hatte er in Taltesa gutes Geld verdient und umgekehrt Geld in Umlauf gebracht. Der geplante Aquädukt sollte sein Meisterwerk werden. .. Gewöhnlich blieben solche Leute in den großen Städten. Wann je wieder so ein Mann herkam, stand in den Sternen.

Wo derart wenig Hilfe winkte, dachten viele wie der junge Legionär Optimus Taurus: »Mir kann nichts passieren. Ich habe so viel Wein in mir, daß sich kein Dämon in mich wagt!« Der Weinverbrauch stieg und stieg. Mir blieb das Lachen darüber in der Kehle stecken. Die Fiebergrippe verschonte die Trinker jedenfalls nicht. Und richtig: Etliche Tage später lag der tüchtige Optimus darnieder, um nicht wieder aufzustehen.

In den Unterkünften der Provinzialtruppen am Westtor gähnte alsbald Leere, weil ein gut Teil der Legionäre dienstunfähig fieberte und ein anderer auf dem Friedhof lag. Die Seuche wütete wie der grausame Befehl des Feldherm, der jeden zehnten Mann der Legion zum Tod verurteilt, sei er schuldig oder schuldlos. Meist traf es die Besseren.

Überraschend erkrankte schließlich auch Marcus Verus. Natürlich hätte ich meinen Gönner selbst behandelt, war aber

zufällig außerhalb der Stadt, als ihn Fieberschauer niederwarfen. Darum rannte der Adjutant zu Durgal. Doch dessen Kunst versagte, und der Ortskommandant gab den Geist auf. Die bereits holpernde Verwaltung stockte.

Bei den Totengräbern herrschte ständige Arbeit. Von früh bis spät schachteten sie Gruben, schafften Verstorbene hin und schütteten die Gräber zu. Zeremonielle Verbrennungen widersprachen der Tradition Nordhispaniens. Gegen sie hatte sich Roms Ritus auch nach so langer Herrschaft nicht durchgesetzt. Für lange Opferfeiem fand außerdem niemand Zeit. Sie konnten nachgeholt werden, sobald die Seuche abgeklungen war. Dann würde man auch Grabmäler für die Reichen meißeln und aufstellen.

Doch das Ärgste sollte erst noch folgen.

Eines Abends hockte ich mich hinter einen Grabstein und wartete auf den Einbruch der Nacht. Der Himmel verdunkelte sich rasch, Sterne flammten auf, weit im Westen stand ein blasser Mond. Im Grunde wußte ich, was geschehen würde, und harrte nur der Bestätigung. Der Totengräber hatte heilige Eide geleistet. Er war kein Mann, der das leichten Gewissens tat.

Am Mittag war ich zurückgekommen, Stunden zu spät, um Marcus Verus’ Bestattung beizuwohnen. Aber ich suchte wenigstens sein Grab auf und verband das mit einem Krankenbesuch. Es handelte sich um die unhübsche fünfzehnjährige Tochter eines Totengräbers. Das Mädchen war robust und würde wohl durchkommen. Bis mein Trank zubereitet war, unterhielt ich mich zerstreut mit dem Vater. Er war aufgeregt; nicht weil er für sich fürchtete aus unerfindlichen Gründen war seinesgleichen immun gegen das tötende Fieber -, aber er bangte um sein einziges Kind und schwatzte von der Rache der beleidigten Unterirdischen, die nun tödliche Dünste aufsteigen

ließen. Anfangs ignorierte ich das Gerede, dann hörte ich aufmerksam hin und begriff alsbald, was er gesehen hatte.

Nun wartete ich im Versteck, sicherheitshalber mit einem langen Dolch bewaffnet. Der entlarvte Verbrecher würde sich nicht leicht ergeben.

Sie kamen zu viert. In der Dunkelheit vermochte ich Durgal nicht zu erkennen; aber mir war klar, daß er so etwas keinem Diener überließ. Leise gingen sie zwischen den Hügeln und orientierten sich zögernd. Kein lautes Wort fiel.

Am Grab von Marcus Verus stockte der vorderste, wandte sich um und erklärte mit einer Geste, man sei am Ziel. Ich verstand es so deutlich, als hätte er gesprochen. Zwei zogen Militärspaten aus ihren Umhängen und begannen zu graben. Erde polterte dumpf, Steine schürften, gelegentlich knirschte Holz unter dem Eisen.